Iseltaler Bürgermeister schäumen

Iseltaler Bürgermeister werfen Revital vor, Gutachten nach den Wünschen von Auftraggebern zu erstellen. Hat Natura 2000 schwere wirtschaftliche Folgen für Osttirol?

Die Fronten rund um das Natura 2000-Schutzgebiet in Osttirol verhärten sich: Die Bürgermeister von Matrei, Virgen und Prägraten, die einen Großteil ihrer Gemeindebürger hinter sich wissen, sprechen von Skandal und Willkür.

Der zweite Runde Tisch am vergangenen Donnerstag zum Thema Natura 2000 unter Leitung von LH-Stv. Mag. Felipe hätte eigentlich, wie Osttirol heute berichtete, die Wogen der verschiedenen Parteien und Interessen glätten und einen Konsens herstellen sollen. Das Gegenteil scheint nun der Fall: Unisono werfen die Bürgermeister der Gemeinden Matrei (Dr. Köll), Virgen (Ing. Ruggenthaler) und Prägraten (Steiner) LH-Stv. Mag. Felipe, welche die gesamte Diskussion selbst moderierte, bei der letzten Veranstaltung Parteilichkeit vor. NGOs wäre breite Redezeit zugesprochen, Bürgermeistern jedoch das Schlusswort verwehrt worden. Weitere Gemeindevertreter, etwa VizebürgermeisterInnen, hätten nicht teilnehmen dürfen, jedoch eine Vielzahl an nicht eingeladenen NGO-Vertretern.

natura2000bgm2Besonders empört ist man über neue Gutachten bzw. den Ausweisungsvorschlag der Osttiroler Firma Revital, welche von der Umweltweltabteilung beauftragt und in Kals präsentiert worden sind. Der Vorschlag widerspräche in seinen Schlussfolgerungen betreffend notwendige Unterschutzstellungen des FFH-Lebensraumtyps-3230, so die drei Bürgermeister, früheren Feststellungen in, etwa von der TIWAG und der Felbertauernstraße AG beauftragten und bezahlten Gutachten der Firma Revital, in denen Natura 2000-„Verdachtsgebiete“ anders ausgewiesen oder nicht berücksichtigt worden wären. Mangels in Kals vorgelegter, detaillierter Planunterlagen (in einem entsprechenden Maßstab) wäre man nicht in der Lage, die einzelnen Ausweisungsvorschläge entsprechend zu überprüfen. Auch für die Pressekonferenz in Virgen wäre es unmöglich gewesen, detaillierte Planunterlagen von der Umweltabteilung zu erhalten: Diese hätte nur lapidar auf die Präsentationsunterlagen verwiesen, welche man dann im August dem Protokoll beilegen werde. Außerdem legte man ein, in qualitätsvoller, einjähriger Arbeit erstelltes, wissenschaftliches Studienergebnis der Umweltbüro Klagenfurt GmbH vor (Doz. Dr. Gregory Egger/derzeit tätig am WWF-Auen-Institut in Karlsruhe). Dieses Gutachten würde mit den früheren Feststellungen von Revital für TIWAG und Felbertauernstraße AG übereinstimmen, das neuere im Auftrag der Umweltabteilung des Landes jedoch nicht. Hier lägen massive Interessenskollisionen und Befangenheiten vor. Der Gutachter des Planungsverbandes hätte es hingegen aufgrund von Interessenskollisionen abgelehnt, einen konkreten Ausweisungsvorschlag zu bringen. Das Klagenfurter Umweltbüro habe deshalb nur festgestellt, wo der FFH-Lebensraumtyp-3230 vorkomme und wo nicht. Die raumordnerischen Schlussfolgerungen daraus müsste ein Raumplanungsexperte ziehen. Laut Gutachten des Planungsverbandes käme der FFH-Typ-3230 am Tauernbach nur marginal vor, hauptsächlich am nicht für Natura 2000 vorgeschlagenen Frosnitzbach und am Ausgang der Prosseggklamm, welche in ihrem Ausläuferbereich auch nicht für Natura 2000 vorgeschlagen worden sei. Der Tauernbach würde daher diesen FFH-Typ nur auf wenigen tausend Quadratmetern aufweisen. Die Obere Isel zwischen Prägraten und Virgen sowie die mittlere Isel von Matrei (nach Einmündung des Tauernbaches) bis Huben würde den, von der EU eingemahnten Lebensraumtyp, überhaupt nicht aufweisen.

Nun stand der Vorwurf im Raum, Revital würde Gutachten je nach Auftraggeber erstellen, wobei Revital eigentlich schon vor einem Jahr seine damaligen Auftraggeber darauf hinweisen hätte müssen, dass der gesamte Tauernbach von der EU-Kommission als Natura 2000-Gebiet eingemahnt worden wäre. Diesbezügliche Feststellungen würden fehlen. In Kals wären – aufgrund von, auf eine Leinwand geworfenen Power-Point-Unterlagen in einem nicht nachvollziehbaren Maßstab zumindest zwei Ausweisungsvorschläge der NGOs präsentiert worden, welche auch den gesamten Tauernbach ausgewiesen haben wollten. Revital habe nunmehr auch weitreichende Bereiche des Tauernbaches ausgewiesen, welche im Widerspruch zu früheren Schutzgüterfeststellungen stehen würden.

Wie schaut nun das Ergebnis für die drei Bürgermeister aus: Hotspots für den FFH-Lebensraumtyp-3230 (Alpine Flüsse mit Ufergehölzen von Deutscher Tamariske) gäbe es im Bereich der Unteren Isel (unterhalb von Huben bis Ainet), am Oberlauf der Schwarzach (Gemeindegebiet St. Jakob i.D.) sowie insbesondere auch am Kalserbach. Kleinere Bestände gäbe es an der mittleren Isel im Bereich Ganz und an den Ausläufern der Prosseggklamm am Tauernbach (Gemeinde Matrei i.O.). Im Ausweisungsvorschlag von Revital würden jedoch umfangreiche Vorkommen der Tamariske am Kalserbach nicht berücksichtigt, verschwindend kleinere im Bereich der Oberen Isel und des Tauernbaches aber sehr wohl. Aufgrund des EU-Mahnschreibens vom 30.05.2013 sowie der NGO-Vorschläge und nunmehrigen Ausweisungsvorschläge von Revital hätte die BH Lienz die Aufgabe, Verträglichkeitsprüfungen nach Paragraph 14 des Tiroler Naturschutzgesetzes durchzuführen. Diese könnten sowohl die Arbeiten zum Neubau der Felbertauernstraße betreffen (Auswirkungsanalyse) als auch das geplante TIWAG-Projekt am Tauernbach. Dafür genüge nämlich schon die Vermutung der Ausweisungspflicht für ein Natura 2000-Gebiet. Bgm. Dr. Köll: „Ich rechne aber letztendlich nicht damit, dass im endgültigen Ausweisungsvorschlag des Landes Natura 2000-Bereiche aufscheinen werden, welche den Neubau der Felbertauernstraße beeinträchtigen“.

Ob die präsentierte Studie nun so ausgefallen ist, dass keine Kraftwerke in der Iselregion mehr gebaut werden können oder nach objektiver Faktenlage, das möge jeder Leser dieses Beitrages nach eingehender Überprüfung selbst beurteilen.

Besonders schwerwiegend könnten nach Meinung der Bürgermeister aber die Folgen sein, welche die Gesamtpräsentation in Kals auslösen würde: Schon am Montagfrüh müsste die BH Lienz eigentlich einen Baustopp der neuen Trasse der Felbertauernstraße prüfen, da durch das Mahnschreiben und zumindest zwei präsentierte Ausweisungsvorschläge mögliches Natura 2000-Gebiet beeinträchtigt werden könnte. Die Trasse führe bis zu zwei Meter und noch näher an den Tauernbach heran. Außerdem müsste der schmale Korridor, der im Rahmen des Nationalparkgesetzes und der damaligen Natura 2000-Ausweisung entlang des Felbertauerntunnels und der Felbertauernstraße bewusst ausgespart worden wäre, nunmehr neu geprüft werden: Dies wäre ein mögliches Aus für den Flughafen Nikolsdorf, da dann vom Norden her keine Tourismus- und Lastenflüge mehr möglich wären, außerdem könnten – wie schon im Osttiroler Teil des Nationalparkes Hohe Tauern – keine Übungsflüge mehr durch die Bergrettung erfolgen, was im Iselbereich künftig auch die Wasserrettung treffen könnte. Gewerbliche Hubschrauberflüge und andere Flugbewegungen könnten im Falle einer Maximalausweisung des Natura 2000-Gebietes künftig nur mehr über italienisches Staatsgebiet oder von Kärnten aus abgewickelt werden.

Auch den immer wieder ins Treffen geführten Förderungen für Natura 2000-Gebiete können die Bürgermeister nur wenig abgewinnen. „Life-Projekte schließen ausdrücklich alle anderen Förderungen und EU-Förderungen, wie z.B. Leader, aus. Schon bei den Förderungen für den Nationalpark gibt es in den drei Teilen völlig unterschiedliche Modalitäten: So bekommt man etwa in Kärnten 24.581 Euro Förderung pro bewirtschaftete Fläche, in Salzburg 14.924 Euro und in Tirol 9.791 Euro. Vor neuerlichen Versprechen fordern wir eine Gleichstellung aller drei Nationalparkteile!“, so das Osttiroler Mitglied im bundesländerüberschreitenden Nationalparkrat, Bgm. Ruggenthaler. Als erste Bedingung für eine gemeinsame Lösung steht für die Bürgermeister Köll, Ruggenthaler und Steiner der Wunsch nach mehr Basisdemokratie im Vordergrund. Die Regionen und ihre Bürger sollten auch laut Vorgaben der EU von den Verantwortlichen gehört werden. Es müsse neben den Gemeinden auch mit den privaten Grundeigentümern über Vertragsnaturschutz verhandelt werden, da sich die Flüsse in der Iselregion nicht nur auf öffentlichem Wassergut bewegen, sondern sich auch darüber hinaus ihren natürlichen Verlauf gesucht haben. „Es darf keine Naturschutzdiktatur oder Brachialdemokratie entstehen“, so die drei.

Text: J. Hilgartner, Fotos: Osttirol heute

27. Juli 2014 um