Ernüchterung in Iselregion, Jubel bei Grünen

Die Tiroler Landesregierung hat am Dienstag, 3.3., die Ausweisung der gesamten Isel und eines Teils ihrer Zubringergewässer als Natura 2000-Gebiet beschlossen.

Während sich Umweltschutz-Organisationen, Grün-Politiker und Aktivisten in Bezirk, Land und Bund über die Entscheidung des Landes freuten, wurde in Gemeinden entlang der Isel Unmut und Enttäuschung über die Vorgehensweise des Landes laut. Die Tiroler Landesregierung hatte am Dienstagnachmittag in einer Aussendung bekannt gegeben, dass man anlässlich des EU-Vertragsverletzungsverfahrens um die Nachnominierung von Natura 2000-Gebieten auf Antrag von LH Günther Platter, LH-Stv. Josef Geisler und LH-Stv. Ingrid Felipe ein Naturschutzgebiet für die Isel und ihre Zubringer als Lebensraum der Deutschen Tamariske vorgeschlagen habe. Neben der Isel sollen in Tirol weitere vier Naturschutzgebiete – je eines in Tarrenz und Nauders sowie zwei in Ischgl – eingerichtet werden. Mit dem gestrigen Regierungsbeschluss erfolgte auch die Einleitung eines achtwöchigen Begutachtungsverfahren für das Naturschutzgebiet der Gletscherflüsse Isel, Schwarzach und Kalserbach mit folgender Gebietsabgrenzung: die Isel von der Grenze des Nationalparks Hohe Tauern (NPHT) im Umbaltal bis zur Gemeindegrenze Oberlienz/Lienz, die Schwarzach von der Grenze des NPHT bis auf Höhe des Ortsteiles Ranach und der Kalserbach von der Grenze des NPHT bis auf Höhe von Unterlesach.

Gleichzeitig mit der Nachmeldung, die lt. Landeshauptmann Platter auf der „Grundlage fachlicher Expertisen“ erfolgt sei, wurde ein „regionalwirtschaftliches Programm Isel“ angekündigt. LH Platter: „Damit werden insgesamt 10 Mio. Euro für die nächsten 10 Jahre zur Verfügung stehen.“ Das Programm solle in enger Abstimmung der Fachabteilungen des Landes mit dem RMO in Lienz erstellt und auch die Initiative „Vordenken für Osttirol“ miteinbezogen werden. Die Gemeinden Ainet, Kals, Matrei, Oberlienz, Prägraten, Schlaiten, St. Jakob, St. Johann i.W. und Virgen listet das Land als „Empfänger“ des Programmes auf. Zudem „werde man sich dafür einsetzen“, dass die von der Natura 2000-Verordnung betroffenen Gemeinden an einem Kraftwerksprojekt des Landesenergieversorgers TIWAG beteiligt werden. LH-Stv. Josef Geisler sprach in diesem Zusammenhang davon, dass die Energieproduktion in einem Natura 2000-Gebiet nicht eine Frage von entweder oder, sondern von sowohl als auch ist. LH-Stv. Ingrid Felipe betonte, dass man seit Monaten in „ständigem Kontakt mit den Gemeinden und Grundstückseigentümern gestanden“ sei. Weitere Gespräche sollen, so Felipe, vor einer endgültigen Entscheidung in Osttirol stattfinden.

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v.l.n.r.: LH-Stv. Ingrid Felipe, Hypo Tirol Bank-Aufsichtsrat-Vorsitzender Wilfried Stauder, LH Günther Platter, Hypo Tirol Bank-Vorstandsmitglied Johann Peter Hörtnagl und LH-Stv. Josef Geisler bei der Landespressekonferenz am 3.3.2015 in Innsbruck

Bereits vor der offiziellen Aussendung des Landes luden am Dienstagmittag der stv. VP-Klubobmann LA Hermann Kuenz und der Kalser Bürgermeister Klaus Unterweger in Lienz zu einem Pressegespräch. Kuenz bezeichnete es als „Verhandlungserfolg“ der Tiroler Volkspartei, dass …„Natura 2000 kein automatisches Ausschlusskriterium für oberirdische Kraftwerksbauten„ sei. Das Kraftwerksprojekt am Kalserbach, das Gemeinschaftskraftwerk an der Schwarzach sowie das Kraftwerk am Tauernbach sollten weiter vorangetrieben werden. Wirtschaftliche Entwicklung und Kraftwerksbau seien in Natura 2000-Gebieten möglich, sofern es zu keinen Verschlechterungen von betreffenden Tier- und Pflanzenarten komme. Schutzhütten und Wege könnten weiterhin bestehen bleiben, die Errichtung neuer sei „nicht ausgeschlossen“ und der Schutz vor Naturgefahren wie Hochwasser und Lawinen gehe auch in Natura 2000-Gebieten vor. Der Kalser Bürgermeister betonte ebenso wie Kuenz, dass sich die wirtschaftlichen Einschränkungen durch Natura 2000 in Grenzen halten würden. „Natura 2000 wird nicht unser Untergang sein“, so Unterweger, der sich in den vergangenen Monaten wiederholt von der Linie des Planungsverbandes 34 distanziert hatte. Allerdings hat Klaus Unterweger in Kals, trotz Natura 2000, die offensichtlich ganz klar mit dem Land abgesprochene Möglichkeit, ein Gemeindekraftwerk mit einem Gesamtrahmen von 19. Mio. Euro am Kalserbach zu bauen. Das Kraftwerksprojekt „Obere Isel“ in Prägraten und Isel sei hingegen, wie LA Kuenz erklärte, endgültig vom Tisch.

Aus den davon betroffenen Gemeinden, aber auch aus St. Jakob und Matrei sowie von Seiten der Lienzer Bürgermeisterin und SP-Landtagsabgeordneten Elisabeth Blanik äußerte man, zum Teil bereits schon im Vorfeld des sich abzeichnenden Regierungsbeschlusses, Enttäuschung und Unverständnis über die Vorgehensweise der schwarz-grünen Landesregierung. Die Gemeinde Virgen kündigte schon am 27.2. in einer Gemeinderatssitzung Widerstand gegen die geplante Totalausweisung an. Man werde sich „zur Wehr setzen“ und weder eine Volksbefragung noch den Weg nach Brüssel scheuen. Der Matreier Bürgermeister BR Andreas Köll, der auch Obmann des Planungsverbandes 34 ist, will den Weg nach Wien beschreiten und sprach davon, dass die „willkürliche“ Entscheidung in Tirol weder in Wien noch in Brüssel einer Überprüfung standhalten könne. Die Lienzer Bürgermeisterin LA Elisabeth Blanik kritisierte, dass man in dieser Angelegenheit über die betroffene Bevölkerung „von oben drüberfahre“ und dass sie diese Art der Politik nicht nachvollziehen könne. Ähnlich argumentierte auch der St. Jakober Bürgermeister und FP-Nationalrat Gerald Hauser. Er bezeichnete die Entscheidung als ein „politisches Geschäft der Grünen mit der ÖVP“. Hauser betonte erneut, dass es in seiner Gemeinde zwei einstimmige Gemeinderatsbeschlüsse gebe, in denen man sich gegen weitere Natura 2000-Ausweisungen ausgesprochen habe. St. Jakob habe bereits 66,1 % der Gemeindefläche als Natura 2000-Gebiet eingebracht. „Eine Ausweisung unseres Zentralraumes zwischen Maria Hilf und der Gemeindegrenze zu St. Veit, den wir für eine vernünftige weitere wirtschaftliche Entwicklung benötigen, lehnen wir ab!“ Alles andere wäre ein Drüberfahren und würde zu Protesten der Bevölkerung führen. „Er“, so Hauser, „rechne mit Klagsdrohungen von Gemeinden“.

Nach monatelangen, teils heftig geführten Diskussionen kann damit in der Natura 2000-Frage folgende Conclusio gezogen werden: Der grüne Koalitionspartner hat sich in Innsbruck erneut durchgesetzt. Wiederholte Versprechungen von Seiten hochrangiger VP-Politiker an die Bürgermeister der Iselregion wurden nicht eingehalten. Ob sich Natura 2000 und das in Aussicht gestellte regionalwirtschaftliche Programm für die Iselregion als eine wirkliche „Chance“ herausstellen werden, wird die Zukunft zeigen. Die Entscheidung für eine Totalausweisung der Isel scheint aber endgültig gefallen zu sein.

Text: E. Hilgartner, Foto: Land Tirol/Reichkendler, Grafik: Amt Tir. Landesreg.

04. März 2015 um