Bezirkshauptmannschaften: Viel geforderte Krisenmanager in der Pandemie

Wir haben die Bezirkshauptleute von Lienz, Kitzbühel, Zell am See und Spittal befragt, wie sie die Pandemie bisher erlebt haben und mit welchen Herausforderungen sie 2021 rechnen.

 

In den Bezirkshauptmannschaften Österreichs ist seit Beginn der Pandemie jeden Tag ein riesiger Apparat in Bewegung, um die Corona-Problematik bewältigen zu können. Wie sehr die Gesundheitskrise ihre Behörden fordert, betonen auch Dr. Olga Reisner, Bezirkshauptfrau in Lienz, Mag. Carmen Oberlerchner, die BH-Stellvertreterin des Bezirkes Spittal a.d.D. (in Vertretung des erkrankten Bezirkshauptmannes Mag. Dr. Klaus Brandner), Mag. Dr. Bernhard Gratz, Bezirkshauptmann von Zell am See, und Dr. Michael Berger, Bezirkshauptmann des Bezirkes Kitzbühel.

 

Dr. Michael Berger, Bezirkshauptmann von Kitzbühel. Foto: Land Tirol/Forcher

 

„2020 war ein Jahr mit großen Herausforderungen, aber auch spannend und lehrreich“, meint Dr. Berger auf die Frage, welches Resümee er für dieses Jahr zieht. Seit 2010 im Amt, leitet der gebürtige Zillertaler und studierte Jurist die BH Kitzbühel, in der aktuell 121 MitarbeiterInnen in neun Referaten mit weiteren neun Subreferaten tätig sind. „Corona war und ist ein völlig neues Aufgabenfeld, auf dem wir uns ohne jegliche Erfahrungswerte bewegen mussten. Insbesondere der Start in einer unüberschaubaren und anfangs chaotischen Situation Anfang März 2020 war ein sehr schwieriger. Inzwischen konnten wir aber viel dazulernen“, erklärt er.

Je nach Fallzahlen waren und sind bis zu 90 MitarbeiterInnen des Stammpersonals der BH Kitzbühel mit der Bewältigung der mit der Pandemie zusammenhängenden Aufgaben – vom Contact Tracing bis hin zu Absonderungsbescheiden, von Massentests bis hin zur Vorbereitung der Massenimpfungen – beschäftigt. „Mittlerweile werden wir von fünf neuen MitarbeiterInnen unterstützt“, so Berger, der jedoch betont, dass der enorm angewachsene Arbeitsaufwand bei einem längeren Andauern der Pandemie personell in dieser Besetzung auf Dauer nicht durchzuhalten sein werde.

 

Mag. Dr. Bernhard Gratz, Bezirkshauptmann von Zell am See. Foto: BH Zell am See

 

Dass die Tätigkeitsfelder, denen sich seine Behörde im Spannungsfeld zwischen Bund, Land und den Gemeinden stellen muss, schon in „normalen“ Zeiten sehr groß sind, streicht auch Mag. Dr. Bernhard Gratz, der Bezirkshauptmann von Zell am See, heraus: „Wir sind in manchen Bereichen in der Landesvollziehung, und in manchen in der mittelbaren und/oder unmittelbaren Bundesvollziehung tätig und darüber hinaus auch als delegierte Baubehörde für die Gemeinden. Infolge der geologischen Gegebenheiten im Pinzgau verzeichnen wir zudem jedes Jahr eine Vielzahl an Naturereignissen, die wir als Katastrophenschutzbehörde abzuarbeiten haben. Durch die Corona-Krise wurde dies insofern verschärft, als wir die `Linienarbeit` teilweise hintanstellen und in erster Linie gesundheitsbehördliche Maßnahmen setzen mussten.“

Aus allen Gruppen der BH Zell am See, in der aktuell insgesamt 132 MitarbeiterInnen in acht Gruppen, aufgeteilt auf vier Standorte, arbeiten, wurden MitarbeiterInnen für die neuen Aufgaben aus der Linienarbeit abgezogen. „Um die Erfassung der positiven Fälle, das Contact Tracing inklusive Absonderungsbescheiden und Gesundmeldungen sowie eine Fülle von Anfragen und Telefonaten abarbeiten zu können, haben wir eine Aufbauorganisation (BAO) mit insgesamt 59 Personen, aufgeteilt in drei Gruppen, installiert, ähnlich jener im Katastrophenfall. In dieser BAO unterstützten uns sieben Soldaten des Bundesheeres und sieben MitarbeiterInnen, die für die Covid-Krise befristet auf neun Monate aufgenommen wurden.“

Insbesondere das Contact Tracing sei zeitweise nur mit enormem Einsatz abzuwickeln gewesen, informiert der 2016 ins Amt bestellte, gebürtige Mittersiller und, wie seine AmtskollegInnen, studierte Jurist. „Letztendlich sind wir als Behörde darauf angewiesen, dass uns die positiv getesteten Personen ihre Kontakte der letzten 48 Stunden bekannt geben. Leider wurden uns jedoch gerade diese Informationen immer mehr und mehr vorenthalten.“ Als für ihn persönlich schwierigste Situation bezeichnet Mag. Dr. Gratz jene, als MitarbeiterInnen von der Virus-Infektion betroffen waren. „Inzwischen nehmen die Fallzahlen in unserem Bezirk wieder ab, weshalb wir die drei Teams in Bereitschaft und wieder in die Linienarbeit zurückgestellt haben. Sollte die Infektionsrate wieder steil ansteigen, können wir die BAO jederzeit sofort wieder aktivieren. Die derzeitigen Fälle bewältigen vier SachbearbeiterInnen.“

 

Mag. Carmen Oberlerchner, Bezirkshauptmann-Stv. von Spittal an der Drau. Foto: BH Spittal a.D.

 

Seit 2015 als Bezirkshauptmann-Stellvertreterin im Amt ist Mag. Carmen Oberlerchner. Die Juristin, geboren in Lienz und aufgewachsen in Oberdrauburg, berichtet, dass an der Bezirkshauptmannschaft in Spittal an der Drau in drei Amtsgebäuden mit 10 Abteilungen insgesamt 125 MitarbeiterInnen arbeiten. „Der Bezirk Spittal an der Drau ist der zweitgrößte Österreichs, größer als das Bundesland Vorarlberg und schließt 33 Gemeinden ein. Dementsprechend umfangreich ist auch das Aufgabenspektrum unserer Behörde. Es reicht von der Ausstellung von Reisepässen und Führerscheinen, über die Abwicklung von Genehmigungsverfahren aus den Bereichen Naturschutz, Forst-, Wasser- und Gewerberecht, Jagd, Fischerei, Grundverkehr und Verkehrsrecht bis hin zu Angelegenheiten der Jugendwohlfahrt und des Sozialwesens. Darüber hinaus gibt es das Gesundheitsamt, die Bezirksforstinspektion und natürlich das Strafreferat“, kommuniziert sie das Tätigkeitsfeld in Normalzeiten.

Zu Beginn der Pandemie waren, so Oberlerchner, insbesondere das Gesundheitsamt und der Corona-Krisenstab, besetzt mit Fachkräften aus allen Abteilungen, extrem gefordert. „Im Laufe der Monate haben wir dann Unterstützung durch eigens durch das Land angestellte Epidemieärzte, durch zusätzliche Personen (Verein „Gesundheitsland Kärnten“ in Kooperation mit dem AMS) im Bereich Contact Tracing sowie durch 13 Soldaten der Kompanie Mistelbach erhalten. Um für sie Raum zu schaffen und um die Corona-Sicherheitsbestimmungen einhalten zu können, mussten zusätzlich sechs Bürocontainer aufgestellt werden.“ Kärntenweit ist, wie die BH-Stellvertreterin weiter ausführt, aktuell die 7 Tages-Inzidenz im Bezirk Spittal a.D. am niedrigsten, wenngleich im Spätherbst die Zahl der täglichen Neuinfizierten rasant angestiegen sei. „Unser Bezirk ist lange Zeit sehr gut dagestanden. Ab November hat sich dies dann jedoch, abhängig vom Infektionsgeschehen österreichweit, geändert“, so Mag. Oberlerchner.

 

Dr. Olga Reisner, Bezirkshauptfrau von Lienz. Foto: BH Lienz

 

Mit einer ähnlichen Situation – mit über lange Wochen hinweg nur sehr geringen Fallzahlen und dann innerhalb kürzester Zeit mit stark ansteigenden, bestätigten Infektionen in ihrem Bezirk – sah sich auch Dr. Olga Reisner, Osttirols Bezirkshauptfrau, konfrontiert. Die gebürtige Steirerin hat das Studium der Rechtswissenschaften in Innsbruck absolviert, war anschließend im Landesdienst tätig und wurde 2010 zur Leiterin der Bezirkshauptmannschaft Lienz bestellt. Hier arbeiten derzeit 119 MitarbeiterInnen, aufgeteilt auf 10 Referate mit fünf Fachbereichen. Die aktuelle Corona-Lage fasst Dr. Reisner mit „stabil auf hohem Niveau“ zusammen. Gleich zu Beginn der Pandemie in Österreich wurde an der BH Lienz der persönliche Parteienverkehr ausgesetzt und eine 24-Stunden-Bezirkshotline eingerichtet.

„Für mich, den Einsatzstab und alle MitarbeiterInnen standen ab diesem Zeitpunkt die Gesundheit und die Sicherheit der Bevölkerung an oberster Stelle, wenngleich wir uns bemüht haben, auch die laufenden Arbeiten bestmöglich zu bewältigen. Die Fülle der Fragen und Aufgaben in Zusammenhang mit der Corona-Krise war riesig und hat uns technisch, personell und menschlich sehr gefordert.“ Nach Beruhigung der Lage ab Mai/Juni galt Osttirol lange Zeit als Vorzeigebezirk Österreichs. „Leider kennt das Virus aber keine Grenzen – auch keine Bezirksgrenzen – und so wurden im Spätherbst zunehmend mehr Infektionen in Osttirol verzeichnet. Je höher die Fallzahlen ausfielen, desto zeitintensiver wurde auch das Contact Tracing inklusive aller damit zusammenhängenden Aufgaben“, informiert die Bezirkshauptfrau und verweist darauf, dass „derzeit rund 90 Prozent aller BH-MitarbeiterInnen, unterstützt durch fünf neue Angestellte, an diesem Thema arbeiten.“ Im Rückblick auf die Monate seit März 2020 spricht sie von einem schwierigen Jahr. „Vieles ist uns gelungen, vieles hat uns gefordert!“

 

Foto: AdobeStock/Looker Studio

 

Einig sind sich alle Bezirkshauptleute, ob nun in Kitzbühel, in Zell am See, in Osttirol oder in Oberkärnten, darin, dass sie, trotz aller Schwierigkeiten, dem Jahr 2020 auch Gutes abgewinnen können. „Für mich persönlich war es eine schöne Erfahrung, den Zusammenhalt und den Teamgeist unter unseren MitarbeiterInnen zu erleben und zu entdecken, wie zahlreich und vielfältig die Begabungen sind und wie hoch die Leistungsbereitschaft jedes Einzelnen war und ist“, hält Bezirkshauptmann Dr. Michael Berger diesbezüglich fest. Er erinnert auch daran, dass vielen Teilen der Bevölkerung vor Corona gar nicht bewusst war, dass die Bezirkshauptmannschaft die eigentliche „Gesundheitsbehörde“ ist. „Wir haben im Normalbetrieb viel Kontakt mit den Menschen. Im Zuge der Pandemie hat sich dieser vervielfältigt. Besonders hat es uns während der schwierigsten Monate gefreut, wenn wir für unsere Arbeit nicht Kritik, sondern Lob erhalten haben.“

Die Dankbarkeit für das, was im Team mit den BH-MitarbeiterInnen gelungen ist, stellt Dr. Olga Reisner ihren Ausführungen voran. Auch sie betont, dass die Freude dann groß war, wenn die anstehenden Aufgaben gemeinschaftlich gemeistert und von der Bevölkerung auch anerkannt wurden. Dies habe, so Osttirols Bezirkshauptfrau, zusätzlich an Bedeutung gewonnen, als sie, ihr Team, alle Blaulichtorganisationen und unzählige Freiwillige im Bezirk Lienz sich infolge der Starkniederschläge Anfang Dezember 2020 weiteren Herausforderungen stellen mussten. „Der Zusammenhalt war einzigartig und beispielhaft. Das gibt auch Hoffnung für die Zukunft!“, so Olga Reisner.

Ähnlich äußert sich auch Mag. Carmen Oberlerchner. Die Bezirkshauptmann-Stellvertreterin von Spittal an der Drau – Teile des Bezirkes Spittal a.d.D. vermeldeten im Dezember ebenfalls Rekordschneemengen – erzählt von der großen Bereitschaft aller BH-MitarbeiterInnen, an der Bewältigung der Gesundheits- und Naturkatastrophen mitzuarbeiten. „Unser Team stand und steht seit März 2020 von Montag bis Sonntag im Corona-Einsatz. Das Gesundheitsamt mit dem Corona-Krisenstab war und ist durchgehend besetzt. Es war für mich persönlich etwas ganz Besonderes, den Zusammenhalt aller nicht nur in der Corona-Zeit, sondern zuletzt auch während des außergewöhnlichen Witterungsereignisses zu sehen. Das wird unsere Gemeinschaft nachhaltig stärken!“

Von „Zusammenhalt und enormem Engagement“ spricht auch Bezirkshauptmann Mag. Dr. Bernhard Gratz. Er vertritt die Ansicht, dass sich der intensive Kontakt seiner Behörde mit den Menschen auf das Image der Bezirkshauptmannschaften vorteilhaft auswirken werden könne. „Wir sind mit den unterschiedlichsten Aufgaben befasst, die mit Hilfestellungen für die Menschen, aber auch mit Eingriffen in deren Lebensverhältnisse zu tun haben. In diesem Spannungsfeld wurden und werden natürlich auch Fehler gemacht. Aber niemand und nichts ist perfekt. Ich stelle fest, dass unser Bemühen und unsere Leistungen auch anerkannt werden.“

Die Frage nach den Aussichten auf bzw. nach ihren Erwartungen für das kommende Jahr beantworten Dr. Reisner, Mag. Oberlerchner, Dr. Berger und Mag. Dr. Gratz abwartend bis vorsichtig optimistisch, wenngleich für alle außer Frage steht, dass die Folgen der Pandemie auf Jahre hinweg immens sein werden. Bezirkshauptmann Michael Berger rechnet für 2021 mit einer dritten und wie er sagt, „hoffentlich letzten“ Welle. Er geht davon aus, dass die Pandemie 2021 medizinisch in den Griff zu bekommen sein wird. Seiner Hoffnung, dass der Höhepunkt der Pandemie „hinter uns liegt“, verleiht Bezirkshauptmann Bernhard Gratz Ausdruck. „Ich wünsche mir sehr, dass uns 2021 derart große Ereignisse erspart bleiben!“ Diesem Wunsch schließt sich auch Bezirkshauptfrau Olga Reisner an, die hofft, dass das Bündel aller Corona-Maßnahmen von Seiten der Länder und des Bundes, inklusive der Impfung, gut greifen wird.

Von der damit verbundenen Chance, 2021 zu einer, wenn auch neuen Normalität zurückkehren zu können, spricht abschließend auch BH-Stellvertreterin Carmen Oberlerchner: „Mit dem lückenlosen Befolgen der Corona-Regeln und letztendlich mit der Durchimpfung der Bevölkerung kann uns allen dies gemeinsam gelingen!“

 

Die Bezirkshauptmannschaften

Die Geschichte der Institution „Bezirkshauptmannschaft“ reicht in Österreich bis in die Zeit der Monarchie zurück. Nach der Aufhebung des Feudalstaates wurden 1849/1850 in allen Kronländern des Habsburgerreiches Bezirkshauptmannschaften als Verwaltungsorgane installiert, um die autonom eingerichteten Ortsgemeinden eines Gebietes in einer nächstgrößeren Verwaltungseinheit zusammenzufassen.

1854 sprach man von „gemischten Bezirksämtern“ in Größe der Gerichtsbezirke. Die Trennung der Bereiche Verwaltung und Justiz, die bis dahin in diesen Institutionen zusammenliefen, erfolgte 14 Jahre später. 1868 wurden die „Bezirkshauptmannschaften“ als staatliche Behörden erster Instanz mit umfangreichen Aufgaben errichtet. Die jeweiligen Bezirkshauptmänner wurden zu dieser Zeit vom Innenminister ernannt.

Nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie 1918 blieben die Bezirkshauptmannschaften in der Republik Österreich erhalten. 1925 wurden sie verfassungsrechtlich als Landesbehörden definiert, die aber auch Aufgaben der mittelbaren Bundesverwaltung wahrzunehmen haben. Die Bestellung der(s) jeweiligen LeiterIn erfolgt heute durch die jeweilige Landesregierung.

 

Text: E. & J. Hilgartner

23. Dezember 2020 um