St. Jakob: Archäologische Zeitreise durch das Defereggental

Highlight des „Archäologischen Talschaftsmuseums” ist ein etwa tausend Jahre alter Einbaum, der im Obersee am Staller Sattel in ca. acht Metern Tiefe entdeckt wurde.

Im Untergeschoß des örtlichen Musikpavillons wurde im Jahre 2005 das Museum von St. Jakob eingerichtet. „Die Idee geht auf den Wiener Kinderarzt Dr. Walter Potacs zurück, der seit den 1960er-Jahren als Hobbyarchäologe im Defereggental nach Spuren der Vergangenheit forschte. Auch Prof. Dr. Harald Stadler von der Universität Innsbruck hat am Hirschbühel oberhalb von Mariahilf mit Studenten gegraben und war uns mit seiner wissenschaftlichen Expertise sehr behilflich“, erzählt Dietmar Hafele, zur Zeit der Museumsgründung als Vize-Bürgermeister von St. Jakob i.D. aktiv. Gemeinsam mit Bürgermeister Hubert Jesacher und weiteren engagierten St. Jakobern trieb er die Einrichtung des Museums voran.

 

Bgm. Ingo Hafele und sein Vater Dietmar führten uns durch das Museum. Foto: Osttirol Journal

 

„Mit der Entdeckung einer steinzeitlichen Jägerstation auf dem Hirschbühel gelang Potacs gleichsam der Durchbruch. Man fand dort die bislang ältesten menschlichen Spuren Osttirols, die aus der Mittleren Steinzeit (ca. 8.000 bis 5.000 v.Chr.) stammen dürften. Die kleinen Stücke wurden in Holz, Knochen und Geweihstücken mit Birkenteer eingeklebt und stellten so handhabbare Schneid-, Schab- und Jagdgeräte dar“, weiß Hafele zu berichten. Auch auf dem Erlasboden, dem Staller Sattel und auf dem Weg zum Gsieser Törl wurden Spuren der Vergangenheit, wie z.B. Schneidklingen, Spitzen und Stichel, Abschläge oder Mutterknollen aus Feuerstein und Bergkristall, gefunden.

 

 

Foto: Martin Lugger

 

Viele Fundstücke deuten auf den Bergbau früherer Zeiten hin. Nach derzeitigem Wissensstand begann dieser südlich von Virgen, im so genannten „Glaurit“. Über den Gebirgskamm wurde später das ertragreiche Gebiet von „Blindlis“, das bereits zu St. Jakob gehört, erschlossen. Im Talschaftsmuseum sind viele Exponate, die von den Knappen und ihrer harten Arbeit erzählen – wie Meißeln, Eisenfragmente von Kisten und Hunten (Transportwägelchen), Knappenschuhe, Essgeräte, Messer und Gabeln sowie Filz, Gewebereste und handgearbeitete Stücke aus der Kleidung der Bergleute – zu sehen.

 

Foto: Martin Lugger

 

Unbestrittenes Highlight des Museums ist der etwa tausend Jahre alte Einbaum, der im Obersee gefunden wurde, und dessen aufwändige Bergung und Restaurierung den letzten Anstoß zur Errichtung des Museums gab. „Eigentümer des Sees war früher der Fürstbischof von Brixen, das Boot dürfte seinem Fischer gehört haben. Taucher aus Südtirol haben den Einbaum bei einer Übung entdeckt“, so Hafele über den Zufallsfund. Bemerkenswert an diesem Einbaum ist, dass sein Fundort auf 2.000 Metern Seehöhe liegt und er der bisher einzige bekannte Einbaum ist, der aus Zirbenholz gefertigt wurde. „Mit dem Boot wurde für das Hochstift Brixen gefischt. Ursprünglich bestand der Einbaum aus drei Kammern, eine ging verloren. Die Fische wurden in die mittlere, mit Wasser gefüllte Kammer geworfen“, so der pensionierte Lehrer.

 

Foto: Martin Lugger

 

Im Museum ausgestellt sind auch Münzen, die bei Grabungen in der Kirche von St. Veit im Jahr 2000 gefunden wurden. Eine Keramikscheibe stammt aus der Römerzeit und belegt, ebenso wie eine Knochennadel, die in einer Felsspalte unter dem Kirchenboden entdeckt wurde, die Präsenz der Römer im Tal. Weitere Exponate, die auf die Geschichte der Region im Wandel der Zeiten hinweisen, sind z.B. ein Maschinengewehr eines amerikanischen Bombers, das in einer Notsituation abgeworfen wurde, oder die Reste einer amerikanischen Fliegerbombe. Diese Relikte aus dem II. Weltkrieg wurden auf dem Erlsbacher Alpl gefunden. Neben diesen Fundstücken sind auch historische Dokumente ausgestellt, darunter ein Brief aus dem Jahr 1732, der die Deferegger Protestantenausweisung behandelt.

 

Foto: Martin Lugger

 

„Das Defereggental wurde in seiner Abgeschiedenheit vom großen Weltgeschehen nur gestreift. Trotzdem hat unser Museum viel Bemerkenswertes aufzuweisen, und die Zeitspanne, die wir abdecken, ist außerordentlich lang. Sie beginnt vor 8.000 bis 10.000 Jahren und endet mit dem Zweiten Weltkrieg. Der Schwerpunkt liegt aber eindeutig auf den archäologischen Funden“, betont St. Jakobs Bürgermeister Ingo Hafele. Er streicht auch die Bedeutung der musealen Einrichtung als regionales
Ausflugsziel sowie als beliebte Infrastruktur für die Gäste hervor: „Unser Talschaftsmuseum ist au  unserem touristischen Angebot nicht mehr wegzudenken.“

 

Foto: Martin Lugger

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger, Osttirol Journal

16. Oktober 2019 um