Das Matreier Chronikteam und die ältesten Matrikenbücher Österreichs

Die Pfarre Matrei beherbergt einen ganz besonderen Schatz. Neben vielen Schriften aus vergangenen Zeiten lagern im Pfarrarchiv die ältesten Matrikenbücher Österreichs.

Kirchenbücher – auch Matriken genannt – gelten als wichtigste Quelle in Sachen Familienforschung. Über Jahrhunderte hinweg wurden hier Geburten, Taufen, Eheschließungen, Sterbefälle und sonstige wichtige Ereignisse festgehalten. Vorschriften für derartige kirchliche Verzeichnisse lassen sich bis in frühchristliche Zeiten zurückverfolgen, Kirchenbücher selbst sind jedoch erst seit dem späten Mittelalter erhalten. Den entscheidenden Anstoß dafür, dass sich diese „einbürgerten“, gab das Konzil von Trient (1545-1563). Damals wurden die Seelsorger angewiesen, Tauf-, Trauungs- und Sterbebücher zu führen. In der heutigen Marktgemeinde Matrei legte der damalige Pfarrer Johann Fercher bereits am 4. Juli 1558, also noch während das Konzil tagte, ein Matrikenbuch an.

 

 

„Es war dies das erste Kirchenbuch Österreichs. Die Aufzeichnungen wurden seitdem ohne Unterbrechung bis heute fortgeführt“, teilt Chronikteam-Mitglied Bernhard Oberschneider mit. „Pfarrer Fercher setzte nicht nur den Grundstein für Österreichs älteste Matriken, sondern auch für die Archiv-Bücherei, die aus rund 4.000 Büchern – durchwegs religiösen Inhalts – besteht. Unser Archiv birgt darüber hinaus viel Interessantes aus der Vergangenheit der Marktgemeinde und des hinteren Iseltales in sich.“ Die Matreier Geburten-, Trau- und Sterbebücher stellen also ohne Übertreibung eine besondere Rarität dar. Das Pfarrarchiv verfügt zudem über eine Vielzahl an Urkunden. „Die älteste stammt aus dem Jahre 1267. Es handelt sich dabei um einen Ablassbrief des Salzburger Erzbischofes Wladislaus. Etwas jünger ist die Weiheurkunde der zweiten gotischen Kirche aus dem Jahr 1335“, weiß Gertraud Brugger zu berichten und erzählt davon, dass man im Pfarrarchiv immer wieder Neues entdecken könne. Die Matreierin koordiniert alle Arbeiten rund um das örtliche Pfarrarchiv und gilt als eine besondere Kennerin der Materie. Das Stöbern in alten Schriften ist, wie sie erklärt, jedoch nur eine der Aufgaben des Chronikteams.

 

Die erste Aufzeichnung im ältesten Taufbuch Österreichs hat Pfarrer Johann Fercher am 4. Juli 1558 vorgenommen.

 

„Wir zeichnen natürlich Geburten, Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle in unserer Pfarre weiter in den Matriken auf. Parallel dazu werden diese Daten inzwischen auch digital gespeichert.“ Pfarrsekretärin Silvia Trost trägt die aktuellen, unter Datenschutz fallenden Informationen in die entsprechenden Bücher ein. Diese stehen im Pfarrbüro unter Verschluss. Nach dem plötzlichen Tod von Siegmund Kurzthaler, der das Archiv jahrzehntelang verdienstvoll führte, gründete Gertraud Brugger gemeinsam mit Bernhard Oberschneider das Chronikteam. Seit 2009 gehört diesem auch Wolfgang Zeiler an. Einmal monatlich treffen sich die drei ehrenamtlich tätigen Pfarrchronisten, um Erfahrungen auszutauschen und anstehende Arbeiten zu besprechen. Auch die Inventarisierung der Pfarrkirche St. Alban sowie der vielen Kapellen der Pfarre haben sich die drei Matreier zur Aufgabe gemacht.

 

 

„Die Arbeit im Team ermöglicht die Aufteilung der anfallenden Arbeiten“, betont Bernhard Oberschneider. Schon als Schüler hat er Sterbebilder gesammelt und sich für die Geschichte seiner Heimatgemeinde interessiert. „Wenn ich einmal damit begonnen habe, in alten Matriken und Schriften zu recherchieren, dann fällt es mir immer schwer, mich davon loszureißen.“ Der Matreier Gemeindechronist ist, ebenso wie Gertraud Brugger, im heimatkundlichen Verein „Medaria“ engagiert. „Vor Kurzem galt es, eine Anfrage aus dem Zillertal zu bearbeiten. Es ging um einen Matreier, der einst zum Protestantismus konvertierte. Wir haben recherchiert und sind u.a. auch zu jenem Bergbauernhof gefahren, auf dem der Gesuchte aufwuchs. Auch die heutigen Besitzer des bäuerlichen Anwesens zeigten sich sehr interessiert“, schildert Gertraud Brugger einen aktuellen Fall der Familienforschung. „Wir helfen nach Möglichkeit immer gerne weiter.“

 

Gertraud Brugger hat das Matreier Chronikteam gegründet.

 

Die historisch wertvollen Schätze des Pfarrarchives benötigen, wie sie und ihre Kollegen informieren, natürlich auch einer besonderen Aufbewahrung. „Eine feuersichere und trockene Lagerung ist wichtig. Große Temperaturschwankungen sind zu vermeiden. Deshalb haben wir für die ältesten und wertvollsten Schriften auch neue Stahlkästen angeschafft“, sagt Wolfgang Zeiler dazu.  „Computer erleichtern zwar vieles. Trotzdem stehen wir immer wieder vor Herausforderungen, wie z.B. der exakten Speicherung aller Daten.“ Mit anderen Pfarr- und Gemeindearchiven sowie mit „Chronik Osttirol“ ist das Matreier Chronikteam stark vernetzt. Die drei Matreier besuchen auch regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen, um sich weiterzubilden. Über den heimatkundlichen Verein „Medaria“ wurde 2017 z.B. ein Kurs des Tiroler Bildungsforums mit dem Titel „Lesen alter Schriften“ angeboten. Firmgruppen und Schulklassen bietet das Chronikteam Führungen an. „Es ist für uns sehr motivierend, wenn es gelingt, das Interesse der jungen Leute für ihre eigene Familiengeschichte, für alte Fotos und Aufzeichnungen sowie für die Historie Matreis zu wecken“, so Gertraud, Bernhard und Wolfgang abschließend.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

18. Juli 2018 um