LH Günther Platter: „Mein Arbeitsplatz ist das ganze Land Tirol“

Im Osttirol heute-Interview verweist Tirols oberster Politiker darauf, dass ihm die Stärkung der Bezirke bzw. dezentralen Strukturen im gesamten Bundesland ein großes Anliegen ist.

Am 5. und 6. September 2018 tagte die Tiroler Landesregierung im Rahmen ihrer Herbstklausur in Osttirol. Nach der Eröffnung des Campus Technik Lienz zog sich die Politspitze zu Beratungen ins Defereggental zurück. Wir wollten von Landeshauptmann Günther Platter wissen, welche tirol- und osttirolrelevanten Beschlüsse gefasst wurden und welche Herausforderungen, aber auch Zukunftschancen er für den Bezirk Lienz sieht.

Herr Landeshauptmann, Sie waren vor Kurzem mit der Tiroler Landesregierung auf Klausur in Osttirol. Wie wichtig ist es Ihnen, die Bezirke in die Arbeit der Landesregierung mit einzubeziehen?

Ich sage immer: Mein Arbeitsplatz ist das ganze Land, mein Schreibtisch steht in Lienz wie auch in Innsbruck. Natürlich ist die Stärkung der dezentralen Strukturen in Tirol ein großes Anliegen. Die Tiroler Bezirke mit ihren Bezirkshauptmannschaften sind für die ganzheitliche Arbeit im Land unerlässlich, die Zukunft in der Verwaltung liegt in der Nähe zu den Bürgerinnen und Bürgern. Eine wesentliche Rolle bei der Einbindung der Bezirke in unsere Arbeit spielen auch die Abgeordneten des Tiroler Landtages. Sie sind es, die Tag für Tag draußen bei den Menschen sind und ein sehr gutes Sensorium dafür haben, bei welchen Themen der Schuh drückt. Das erleichtert es wiederum uns als Regierung, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

Gab es ein besonders wichtiges, tirolweit relevantes Thema bei der Klausur?

Bei den Regierungsklausuren legen wir die wesentlichen Themenschwerpunkte fest, auf die wir uns im darauffolgenden Halbjahr konzentrieren wollen. Bei der Klausur in Osttirol, übrigens die erste seit den Landtagswahlen im Februar, beschäftigte uns vor allem das Thema Wohnen. Leistbares Wohnen ist ein Grundbedürfnis und damit eine zentrale Zukunftsfrage des Landes. Das Wohnen in Tirol leistbar zu machen und jene zu unterstützen, die sich eben dieses kaum oder nicht mehr leisten können, ist das Ziel.

Wie wollen Sie dies konkret erreichen? 

Fakt ist, dass in Tirol nur ein begrenzter Raum für Siedlungstätigkeiten nutzbar ist. Gleichzeitig wird Tirol als Wohn- und Lebensraum immer attraktiver – was ich grundsätzlich schätze. Trotzdem ist es so, dass wir dem Preistrend nach oben einen Riegel vorschieben müssen. In Tirol haben wir bereits das Projekt „5-Euro-Wohnen“ erfolgreich initiiert, damit auch Menschen mit sehr geringem Einkommen leistbar wohnen können. Zudem bedeutet auch gefördertes Wohnen leistbares Wohnen. Diesen Weg wollen wir weiterhin verfolgen.

Wie passt das neue Mietunterstützungsmodell in dieses Bild?

Im Rahmen der Herbstklausur haben wir uns auf ein neues Mietunterstützungsmodell geeinigt, dessen Kriterien sozial noch treffsicherer ausgestaltet sind. Künftig werden die Kosten für die Mietzins- und Annuitätenbeihilfe im Verhältnis 80:20 zwischen Land und Gemeinden aufgeteilt – vorher waren dies 70:30. Das bedeutet einen Mehraufwand für das Land Tirol in Höhe von 7,2 Millionen Euro im Jahr. Die Anwartschaftszeit beträgt künftig in allen Tiroler Gemeinden zwei Jahre. Die Beihilfe war bei ihrer Einführung als Unterstützung für einkommensschwächere Familien gedacht. Es ist mir wichtig, dass das auch so bleibt.

Sie haben auch Veränderungen in Sachen „Freizeitwohnsitzabgabe“ angekündigt?

Voraussetzung für eine neue Freizeitwohnsitzabgabe ist die Ausarbeitung rechtlich umsetzbarer Modelle – und genau damit wurden LH-Stv. Josef Geisler und Landesrat Johannes Tratter beauftragt. Was ich aber jetzt schon sagen kann, ist, dass wir uns als Tiroler Landesregierung zu einer zukünftig schärferen Vorgangsweise bekennen.

Die Gemeinden wurden in den letzten Jahren von Land und Bund zunehmend mit Aufgaben ohne entsprechende Gegenfinanzierung eingedeckt. Vor allem viele kleine Landgemeinden stöhnen unter der Last. Wie sehen Sie diese Problematik?

Ohne Frage sind struktur- und finanzschwache Gemeinde heute finanziell mehr denn je gefordert. Ich war selbst Gemeindereferent und Bürgermeister – ich weiß, wie wichtig die finanziellen Mittel sind, um die Aufgaben und Leistungen in der Gemeinde erfüllen zu können und wie schwierig es sein kann, diese entsprechend aufzutreiben. Daher ist es mir umso wichtiger, dass wir die Gemeinden unterstützen. Das Land Tirol tut dies einerseits durch die Anpassung zur Vergabe von Mitteln aus dem Gemeindeausgleichsfonds sowie durch die Förderung der gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit. Daran werden wir auch in dieser Regierungsperiode festhalten. Wie der Beschluss in Sachen Mietunterstützungsmodell zeigt, sind wir bestrebt, die Gemeinden dort zu entlasten, wo es möglich ist.

Können Sie weitere Ansatzpunkte nennen?

Ich sehe vor allem in den gemeindeübergreifenden Kooperationen ein großes Potenzial. Ob Kinderbetreuungs-Bereich, Infrastrukturvorhaben oder gesellschaftliche Projekte: Es hat sich gezeigt, dass gemeinsam vieles erreicht werden kann. Daher möchte ich auch, dass regionale Partnerschaften zwischen Gemeinden und Planungsverbänden beispielsweise bei Förderungen besondere Berücksichtigung finden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Gemeindekooperationspreis hervorheben. Diesen haben wir ins Leben gerufen, um gemeindeübergreifende Vorzeigeprojekte vor den Vorhang zu holen.

 

In Osttirols größter und wichtigster Gesundheitseinrichtung, dem BKH Lienz, stehen Investitionen im Volumen von 24 Millionen Euro an.

 

Wie man im Rahmen der Herbstklausur hören konnte, hat die Landesregierung speziell mit Osttirol noch einiges vor. Wie sieht das angekündigte „Osttirol-Paket“ aus?

Mit dem bei der Regierungsklausur beschlossenen Paket soll der gesamte Bezirk als Lebens- und Wirtschaftsstandort gestärkt werden. Wir fördern den Tourismus, indem wir nachrangige Darlehen zur Verfügung stellen, um Investitionen in die Tourismuswirtschaft zu unterstützen. Auch eine Bedarfs- und Machbarkeitsstudie für einen Lehrgang „Tourismuswirtschaft“ im Bezirk Lienz wird in Auftrag gegeben. Für den Kulturbereich sind 1,75 Millionen Euro vorgesehen, ein Digitalisierungsprojekt wurde initiiert, und das Bezirkskrankenhaus Lienz soll mit einer Investitionssumme von 24 Millionen Euro adaptiert werden. Ein großer Schwerpunkt liegt im Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes in Osttirol: Dieses soll umfassend attraktiviert werden. Ich möchte hier auf das neue Mobilitätszentrum in Lienz verweisen ebenso wie auf neue Haltestellen im gesamten Bezirk. Die Erneuerungskonzepte sehen des Weiteren die Umgestaltung bzw. Barrierefreiheit von Bahnhöfen sowie Park & Ride-, bzw. Bike & Ride-Anlagen vor.

Trotz der in vielen Bereichen positiven Entwicklung ist der Bezirk Lienz stark von der Problematik „Abwanderung“ betroffen. Die Bevölkerungszahl sinkt immer noch, insbesondere in den Tälern. Wo könnte man hier ansetzen?

Natürlich gibt es hier kein Allheil-Rezept. Es braucht Initiativen und Maßnahmen in verschiedenen Richtungen. Beispielsweise gibt es im Oberen Iseltal/Virgental von Seiten der Gemeinden Prägraten a.Gr. und Virgen sowie im Rahmen des Planungsverbandes Überlegungen, wie man den für das Tal so wichtigen Sommertourismus stärken könnte. Konkret kann hier das Projekt „Natur:Aktiv:Akademie Osttirol“ genannt werden. Derzeit läuft die Suche nach potenziellen Investoren. Sobald uns ein Finanzierungsplan der Verantwortlichen vorliegt, werden wir als Land gerne die Möglichkeiten prüfen, das Virgental zu unterstützen. Ein anderer, sehr wichtiger Bereich ist das Thema „Bildung“. Hier möchte ich den „Schulcluster Defereggen“ erwähnen, dessen Einrichtung wir beschlossen haben, um damit der bereits in anderen Belangen bestehenden Kooperation zwischen den Gemeinden im Defereggental auch im Bildungssektor Rechnung zu tragen. Es soll damit ein gemeinsamer pädagogischer Rahmen geschaffen werden, der Schwerpunktsetzungen, gemeinsame Projekte, einen stärkenorientierten Lehrereinsatz und ein verbessertes Übergangsmanagement an den Nahtstellen der involvierten Schulen St. Jakob, St. Veit und Hopfgarten ermöglicht.

Stichwort Bildung: Bei der Eröffnung des Campus Technik Lienz haben Sie betont, dass Ihnen die Dezentralisierung der universitären Ausbildung  in Tirol ein persönliches Anliegen ist.

Ja, dem ist so und ich freue mich sehr, dass diese kontinuierlich voranschreitet. Es ist mir wichtig, Bildungsangebote vermehrt in den Regionen anzusiedeln. Ich sehe darin einen Weg, den Abwanderungstendenzen entgegenzuwirken. Es geht darum, die künftigen Fachkräfte an jenem Ort bestmöglich auszubilden, an dem sie später auch in das Erwerbsleben einsteigen. Optimale Ausbildungsmöglichkeiten schaffen für eine gesamte Region ein hohes Maß an Attraktivität. Diesbezüglich ist neben dem Campus Technik Lienz auch die Bachelor-Ausbildung im Bereich Pflege bis hin zum Doktorat hervorzuheben, die ab 2019 in Osttirol angeboten wird.

 

Im Rahmen der offiziellen Eröffnung des Campus Technik Lienz ließ sich Tirols Landeshauptmann die moderne Ausbildungsstätte zeigen.

 

Wie beurteilen Sie in Ihrer Funktion als Tourismusreferent des Landes Tirol die Entwicklung des Osttiroler Tourismus?

Der Bezirk Lienz verfügt über ein hohes touristisches Potenzial, das sicher noch mehr ausgeschöpft werden kann. Wir haben Osttirol bereits in der Vergangenheit bestmöglich unterstützt und werden dies auch weiterhin tun. Zuletzt lag der Fokus vor allem auf einer noch besseren Vermarktung des Standortes mit seinem Nationalpark. Eine Verschränkung der Marketingkräfte des Tourismusverbandes Osttirol, der Tirol Werbung, des Nationalparks und anderer starker Leistungsträger im Bezirk ist jedoch unabdingbar, um langfristig am internationalen Tourismusparkett bestehen zu können. In diesem Zusammenhang rate ich dazu, sich weniger mit sich selbst zu beschäftigen und den Blick mehr auf das große Ganze zu richten.

Dringend zu lösende Aufgaben sind z.B. die Bergbahnen-Frage in Lienz oder auch der Ausbau der Infrastruktur in Regionen wie dem Defereggen- und Virgental. Inwieweit ist das Land in Lösungsmöglichkeiten involviert?

Die Verantwortlichen vor Ort stehen in enger Abstimmung mit dem Land. Wir müssen uns nun jedes Projekt im Detail ansehen, und erst dann zeigt sich, wo das Land  Tirol unterstützend eingreifen kann.

Medial viel diskutiert wurden zuletzt Fördergelder, u.a. aus dem Topf der Osttirol Investment GmbH (OIG). Was können Sie uns dazu sagen?

Es hat sich gezeigt, dass es bei Tourismusbetrieben immer wieder zu Problemen mit Eigenkapital bei der Finanzierung kommt. Aus diesem Grund haben wir entschieden, dass die Osttiroler Investment GmbH (OIG) ein maßgeschneidertes Unterstützungspaket mit einem Finanzvolumen von drei Millionen Euro auflegt. Im Mittelpunkt stehen nachrangige Darlehen für die angesprochenen Tourismusbetriebe. Ihnen soll damit ein besserer Zugang zu Bankenfinanzierungen ermöglicht und damit eine Stärkung der Osttiroler Tourismuswirtschaft erzielt werden.

Gibt es eine realistische Chance, dass der Bezirk Lienz, der derzeit noch als nationales Sonderförderungsgebiet eingestuft ist, diesen Status auch in der nächsten Förderperiode behalten kann?

Selbstverständlich werden wir als Land alles unternehmen, damit Osttirol auch in Zukunft nationales Sonderförderungsgebiet bleibt. Ich werde dafür meine guten Kontakte zur Europäischen Kommission nützen, intervenieren und bin guter Hoffnung, dass uns das wieder für die nächste Förderperiode 2021-2027 gelingt. Garantien dafür kann ich allerdings natürlich keine abgeben, da die Entscheidung letztendlich nicht in meiner Hand liegt.

Danke für das Gespräch!

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Johann Groder/EXPA/picturedesk.com, Land Tirol/EXPA-Groder, Brunner Images

13. September 2018 um