Leben auf einem Bergbauernhof – zwischen Himmel und Erde

Gemeinsam mit ihrer Familie lebt Maria Radziwon auf einem Hof im Kärntner Mölltal. Uns hat sie von ihren Erfahrungen und von der Schönheit des Alltages auf 1.100 m Seehöhe erzählt.

Maria Radziwon kennen viele Menschen aus der Region von ihrer beruflichen Tätigkeit am BKH Lienz. Hier steht die gebürtige Innsbruckerin und heutige Wahl-Kärntnerin jeden Tag als Seelsorgerin all jenen zur Verfügung, die in schwierigen Lebenssituationen, bei Krankheit oder Tod, das Gespräch suchen. Privat ist die 40-Jährige in vielerlei Bereichen engagiert. Sie spielt die Kirchen-Orgel und schreibt Texte sowie Bücher. Im St. Benno-Verlag ist im Vorjahr ihre neueste Publikation erschienen, die den Titel „Unser Leben auf dem Bergbauernhof. Zwischen Himmel und Erde“ trägt. Darin lässt sie alle Leserinnen und Leser an ihrem Leben auf dem Bergbauernhof ihrer Großeltern in Mörtschach teilhaben.

Schon die einleitenden Sätze des Buches deuten an, warum sich Maria selbst als „glücklichen Menschen“ bezeichnet. „Es gibt Tage, an denen ich einfach nur durch die Felder streife und ab und zu innehalte. Tage, an denen ich den Blick schweifen lasse und fast ein wenig ungläubig all das betrachte, was es hier zu sehen gibt. Nicht dass dies großartige oder herausragende Dinge wären – aber sie sind kostbar. Für mich. Für uns. Für unseren Hof“, schreibt sie und fasst damit zusammen, was sie für sich selbst als maßgeblich sieht, nämlich gemeinsam mit ihrer Familie inmitten der Natur leben und arbeiten zu können.

„Eigentlich bin ich ein typisches Stadtkind“, lacht sie und erzählt, dass sie in einem Hochhaus nahe des Innsbrucker Flughafens aufgewachsen ist. „Natur erlebte ich als Kind in der Stadt am ehesten noch beim Radfahren, umso mehr genoss ich meine Besuche bei Oma und Opa im Mölltal.“ Nach der Matura absolvierte Maria zunächst die Pädak und war als Grund- und Sonderschulpädagogin tätig. „Ich habe sehr gerne mit Kindern gearbeitet“, sagt sie. Irgendwann reifte in ihr der Wunsch, Theologie zu studieren – ein für sie nicht nur beruflich entscheidender Entschluss. Denn im Hörsaal der Theologischen Fakultät in Innsbruck lernte die junge Tirolerin ihren späteren Mann Dariusz, einen gebürtigen Polen, kennen.

Zunächst wohnte das Paar in einer Studentenwohnung im Großraum Innsbruck, bis die gemeinsame Fahrt mit Marias Mutter ins Kärntner Mölltal eine Wende in ihrem Lebens herbeiführen sollte. „Mama hatte den Hof ihrer Eltern geerbt und musste zur Klärung einiger Angelegenheiten nach Mörtschach. Mein Mann und ich begleiteten sie. Zu dieser Zeit stand das Bauernhaus schon lange leer bzw. war nur zeitweise vermietet. Als Dariusz das Anwesen erblickte, fragte er mich: Warum wohnen wir nicht hier?“, erinnert sie sich heute an diesen Moment, der sich in ihr Gedächtnis fest eingebrannt hat, zurück. „Eigentlich hat Dariusz damals nur das ausgesprochen, was in mir schon seit meiner Kindheit schlummerte – nämlich der Wunsch, hier meine Heimat zu finden.“

Bis der Umzug auf den „Schotthof“ im Mölltal gelang, dauerte es noch, aber irgendwann schlugen die Radziwons sprichwörtlich ihre Zelte auf dem Hof auf 1.100 Meter Seehöhe auf. „Wenn wir damals das gewusst hätten, was wir heute wissen, wären wir vielleicht vor der Aufgabe zurückgeschreckt. So aber nahmen wir mit viel Begeisterung und Elan unser neues Heim in Besitz.“ Das erste Jahr war, wie Maria heute im Rückblick sagt, wohl das schwierigste. „Wir waren es nicht gewohnt, Wind und Wetter so ausgesetzt zu sein und hatten keine Ahnung von Landwirtschaft. So konzentrierten wir uns zunächst hauptsächlich auf das alte Bauernhaus.“ Bald stellten die beiden fest, dass hier wohl in den 70er-Jahren das letzte Mal etwas Grundlegendes verändert worden war. Die Wände waren mit im Laufe der Zeit nach unten gerutschten Strohmatten verputzt, es gab kein Heizsystem, kein fließendes Warmwasser, schiefe Wände und so niedrige Raumhöhen, dass sich Dariusz mit seinen knapp zwei Metern Körpergröße immer wieder anstieß.

Ohne viel Erfahrung in baulichen Dingen, aber mit handwerklichem Geschick und der Bereitschaft, dazuzulernen, begannen die beiden Raum für Raum wieder instand zu setzen. Die Reihenfolge der Arbeiten wurde nach den dringendsten Bedürfnissen festgelegt, notwendige Hilfe kam von einem in Baufragen sehr kundigen Bauern aus der Gegend. Immer wieder gab es unerwartet auftretende Probleme und natürlich auch Momente, in denen die beiden nicht weiterwussten. „Man könnte es als eine Berg- und Talfahrt zwischen echter Verzweiflung und großer Freude bezeichnen“, meint Maria heute dazu.

 

Traditionen bewahren und Neues wagen – Familie Radziwon lebt dies vor. Auch darüber schreibt Maria in ihrem Buch „Unser Leben auf dem Bergbauernhof.“

 

Mit ihnen ins Haus zog auch ihre kleine Tochter ein. Später folgten drei weitere Kinder, die das Familienglück perfekt machten. Maria war inzwischen als Seelsorgerin am BKH Lienz tätig, eine für sie sehr erfüllende Aufgabe, wie sie betont. Dariusz erhielt eine Anstellung als Sanitäter beim Roten Kreuz Osttirol – und engagierte sich im Nebenerwerb als Landwirt. Denn nach der Sanierung des Hauses hatte sich die Familie an ihr nächstes Abenteuer gewagt und 2014 ihre bis dahin verpachteten Felder sowie das Stallgebäude selbst übernommen. „Und so waren wir fortan Bauern“, sagt Maria. Die ersten Jahre waren vor allem ein „Lernen aus Fehlern.“ Dariusz besuchte abends die LLA in Lienz, um sich weiteres Wissen anzueignen.

 

 

Auch in der Landwirtschaft beschritt Familie Radziwon ihren eigenen Weg – und erhielt, manchmal überraschend, tatkräftige Unterstützung von den Nachbarn. Maria erinnert sich an einen unglaublich heißen Sommertag. „Das Heu lag trocken und bereit zum Einheuen am Feld. Dariusz hatte Rettungsdienst und so war ich alleine mit den Kindern bei der Arbeit. Wir kamen nicht richtig weiter, als das Telefon läutete und mir Nachbarinnen ihre Hilfe anboten – ein unglaubliches schönes Erlebnis für mich und ein richtiges Wunder in den Augen unserer Kinder.“

 

 

Im Laufe der Jahre wuchs die Anzahl der auf dem Schotthof lebenden Tiere. Zu einer Katze gesellten sich ein Hund, Hühner und zeitweise auch Mangalitza-Schweine. Neben Ziegen entschieden sich Maria und Dariusz auch für Schafe. „Wir kauften einem Nachbarn einige Steinschafe ab, die seitdem unsere steten Begleiter sind.“ Heute zählt die Herde alleine vierzehn Muttertiere.

Mit der Zeit kam auch das Interesse an Bienen hinzu – und die Erkenntnis, wie wichtig diese für eine gute Ernte und die Artenvielfalt am Hof sind. „Schritt für Schritt näherten wir uns dem Ziel, uns zumindest zu einem großen Teil selbst versorgen zu können.“ Vor dem Haus legte Maria einen großen Gemüsegarten an, mit selbst gebauten Hochbeeten sowie Glashaus und auf einem Acker wurden und werden Kartoffel angebaut. Auch das Holz für die Heizung im Winter verarbeitet Familie Radziwon selbst. Ein Holzspalter, zunächst eine Leihgabe eines Nachbarn, erleichterte diese Arbeit enorm. „Das ist etwas, was uns immer wieder begleitet hat, allen Schwierigkeiten zum Trotz: Immer wieder gab es Menschen, die unverhofft geholfen und unterstützt haben“, fasst Maria ihre Dankbarkeit diesbezüglich zusammen.

 

 

Die Jahre am Schotthof vergingen, Familie Radziwon lebte und lebt mit den Jahreszeiten – und fand Zufriedenheit und Glück. Das jüngste Projekt, das man gemeinsam umsetzte, war ein neues Stallgebäude, das nahe des Haupthauses in monatelanger Bauzeit Gestalt und Form annahm. Heute bietet es notwendigen Raum für die Tiere und für vieles andere, beispielsweise das Angebot von „Schule am Bauernhof“, an dem Maria feilt.

„Wir haben unseren Herzensort gefunden“, hält sie fest, und verweist abschließend noch auf eine ganz besondere Familientradition. „Der Schotthof war immer schon ein kleiner Hof, der – und das ist für die vergangenen Jahrhunderte in einem alpinen Tal doch ziemlich erstaunlich – fast immer in Frauenhand war. Sehr oft ging der Hof an eine Tochter über und wurde von ihr sowie ihrer Familie bewirtschaftet. Auch bei meiner Großmutter war dies so und nun war bzw. bin ich an der Reihe. Ich bin schon neugierig, wie es die nächste Generation halten wird.“

 

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Martin Lugger, Elias Bachmann

14. März 2022 um