Walter Schneider: Für die Vielfalt und Buntheit des Lebens

Walter Schneider, den Direktor der VS Lavant, kennen viele Osttiroler. In welch unterschiedlichen Bereichen der Lienzer engagiert ist, wissen nur wenige. Ein Porträt eines Vielseitigen.

Seine ersten neun Lebensjahre verbrachte der heute 57-Jährige in Sillian. „Unsere Wohnung befand sich in der großen Kaserne, im gleichen Stockwerk wie das örtliche Lichtspieltheater. Das Kino war von Beginn an meine Welt. Schon als Kind übten der dunkle Raum, die große Leinwand, das Licht und die in den Filmen behandelten Themen – Leben und Sterben, Gut und Böse, Liebe und Konflikt, Natur und Landschaft, Abenteuer und Spannung – eine enorme Faszination auf mich aus.“ Später übersiedelte Familie Schneider nach Lienz, wo Walter gemeinsam mit seinen vier Schwestern in der Andreas Hofer-Straße aufwuchs. Im Elternhaus herrschte eine sehr kommunikative und fröhliche Atmosphäre. „Bei uns wurde viel gelacht, gesungen und getanzt. Unsere Türen waren immer offen für spontane Besuche“, erinnert er sich zurück. Die positive Lebenseinstellung seiner Eltern habe ihn sehr geprägt, meint er, und so ist auch sein philosophischer Blick auf das menschliche Dasein nicht verwunderlich. „Das Leben ist bunt, vielfältig und oft unlogisch schräg. Es ist zu kurz, um lang zu leben. So lasst uns gemeinsam feiern und lasst uns diese Buntheit und Vielfalt aufsaugen – mit Toleranz, aber auch mit Achtsamkeit.“

 

Walter in den 60er-Jahren mit seinen Eltern und Schwestern, mit denen er heute gemeinsam als „Geschwister Schneider“ bei verschiedenen Anlässen auftritt. Die Erfahrung, seine Eltern gemeinsam mit seinen Schwestern auf ihrem letzten Weg begleiten zu können, bezeichnet er als existenziell traurigstes, aber auch sehr würdevolles Erlebnis.

 

Nach der Matura, die er 18-jährig am Gymnasium Lienz absolvierte, zog es Walter hinaus in die Welt. Er wollte ferne Länder und Menschen kennenlernen – und tat dies auch. Wenn er heute von seinen selbstorganisierten Aufenthalten auf allen Kontinenten dieser Erde erzählt, wird deutlich, dass hier ein Weltreisender, ein Weltbürger vor einem steht. Mit Rucksack und Zelt, alleine, mit Freunden und später mit seiner Frau Brigitte und den beiden Töchtern entdeckte er andere Kulturen und Sitten. „Jeder Mensch hat einen anderen Blick auf das Leben, einen anderen Ansatz. Das interessiert mich, daraus kann man viel lernen!“, sagt er dazu.

Sein beruflicher Werdegang führte ihn nach Absolvierung der PÄDAK in Innsbruck zurück in seine Heimatstadt Lienz. Er arbeitete bei der Lebenshilfe, um dann, ab 1986, an die Volksschule Lavant zu wechseln. Von Anfang an war es die Zielsetzung des jungen Lehrers, dass die ihm anvertrauten Kinder im Unterricht die Möglichkeit erhalten, ihren Schulalltag teilweise selbst gestalten zu können, indem sie an Themen arbeiten, die sie konkret interessieren – und dies in der Atmosphäre einer gewissen Gelassenheit und Fröhlichkeit. „Dieser individuelle Unterricht erfordert von den Kindern Disziplin und Arbeitshaltung und ist keine Kuschelpädagogik. Das Wichtigste ist, jedem Kind das Gefühl zu geben: So wie du bist, bist du gut und ein wichtiger Teil unserer Gemeinschaft, in der wir uns gegenseitig unterstützen und friedlich zusammenleben wollen. Die Kinder lernen verschiedenste Lebens- und Lernmodelle kennen: Gruppen- und Partnerarbeit, Individual- und Freiarbeitsphasen. Reif werden lassen ist der Weg der Natur und die wahre Lehrart. Diesen Leitsatz sollten wir Erwachsenen bezüglich der Entwicklung unserer Kinder berücksichtigen und jedem Kind seine eigene, ihm innewohnende Entwicklung ermöglichen“, kommuniziert Walter seine Ansichten zur Balance zwischen Freiarbeit und gelenktem Unterricht, die auf seiner langjährigen Erfahrung im Schulwesen basieren. Nach mittlerweile 33 Jahren an der VS Lavant, zwischenzeitlich längst schon Leiter der schulischen Einrichtung, ist er davon überzeugt, dass man Heranwachsenden Wichtiges und Grundlegendes nicht nur vermitteln, sondern auch vorleben muss. „Als Menschen brauchen wir von Geburt an das DU, die Gemeinschaft. Nur mit Achtsamkeit und Toleranz den anderen gegenüber kann es funktionieren.“

 

 

Seit 11 Jahren nimmt der Osttiroler mittlerweile schon an europäischen Schulprojekten im Rahmen des Erasmus-Programmes für Volksschulen teil und steht so in intensivem Austausch mit Schulen in Spanien, Dänemark, Finnland, Griechenland, Polen, Island und Deutschland. Im Februar 2019 stand zuletzt einer der gegenseitigen, einwöchigen Schulbesuche auf dem Programm. Dieses Mal fungierte Walter als Gastgeber. „Bei Erasmus geht es immer um den gegenseitigen Austausch, um das Voneinander-Lernen. Ich bin dankbar für diese Möglichkeit auf europäischer Ebene. Schade ist, dass unser Schulsystem häufig schlecht geredet wird. Nach all meinen Erfahrungen in anderen Ländern kann ich sagen, dass in unserem Schulsystem viele kreative Lernprozesse stattfinden. Wir sollten immer zuerst das Positive sehen, um dann an den Schwächen arbeiten zu können!“ Der Lavanter VS-Leiter sucht seit vielen Jahren auch den Kontakt zu schulischen Einrichtungen außerhalb Europas. Er nimmt am Projekt „Ugandahilfe“ von Pepi Gasteiger teil und hält sich immer wieder in dem afrikanischen Land auf, um mit den LehrerInnen vor Ort mitzuarbeiten. In Spanien unterrichtete er Kinder von Roma und Sinti, in Mexiko City unterstützte er die Comboni-Missionare bei der Arbeit mit den „Ärmsten der Armen“ in den Slums der Millionenmetropole. „Mitzuerleben, wie Menschen, denen es nicht so gut geht wie uns, ihr Leben mit einfachsten Mitteln meistern, macht einen demütig und motiviert, diese konkret zu unterstützen“, hält er dazu fest.

 

Ferne Länder haben es Walter angetan. Im Keller seines Wohnhauses in der Beda Weber-Gasse in Lienz finden sich viele Mitbringsel aus aller Welt. Hier bewahrt der Lienzer übrigens auch eine Kiste mit Erinnerungen an seine Großmutter väterlicherseits auf, die vor vielen Jahrzehnten nach New York ausgewandert ist. „Ich habe meine Oma bis zu ihrem Tod oft besucht“, berichtet er.

 

Umso mehr schätzt er das Leben in Osttirol, das Umfeld seines Arbeitsplatzes und die Gemeinschaft, in der er sich zuhause fühlt. „Mein größter Schatz ist meine Familie. Meine Töchter Magdalena und Sarah aufwachsen zu sehen, war das Berührendste und Wunderlichste meines Lebens.“ Inzwischen erwachsen, sind die beiden Schneider-Mädchen übrigens schon dem Familienmotto gefolgt: „Magdalena arbeitete in Sri Lanka an einem Tsunami-Projekt für Waisenkinder mit, und Sarah war Teil eines Projektes auf Bali!“ Die Frage, ob ihm bei all seinen Aufgaben, Projekten und Reisen auch noch Zeit für Muße und das süße Nichtstun bleibt, beantwortet Walter schmunzelnd mit dem Hinweis darauf, dass er ein begeisterter Beobachter von Fußballübertragungen im TV sei. Kurz darauf meint er aber, dass er seine Lieblingssportart Hallenfußball drei Mal pro Woche ausübt, er gerne auf Fußball- oder Rockevents fährt oder er es schätzt, auf dem Balkon ein Buch zu lesen.

 

 

Womit wir abschließend wieder bei Walter, dem Vielseitigen, angelangt wären. So im Nebenbei wirft er nämlich ein, dass er früher bei Rapid Lienz in der Kampfmannschaft gespielt und dass er 2019 zum bereits 37. Mal die klassische Strecke des Dolomitenlaufes bewältigt habe.

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Martin Lugger/Philipp Brunner

09. März 2019 um