„Tirol anders sehen“: Sonntagsmatineen auf Schloss Bruck in Lienz

Marcel Amoser beleuchtet am 10. Oktober die Arbeitsmigration nach Tirol, Ursula Marinelli stellt am 17. Oktober das tirolische Genrebild Franz von Defreggers in den Fokus.

Der Bergriff „Tirol“ zeichnet unwillkürlich Bilder vor dem inneren Auge. Bilder, die so unterschiedlich und bunt sind wie das Land selbst – vom gerne gespielten Mythos der unberührten Bergwelt über gelebte Tradition und wirtschaftliche Moderne bis zum Rückgrat der mitteleuropäischen Verkehrsnetze. Die kommenden Sonntagsmatineen heben zwei dieser Bilder heraus, die in den aktuellen Ausstellungen auf Schloss Bruck auch thematisiert werden: Arbeitsmigration und künstlerische Genre-Darstellung.

 

Arbeiter im Richtstollen des Felbertauerntunnels 1963. Foto: TAP/Sammlung Siegfried Papsch

 

Den Anfang macht dabei Marcel Amoser, Universitätsassistent am Institut für Zeitgeschichte an der Universität Innsbruck, am 10. Oktober. Der Matreier Historiker beschäftigt sich in seiner Arbeit intensiv mit dem Forschungsschwerpunkt Migration und Integration in Tirol. Als Gegenpol zu den Objekten der Ausstellung „grenzen|los“, die exemplarisch die Auswanderung aus Tirol behandeln, wirft Amoser einen Blick auf die Migration in unser Bundesland in den 1960ern und 1970ern. Als in Zeiten der Vollbeschäftigung und der florierenden Industrialisierung des Landes Arbeitskräfte zum Mangel wurden, ging der Ruf über die Grenzen hinaus. Unbeachtet blieben dabei aber oft die Perspektiven des sozialen Wandels und der kaum mitgedachten Integration, hielt man doch die Zuwanderung so genannter Gastarbeiter nur für eine temporäre.

 

Ursula Marinelli vom Institut für Kunstgeschichte an der Universität Innsbruck beleuchtet das tirolische Genrebild Franz von Defreggers.

 

Einer, der selbst „fortgehen“ wollte, war Franz von Defregger. Der Stronacher Bauernsohn, den es beinahe nach Amerika gezogen hätte, gilt als einer der bekanntesten Vertreter der Münchner Schule der Gründerzeit. Ausgehend von seiner Biographie spürt Ursula Marinelli, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kunstgeschichte der Universität Innsbruck, dem Geheimnis seines Erfolges nach. Gerade Defreggers Lebensweg – vom Bauernsohn zum Malerfürsten in München – gab immer wieder Anlass zu allerlei Mythenbildungen.

Der Vortrag am 17. Oktober legt den Fokus auf einen bestimmten Aspekt seines Schaffens, nämlich auf seine Genrebilder. Vor allem mit Bildern der bäuerlichen Tiroler Bevölkerung erlangte er neben seiner Arbeit als Porträtist Berühmtheit. Es waren seine Historien- und Genrebilder im Stil „à la tyrolienne“, die heute gerne als Kunst hart an der Grenze zum Kitsch empfunden werden, in der Zeit aber völlig anders bewertet wurden. Wie sehr das schulbildende Konzept einer „Tirolischen Genremalerei“ wirklich eine Erfindung Defreggers war, bleibt eine der spannenden Fragen der Matinee.

 

Sonntagsmatineen Schloss Bruck

Arbeitskräfte gesucht! Migrationsgeschichten in Tirol – mit Marcel Amoser
10. Oktober 2021, 11.00 Uhr

Franz v. Defregger & das „tirolische Genrebild“ – mit Ursula Marinelli
17. Oktober 2021, 11.00 Uhr

Eine Voranmeldung zu den Sonntagsmatineen unter museum@stadt-lienz.at bzw. unter der Tel.: +43 4852 62580 83 ist notwendig. Es gelten die jeweiligen Covid-Bestimmungen.

 

Text: Redaktion, Fotos: Wolfgang Retter, TAP/Sammlung Siegfried Papsch, Ursula Marinelli

05. Oktober 2021 um