„Musik ist eine Kunst in der Zeit, die dauert!“

Wir trafen den in Lienz geborenen Komponisten Wolfgang Mitterer anlässlich der Aufführung von „Tanz Boden Stücke“ der Musicbanda Franui zum Interview.

Wolfgang Mitterer gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen österreichischen Komponisten und als Pionier auf dem Gebiet der elektroakustischen Musik. Im Rahmen von „Tanz Boden Stücke“ arbeitet er eng mit Andreas Schett und dessen Musicbanda Franui zusammen. Anlässlich der Aufführung am 29. Jänner 2016 in Lienz gab uns Wolfgang Mitterer ein Interview.

Herr Mitterer, Sie sind in Osttirol aufgewachsen. Heute sagt man über Sie, dass Sie einer der  wichtigsten zeitgenössischen österreichischen Komponisten sind. Wie sind Sie dazu gekommen?

Ich denke, die Basis für meinen Weg in der Musik haben mein Vater, meine Mutter und der Asslinger Kirchenchor gelegt. Natürlich musste ich vieles lernen und intensiv arbeiten – aber das muss ich auch heute noch. Musik ist eine ‚Kunst in der Zeit‘, die dauert. Heute lebe ich in Wien, habe hier meine Familie und mein Studio.

Wie muss man sich Ihre Arbeit als Komponist und Organist vorstellen?

Ich komponiere nicht für mich als ‚Singersonger‘, sondern für Orchester, Sänger, Bands oder Solisten. Da sich der Instrumentenbau in den letzten hundert Jahren kaum verändert hat, setze ich die Elektronik ein. Damit kann man Instrumente verstärken, in ‚real time‘ aufnehmen, die Klänge verändern, verhallen, pitsch shiften, morphen, ‚verrückte‘ Stücke bauen, Filme vertonen oder Marktplätze beschallen. Neben meinen Eigenkompositionen bearbeite ich auch die Werke anderer Komponisten, wie derzeit das Stück „Schneewittchen“ von Engelbert Humperdinck, einem deutschen Komponisten der Spätromantik. Er hat dieses Werk begonnen, aber nie vollendet. Eine Schulklasse der  Wiener Sängerknaben wirkt an diesem Projekt mit. Zuletzt habe ich auch für das portugiesische Ensemble ‚Remix‘ in Porto eine Ouvertüre von Georg Friedrich Telemann ‚geremixed‘.

Sie führen Ihre Stücke auch in Steinbrüchen und anderen Off-Locations auf?

Ja, manchmal sind auch derartige ‚Musiktheater‘ Teil meiner Arbeit. 2015 kam z.B. auf dem Kölner Marktplatz, direkt vor der Beethovenstatue, ein Stück mit zwei schreienden Chören, die durchs Publikum rannten, einem Tamburchor, vier Blaskapellen, sechs Schlagwerkern und viel Elektronik zur Aufführung. Ein anderer Schauplatz war das Schlosstheater in Hannover – dort unter Beteiligung von 700 Chorsängern, drei Trompetern, vier Schlagwerkern und natürlich der Elektronik. Ich erinnere mich aber auch noch gut an eine Veranstaltung vor einigen Jahren im Rahmen der Tiroler Festspiele Erl. Damals stand in einem Steinbruch ein Stück mit zwei Caterpillarn, einer Steinbruchmaschine, einem Kinderchor, Opernsänger, DJs, Schauspielern und Tänzern auf dem Programm.

Für ‚Tanz Boden Stücke‘ arbeiten Sie intensiv mit Franui zusammen?

Mit den zehn Osttirolern von Franui – ich habe auch schon CDs für sie gemischt – zu arbeiten, ist etwas ganz Besonderes. Andreas Schett kenne ich schon seit vielen Jahren. Mit gefällt auch das, was er in und mit seiner Agentur Circus auf die Beine stellt. Irgendwann haben wir beschlossen, etwas gemeinsam zu machen.

Was ist Ihr Part bei ‚Tanz Boden Stücke‘?

Ich übernehme vor allem die Begleitung der Textpassagen von Andreas, die er als Osttiroler Gschichtl‘n im Villgrater Dialekt vorträgt, und improvisiere live zur Banda.

Was ist das Spannende an Ihrer Arbeit?

Ich würde sagen, dass es letztendlich immer die Aufführung eines Werkes ist. Darauf zielt alles hin!

Womit beschäftigen Sie sich derzeit? Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Das Jahr 2016 startete mit zwei Konzerten mit meinen Musikerfreunden in Wien (Jazzclub Porgy&Bess, Alte Schmiede). Nach meinem ‚Heimspiel‘ in Lienz Ende Jänner steht ein Projekt in Frankreich an. Dort kommt im Opernhaus von Lille im März 2016 eine Oper zur Uraufführung. Vorher freue ich mich aber auch noch sehr auf das Konzert am 10. Februar mit Franui im Wiener Konzerthaus. Und meine Pläne für die Zukunft: Vor allem viel Zeit mit meinem Sohn verbringen.

Sie arbeiten in letzter Zeit auch häufig für Filmprojekte?

Der österreichische Film präsentiert sich zur Zeit als sehr innovativ und beobachtungswert. Für mich ist von Vorteil, dass ich dafür von Wien aus tätig sein kann.

 

Interview: Raimund Mühlburger, Foto: wm

04. Februar 2016 um