Von Landauern, Damenkutschier- und Leichenwagen

Auf eine nostalgische Zeitreise kann man sich im Kutschen- und Heimatmuseum Obertilliach begeben – prächtige Pferdekutschen und Winterschlitten sind hier zu sehen.

Im Jahr 2007 hat ein Sillianer Verein im rund 350 Jahre alten „Lugger Stadl” in Obertilliach das Museum eingerichtet, dass nicht nur Pferdekutschen und Winterschlitten, sondern auch bäuerliche Geräte umfasst. Eine englische Damenkutsche, ein prächtiger Landauer, ein Leichenwagen, wie er einst am kaiserlichen Hof in Wien im Einsatz war, ein Pustertaler Landwagen, ein Ungarischer Jagdwagen oder ein Bäckerwagerl aus Sillian – Gernot Vinatzer zeigt uns beim Streifzug durch das Kutschen- und Heimatmuseum Obertilliach ganz besondere „Schätze“. Der pensionierte Sparkassen-Mitarbeiter fungierte beim Aufbau des Museums als treibende Kraft und war auch bei der Gründung des dazugehörigen Sillianer Vereins im Jahre 1992 mit an Bord. Heute ist er Kassier des Vereins, betreut das Museum und bietet im Sommer oder auf Anfrage Führungen an.

 

Eine besonders prächtige Kusche im Obertilliacher Museum ist der Große Landauer. Gernot Vinatzer: „Diese viersitzige und an beiden Achsen gefederte Kutsche war z.B. auch schon bei Doppelhochzeiten oder bei einem Fest der Schützen in Sillian im Einsatz. Damals fuhr auch Georg von Habsburg-Lothringen mit.”

 

„Die Blütezeit nostalgischer Pferdekutschen nahm im ausgehenden 18. Jahrhundert ihren Anfang. Damals entwickelten sich für die verschiedenen Einsatzgebiete jeweils individuelle Kutschenformen”, erklärt der Sillianer zu Beginn unseres Besuches und verweist auf die 22 Pferdekutschen und 15 Winterschlitten aus der Zeit von etwa 1880 bis 1930, die hier zu bewundern sind. „Mit einem Herrenkutschierwagen wollte man in früheren Zeiten den Damen imponieren“, spricht Gernot interessante Details zu einem der Exponate an. „Bei Ausflügen lenkte die Herrschaft selbst, weshalb man diese Wagen als ,Selbstfahrer‘ bezeichnet.“

 

 

Besonders prächtig sei, so der erfahrene Museumsguide, auch der Große Landauer. „Ein Landauer ist eine viersitzige, vierrädrige und an beiden Achsen gefederte Kutsche mit zwei vis-à-vis und parallel angeordneten Sitzbänken. Diese Kutschenart war im 18. und 19. Jahrhundert in Europa der bevorzugte Reisewagen und galt als ein Statussymbol der begüterten Klasse.“ Der heute im Kutschenmuseum aufbewahrte Landauer war übrigens schon bei Doppelhochzeiten im Einsatz bzw. wurde auch bei einer Feier der Schützen in Sillian in Betrieb genommen. „Damals fuhr Georg von Habsburg-Lothringen in dieser Kutsche mit.“  Zu dem schwarzen Leichenwagen, der im Museum besonders ins Auge sticht, weiß Gernot Vinatzer Folgendes zu berichten: „Solche Wägen standen am Wiener Hof im Einsatz, wobei schwarze Leichenwagen nur den jeweils regierenden Monarchen auf seinem letzten Weg begleiteten. Allen anderen Persönlichkeiten des Hofes waren rote Kutschen vorbehalten.”

 

 

Das Gros der Kutschen des Obertilliacher Museums stammt aus dem Großraum Tirol und wird jeweils mit Infotexten in Deutsch und Italienisch erklärt. Der ausgestellte Damenkutschierwagen aus dem Tiroler Gailtal etwa wurde seiner schönen Ausstattung wegen auch als Hochzeitskutsche verwendet. Das Bäckerwagerl aus Sillian hingegen diente in früheren Zeiten der Brotauslieferung mit dem eigenen Pferd. Mit dem Ungarischen Jagdwagen oder dem Coupé mit nobler Innenausstattung wurden in der kalten Jahreszeit Mitglieder der Oberschicht transportiert. Diese und viele andere Exponate sowie zahlreiche bäuerliche Geräte hat Gernot Vinatzer gemeinsam mit seinen Vereinskollegen in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen, um im „Lugger-Stadl” ein regionaltypisches historisches Ambiente zu schaffen.

 

Gernot Vinatzer: „Ich bin sehr froh, dass die von uns gesammelten alten Kostbarkeiten hier im Lugger-Stadl eine neue Heimat gefunden haben und der Öffentlichkeit präsentiert werden können.”

 

„Das Museum passt wunderbar in das Haufendorf Obertilliach und in diesen alten Stadel. Das Fuhrwerkwesen hatte in früherer Zeit im Puster- und Lesachtal einen hohen Stellenwert, und außerdem ist Obertilliach seit über 100 Jahren auch eine Norikerhengst-Zuchtstation”, sagt der Sillianer, der sich auch in vielen Vereinen, allen voran der Narrengilde Sillian, engagiert. Die Beschäftigung mit der Geschichte ist eine seiner großen Leidenschaften. Nicht verwunderlich betätigt er sich immer wieder als Hobby-Chronist oder ist, wie derzeit, stark in die Organisation der Jubiläumsfeierlichkeiten „Sillian550” in seiner Heimatgemeinde eingebunden. „Sehr wichtig ist mir auch der Humor. Ich bin davon überzeugt, dass es sich damit einfach leichter leben lässt“, so der vielseitig Tätige und Interessierte abschließend.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

20. Juni 2019 um