Hermann Weichsler aus Matrei i.O.: Ein Leben für die Musik

Mit 78 Jahren kann der Wahlmatreier auf ein langes und erfülltes Leben zurückblicken. Von klein auf spielte für ihn die Musik eine große Rolle.

Hermann Weichsler wurde am 20. Mai 1940 in Kleblach im Kärntner Drautal geboren und wuchs mit seinen beiden Schwestern Gretl und Waltraud in einer Eisenbahnerfamilie auf. Seine Kindheit war von den Wirren der letzten Kriegsjahre und dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit geprägt. Die Verhältnisse, unter denen er aufgewachsen sei, könne man überhaupt nicht mit jenen der heutigen Zeit vergleichen, meint er zu Beginn unseres Gespräches. Dies sei aber keineswegs negativ gemeint. Bis heute blickt der Wahl-Matreier sehr gerne auf seine Kinder- und Jugendtage in der Schule oder z.B. auch beim Ziegenhüten zurück. Einen tiefen Einschnitt bedeutete der frühe Tod seiner Mutter im Jahre 1946. Dieses traurige Ereignis hinterließ bei dem damals Sechsjährigen tiefe Spuren. „Mein Vater nahm einige Zeit später eine Kriegswitwe bei uns auf, die die mütterlichen Pflichten und den Haushalt übernahm“, erinnert sich Hermann Weichsler zurück. Einige Jahre darauf sollten die beiden dann auch heiraten.

Mit der Musik kam Hermann bereits sehr früh in Berührung. Im Hause Weichsler wurde viel gesungen – wie sollte es im Land der Sänger und Chöre auch anders sein? Bei Besuchen von Verwandten und Bekannten gaben Hermann und seine Schwestern immer altbekannte und gern gehörte Kärntnerlieder zum Besten. Doch auch die Instrumentalmusik nahm bald einen wichtigen Platz in Hermanns Alltag ein. Es war der Wunsch seines Vaters, dass der Bub, der sich in der Volksschule als sehr guter Schüler erwies, Lehrer werden sollte. Nachdem zur damaligen Zeit die Geige ein verpflichtendes Instrument für angehende Volks- und Hauptschullehrer war, erhielt Hermann bald Geigenunterricht. Bis heute ist er davon überzeugt, dass dies sehr sinnvoll war. Die Geige sei, wie er betont, ein Instrument, das der Kinderstimme in ihrem Klang sehr nahekomme. So könnten Heranwachsende sehr gut lernen, eine Melodie nachzusingen. Hermann erwies sich von Beginn an als sehr fleißig und nahm seine  Fidel sogar zum Ziegenhüten mit. Den Ziegen, so erzählt er schmunzelnd, habe dies wohl nicht so sehr gefallen, und so manches Mal seien sie in einem Kleeacker verschwunden und nur schwer wieder auffindbar gewesen. Seinen Geigenunterricht erhielt er bei Frau Zimbelius in Spittal a.D. Ihre fürsorgliche Art und auch ihre Fähigkeit, jungen Menschen ihr Wissen über das Geigenspiel und die Musik allgemein zu vermitteln, beeindruckten den jungen Musiker und förderten bzw. motivierten ihn sehr. Hermann erwies sich als talentierter Geiger, der bei den Vorspielabenden immer reichlich mit Applaus und Lob belohnt wurde. Während der Hauptschulzeit in Spittal an der Drau sang er dann auch im Schülerchor. Während aber die Freude an der Musik immer stärker wuchs, verlor die Aussicht, später Lehrer zu werden, zunehmend an Reiz. Aufgrund eines Dienststellenwechsels des Vaters übersiedelte die Familie im Jahre 1953 zunächst nach Nikolsdorf, 1957 dann nach Lienz.

Nachdem Hermann hier der Bezug zur Orchestermusik, den ihm Frau Zimbelius vermittelt hatte, fehlte, wandte er sich der Blasmusik zu. Er wurde Mitglied der Musikkapelle Nikolsdorf und spielte dort Trompete und Fügelhorn. In einer kleinen Inntaler-Besetzung sammelte er wichtige Erfahrungen. Hermann lernte schnell und beherrschte auch die beiden neuen Instrumente bald so gut, dass er bei einem Konzert beim „Tschitscher“ in Nikolsdorf dem damaligen Bezirkskapellmeister auffiel. Dieser war von dem jungen Musikanten hellauf begeistert und empfahl ihn der Militärmusik Tirol, die damals von Prof. Siegfried Somma geleitet wurde. Der Jungmusikant, der zuvor schon die Handelsschule in Lienz absolviert und seine erste Arbeitsstelle in Matrei in Osttirol gefunden hatte, rückte bei der Militärmusik zunächst als Trompeter/Flügelhornist ein, wechselte bald darauf jedoch zum Waldhorn über. Die Zeit in Innsbruck war, wie er heute sagt, „… wohl die intensivste musikalische Phase meines Lebens!“ Am Tiroler Landeskonservatorium besuchte der junge Mann damals auch den Unterricht in verschiedenen Fächern, wobei ihm der Hornunterricht bei Erich Giuliani besonders in Erinnerung geblieben ist. Neben der Mitgliedschaft in der großen Tiroler Militärkapelle engagierte sich Hermann in dieser Zeit auch in verschiedenen Ensembles. Mit Florian Pedarnig, den er damals in Innsbruck kennenlernte, verbindet ihn bis heute eine tiefe Freundschaft. Auch mit dem heute weit über die Tiroler Landesgrenzen hinaus bekannten, 2001 verstorbenen Komponisten und Jazzer Werner Pirchner musizierte er sehr oft gemeinsam. Florian Pedarnig war es, der den ambitionierten Musikanten in dieser Zeit sehr unterstützte und darin bestärkte, die Musik zu seinem Beruf zu machen. Auch dass Hermann heute in Osttirol als versierter Kontrabassist bekannt ist, sei, wie er festhält, das Verdienst von Pedarnig. „Florian war damals Kontrabass-Student am Konservatorium und hatte sich eine neue Bassgeige gekauft. Mir trat er sein altes Instrument ab und ermöglichte mir so den Zugang zu diesem großen und doch recht schwierig zu transportierenden Instrument.“

 

 

1960 stand Hermann knapp davor, den Weg eines Berufsmusikers einzuschlagen. Es kam dann jedoch alles anders. „Letztendlich war es wohl die Suche nach einem geordneten, sesshaften Leben mit Familie und Kindern, die mich von meinem Wunsch, Berufsmusiker zu werden, abbrachte“, erzählt er heute. Bereut habe er diese Entscheidung nie. Denn die Musik müsse nicht unbedingt der Beruf eines Menschen sein, sie könne einen auch auf anderem Wege ganz und gar erfüllen. Damals brach der 20-Jährige jedenfalls seine Zelte in Innsbruck ab und kehrte nach Matrei in Osttirol zurück, um dort zunächst dem Beruf eines Buchhalters in einer Werkstätte nachzugehen. 1963 wechselte er dann ans örtliche Gericht. In den folgenden Jahren bildete er sich intensiv weiter, absolvierte Zusatzausbildungen und schließlich auch die sogenannte „Beamtenmatura“, die damals in Baden bei Wien abzulegen war. Bald wurde er auch Mitglied der Musikkapelle Matrei, bei der er als Flügelhornist mitwirkte. In dieser Zeit entstand in Matrei eine erste örtliche Musikschule, in der Hermann von Beginn an Trompete, Flügelhorn, Horn und Bassflügelhorn
unterrichtete.

 

Gemeinsames Musizieren mit Florian Pedarnig und Kollegen bei der Militärmusik Tirol in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts

 

Bald zeigte sich, dass ihm die Blasmusik alleine zu wenig war. Deshalb trat er wieder einigen Ensembles bei, die in verschiedensten Musikgenres aktiv waren. Dazu gehörte auch eine Big-Band, die sich aus einigen Matreier Musikanten zusammensetzte und die damals äußerst moderne Stücke – unter anderem von James Last – spielte. Ab 1965 war Hermann dann, gemeinsam mit Andreas, Roland und Robert Mühlburger, auch bei den „Broi Buebm“ mit dabei. Die Formation trat bei vielen Bällen und Hochzeiten auf und unterhielt die Menschen mit Oberkrainer- und anderer Unterhaltungsmusik. Schon damals kamen bereits viele Stücke, die Hermann Weichsler selbst komponiert hatte, zur Aufführung. Später wechselte die Formation den Namen und wurde als „Alpenland Quintett“ bekannt. „Ein Highlight dieser Zeit ist sicher die LP `Wo der Wildbach rauscht`, die von Slavko Avsenik, dem Urvater der Oberkrainer-Musik, als ein sehr gelungenes und sehr gut musiziertes Werk bezeichnet wurde“, meint Hermann, der eine Zeit lang auch bei der „Alt-Matreier Tanzmusik“ die Bassgeige spielte. 1967 schloss er mit seiner Frau Maria den Bund fürs Leben. Heute sind die beiden seit 50 Jahren verheiratet und auf ihre Töchter und fünf Enkelkinder sehr stolz.

1970 fand der Wahl-Matreier den Weg zurück zur klassischen und sakralen Musik. Auf Initiative von Chorleiter Manfred Klocker trat er dem Kirchenorchester der Iseltaler Marktgemeinde bei. Trotzdem blieb auch die Blasmusik weiterhin wichtig. 1972 übernahm er von seinem Vorgänger Tobias Trost den Taktstock bei der Matreier Musikkapelle. Bis 1976 übte er dieses Amt aus und blieb dann noch bis 1983 Mitglied der Kapelle. Zu Beginn der 90er-Jahre leitete Hermann außerdem für zwei Jahre als Kapellmeister die MK Virgen. Wenngleich er schon längst nicht mehr aktives Mitglied ist, die Liebe zum Komponieren von Blasmusikliteratur ist ihm bis heute geblieben. Ab den 80er-Jahren widmete sich Hermann hauptsächlich der Orchestermusik. Als Kontrabassist war und ist er in ganz Osttirol sehr gefragt. „Es wird wohl kaum eine Kirche im Bezirk geben, in der ich noch nicht musiziert habe“, berichtet er. Mit seiner Tochter Sonja musizierte er in verschiedensten Streicherbesetzungen und bemühte sich sehr, jungen Musikerinnen und Musikern die Liebe zur Kirchenmusik zu vermitteln. Auch im Lienzer Kirchenorchester von St. Andrä war Hermann mit seinem Kontrabass von 1983 bis 2012 regelmäßig im Rahmen von Orchestermessen, die von Max Mitterer und später von Reinhold Salcher geleitet wurden, zu hören. Nicht verwunderlich, dass es ihm auch die „klassische“ Orchesterliteratur sehr angetan hat.

 

Der vielseitig Tätige engagierte sich in den vergangenen Jahrzehnten u.a. als Mitglied verschiedener Musikkapellen und Ensembles und wirkte bei Kirchen- und Kammerorchestern im Raum Osttirol mit. Darüber hinaus konnte er sich in der Musikszene Tirols mit seinen Eigenkompositionen einen Namen schaffen.

 

In den 70er- und 80er-Jahren begann er sich am Kontrabass weiterzubilden. Acht Jahre lang fuhr er regelmäßig nach Kitzbühel, um dort Unterricht zu nehmen. Oft begleitete er seine Tochter zum Studium ans Mozarteum nach Salzburg, um dort selbst Neues zu lernen. Ab 1982 spielte er den Streichbass im Stadtorchester Lienz und wirkte auch bei sämtlichen Konzerten des Kammerorchesters Lienz unter der Leitung von Dr. Martin Brunner mit. Heute kann Hermann Weichsler auf einen großen Fundus an Eigenkompositionen verweisen. Aus seiner Feder stammen viele Tanzmusik-Stücke für verschiedenste Besetzungen, aber auch Stücke für Bläser für die Weihnachtszeit und Streichquartette wie z.B. für das Ensemble „Iseltaler Streicherklang“. Für Blasmusik schuf er vier Werke: den „Tauerntal-Marsch“, den Marsch „Frisch voraus“, den „Osttirol-Marsch“ und die Polka „Maschenka“. Etwas ganz Besonderes war es für ihn, ein Werk des bekannten, aus Matrei stammenden Bildhauers Virgil Rainer zu bearbeiten und zu ergänzen. Hermann Weichsler dazu: „Virgil Rainer war nämlich nicht nur ein begabter bildender Künstler, sondern auch ein begeisterter Musikant. In seinem Nachlass entdeckte man die Flügelhornstimme eines selbst komponierten Trauermarsches mit dem Titel ´Abschiedsgrus´. Da diese die einzige vorhandene Stimme war, musste noch einiges ergänzt und harmonisiert werden. Mir kam die ehrenvolle Aufgabe zu, dieses Werk zu vervollständigen.“ Diese Arbeit sei für ihn, wie er weiter erklärt, auch der Ansporn gewesen, erneut Stücke für Blasmusik zu komponieren. Auch derzeit sei einiges in Planung. „Ich freue mich schon darauf, neue Ideen zu sammeln und in Noten zu verwandeln.“

 

 

Hermann Weichsler lebt für die Musik. Das wird sehr deutlich, wenn man sich mit ihm unterhält. Dass sein Engagement und seine Freude an der Musik bis heute ungebrochen sind, könnte auch daran liegen, dass er daraus nie einen persönlichen finanziellen Profit gewonnen hat. Ein herzliches, ehrliches „Vergelt´s Gott“ sei ihm immer noch der größte Dank, sagt er und zitiert den früheren Weihbischof Matthias Defregger. Dieser habe, so Hermann, bei der Predigt zum silbernen Priester-Jubiläum von Pater Richard im Juni 1987 in der Klosterkirche in Lienz folgendes gesagt: „Nichts enttäuscht einen Menschen mehr, als wenn er für seine Zuwendung und Hilfsbereitschaft Gleichgültigkeit erntet.“

Am Ende unseres Gespräches erinnert er sich noch einmal an die vielen Wegbegleiter, Freunde und Lehrer, die seinen Lebensweg gekreuzt haben. Einer von ihnen – der langjährige Lienzer Chorleiter Max Mitterer – habe ihn gelehrt, dass Musik eine Sprache ist, die denselben Gesetzmäßigkeiten unterliegt wie die menschliche Sprache. „Natürlichkeit und Ehrlichkeit liegen mir auch in der Musik sehr am Herzen“, so Hermann abschließend. Vielleicht sind seine Kompositionen auch gerade deshalb so beliebt und gehen den Zuhörerinnen und Zuhörern immer wieder ganz besonders zu Herzen!

 

Text: Raphael Lukasser, Fotos: Martin Lugger und privat

15. September 2018 um