Zwei Höfe, vier Produzenten – eine gemeinsame Philosophie

Im Abfaltersbacher Ortsteil Geselhaus liegen zwei stattliche Bauernhöfe, die nicht nur eine lange zurückreichende Geschichte miteinander verbindet.

Bis in die zweite Hälfe des 17. Jahrhunderts waren der heutige „Astnerhof“ und der direkt daneben liegende „Lamprechterhof“ in Abfaltersbach noch ein bäuerliches Anwesen. Entgegen der im Alpenraum weit verbreiteten Tradition, dass immer der älteste Sohn den Hof übernimmt, wurde der damalige „Unterheinricher“ aufgeteilt. Wie aus dem bis heute erhaltenen, historischen „Teilungsbrief“ ersichtlich ist, ging das gesamte Anwesen samt Liegenschaften im Jahre 1667 zu gleichen Teilen an die Brüder Stefan und Michael Bodner. Symbolisch für ihre ab dieser Zeit getrennten Betriebe war Stefan fortan der Besitzer beim „Unterheinricher“ und Michael der Bauer zu „Oberheinricher“. Rund 30 Jahre später erfolgte ein Wechsel bei den Vulgonamen: Aus dem „Unterheinricher“ wurde der „Astner“ und aus dem „Oberheinricher“ der „Lamprechter“.

 

Eine historische Urkunde aus dem 17. Jahrhundert belegt die Teilung des einstigen „Unterheinricher-Hofes“. 353 Jahre später kann man auf einem Flyer, den beide Höfe gemeinsam herausgegeben haben, folgendes nachlesen: „Ursprünglich eins, lange getrennt, nun ein gemeinsamer Weg!“

 

Heute sind auf den beiden „Hamatlan“ die Familien Moser („Astner“) und Kraler („Lamprechter“) zu Hause. Die junge Generation, vertreten durch Tobias Kraler und Andreas Moser, ist bereits für die Geschicke der bäuerlichen Anwesen verantwortlich. „2013 durfte ich den Astnerhof übernehmen“, erzählt Andreas bei unserem Besuch. Er ist Lehrer an der NMS Sillian und führt den landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb.

Seinen Nachbarn Tobias, Lehrer an der Landwirtschaftlichen Lehranstalt in Lienz und Bauer im Nebenerwerb seit 2015, kennt der junge Familienvater von klein auf. Mit ihm verbindet ihn aber viel mehr als „nur“ gemeinsame Kindheitserinnerungen. Beiden gemein ist auch eine echte Leidenschaft für eine naturnahe, nachhaltige Vieh- und Milchwirtschaft und der tief verwurzelte Wunsch, selbstbestimmt einen eigenen Weg zu gehen. Ihre Einstellung zu Natur, Lebensart und Heimat teilen die beiden Abfaltersbacher mit ihren Partnerinnen Romana und Daniela. „Wie oft haben wir vier über den Gartenzaun hinweg Erfahrungen und Meinungen ausgetauscht“, erinnert sich Tobias zurück. „Der Erhalt und die Pflege dieser einzigartigen Kulturlandschaft, in der wir leben dürfen, liegt uns allen am Herzen. Ungeachtet dessen haben wir die gängigen Vertriebswege, etwa bei der Milch, sowie die Art und Weise, wie Grund und Boden vielerorts bewirtschaftet werden, hinterfragt – und wir haben festgestellt, dass die Arbeit der heimischen Bauern zu wenig wertgeschätzt wird.“

 

Im Stall von Tobias Kraler stehen 12 Kühe, Nachbar Andreas verarbeitet die Milch von sieben Kühen. Die Arbeit am Hof ist für die beiden nicht nur die Fortsetzung der Familientradition, sondern auch ein guter Ausgleich zur Tätigkeit im Lehrberuf.

 

In der Vor-Ort-Vermarktung der eigenen landwirtschaftlichen Produkte waren die Eltern ein Vorbild. „Unser Hof war früher weitum für Erdbeeren, für Salat, Kraut und Kartoffeln bekannt“, berichtet Tobias, der seine ersten eigenen Erfahrungen in der Direktvermarktung mit Frischfleisch gemacht hat. Stolz erzählt er davon, dass der „Lamprechterhof“ seit dem Jahre 2015 biozertifiziert ist. „Die Rezertifizierung erfolgt jährlich im Rahmen der Bio-Kontrolle. Die Auflagen sind streng, machen aber sowohl in Hinsicht auf die Tierhaltung als auch auf die Weidewirtschaft Sinn.“ Auf die Biozertifizierung legt auch Nachbar Andreas sehr großen Wert. Seit knapp zwei Jahrzehnten wird am „Astnerhof“ nach Bio-Kriterien gearbeitet. Seine Bio-Heumilch verkauft Andreas schon seit 10 Jahren über einen Rohmilch-Automaten direkt an die Kunden.

 

Unverkennbarer Biogenuss in Form köstlicher Joghurts, in saisonal abgestimmten Sorten. Die Leidenschaft zu naturnaher, nachhaltiger Produktion kann man bei jedem Löffel schmecken!

 

„Die Idee, zusammen eine neue Produkt- und Vertriebsschiene zu installieren, entwickelte sich im Laufe der Zeit“, meint Andreas. Gemeinsame Arbeiten mehrten sich. „Im Vorjahr entschlossen wir uns dann dazu, sprichwörtlich ,Nägel mit Köpfen‘ zu machen und unter Ausschöpfung gemeinsamer Ressourcen das Vorhaben ,Milchbar‘ zu starten.“ Zuvor unternahmen er, Tobias, Romana und Daniela eine Bildungsfahrt, besichtigten andere Betriebe und ergründeten bereits funktionierende Absatzwege. „Wir hörten uns um, befragten Gleichgesinnte und kamen mit vielen Tipps und Ratschlägen wieder nach Hause“, ergänzt Tobias. Was folgte, war die Entscheidung, eine nicht unbeträchtliche Summe in die Hand zu nehmen und diese gemeinsam in den Ausbau eines modernen Verarbeitungsraums, der strengsten hygienischen Vorschriften entspricht, in notwendige Gerätschaften, in ein Glaspfandsystem sowie in die Erweiterung des Selbstbedienungsautomaten zu investieren. Das Produkt, auf das die Wahl der vier fiel, ist ein Bio-Joghurt, das sie sowohl in der Variante „Natur“ als auch kombiniert mit Früchten oder in den Geschmacksrichtungen „Kaffee“ und „Vanille“ anbieten. Der Startschuss zum gemeinsamen Milchverarbeitungs-Projekt erfolgte Ende 2019.

Die Erfahrungen, die Tobias, Andreas, Romana und Daniela seitdem gewinnen konnten, sind durchwegs positiv. „Die Rückmeldungen von Seiten der Konsumenten haben unsere Erwartungen übertroffen, wir sind mit der Nachfrage sehr zufrieden.“ Geplant ist, rund 7.000 kg Biomilch je Betrieb und Jahr zu veredeln. „Wir bieten echten, unverfälschten Bio-Genuss zu einem fairen Preis an“, informiert Romana. „Unser Bio-Naturjoghurt ist fein säuerlich und mild im Aroma, cremig in der Konsistenz und enthält keine Zusatzstoffe.“ Die Früchte, die die vier dem Joghurt beifügen, sind natürlich auch biologisch zertifiziert. „Wir beziehen sie von einem österreichischen Lieferanten“, teilt Daniela mit und beziffert den Arbeitsaufwand mit mindestens 10 Stunden in der Woche. „Wir verarbeiten jeweils die  Milch vom eigenen Hof und beschicken die ,Milchbar‘ im Ortszentrum von Abfaltersbach täglich frisch mit unseren Joghurts. Wie gewohnt, findet man hier auch unsere Bio-Rohmilch sowie immer wieder auch andere saisonale Spezialitäten.“

Die Bio-Produkte aus Abfaltersbach sind auch in den Regiomaten von Familie Lugger und Kollnig im Großraum Lienz erhältlich. „Wir haben unser Ziel, unsere Milch nicht auf eine `Weltreise` über zwei Pässe zu schicken, sondern sie direkt vor Ort zu hochwertigen Bioprodukten zu veredeln, erreicht. Wir wollen den Weg, den wir auch als Stärkung regionaler Kreisläufe und als Beitrag zum Umweltschutz sehen, gemeinsam weitergehen“, sind sich Tobias und Romana, Andreas und Daniela einig. Das vielzitierte Motto „Aus der Region, für die Region“ ist auf den beiden Abfaltersbacher Höfen jedenfalls ganz eindeutig kein leeres Schlagwort, sondern tagtäglich gelebtes, nachhaltiges Wirtschaften!

 

Die junge Generation der Höfe „Astner“ und „Lamprechter“ hat sich für einen gemeinsamen Weg entschieden. „Unsere Kooperation ist eine Herausforderung, aber vor allem eine Bereicherung für uns“, betonen Andreas, Daniela, Tobias und Romana.

 

Wer mehr über die „Milchbar“ erfahren und über die Angebote auf dem Laufenden bleiben möchte, kann die Facebookseite facebook.com/milchgenussbar abonnieren.

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Martin Lugger

21. Juni 2020 um