Arbeitsmarkt im Wandel und die Suche nach Lösungen für vielschichtige Probleme

Zu einer spannenden Veranstaltung unter dem Titel „Arbeitsmarkt im Wandel – Herausforderungen und Perspektiven“ lud die Lienzer Sparkasse am 23.6.2022 ein.

Als in der Region stark verankerter Finanzdienstleister setzt sich die Lienzer Sparkasse schon seit langem intensiv mit Fragestellungen der jeweils aktuellen gesellschaftlichen und ökonomischen Entwicklungen auseinander. So verwundert es auch nicht, dass am Abend des 23.6.2022 das Thema „Arbeitsmarkt im Wandel“ im Mittelpunkt einer Podiumsdiskussion stand, gilt der zunehmende Mangel an Fachkräften doch als eine der großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft. Sparkassen-Vorstand Bernhard Gugganig, MBA konnte im Sparkassensaal eine zahlreich erschienene, interessierte Zuhörerschaft begrüßen. Am Podium fanden sich mit Michaela Hysek-Unterweger, Anna Geiger-Vergeiner, Holger König und Arno Wohlfahrter Vertreter der heimischen wie überregionalen Wirtschaft ein. Die Diskussion leitete ORF-Tirol-Mitarbeiter Robert Hippacher.

Er stellte zu Beginn auch Fragen, die derzeit wohl sehr viele Menschen beschäftigen: „Was sind das für Zeiten?“, „Wo sind denn nur die Arbeitskräfte hin?“ und „Was bedeutet dies alles für Osttirol und die ganze Welt?“. Mit Hotelierin Anna Geiger-Vergeiner nahm eine direkt Betroffene aus der Sparte Tourismus/Gastronomie als erste Stellung. Die Lienzer Unternehmerin, die das Traditionshaus „Hotel Traube“ in der bereits 5. Generation führt, berichtete davon, dass es schon immer herausfordernd gewesen sei, gute MitarbeiterInnen zu finden. „Aber heute ist dies fast unmöglich“, so Geiger-Vergeiner. „Wir suchen für unser Haus und für gewisse Positionen bereits seit mehr als einem Jahr – und dies ohne große Aussicht auf Erfolg. Als Folge müssen wir aktuell unter anderem die Zeiten an der Rezeption verkürzen und wahrscheinlich auch die Halbpension streichen.“

Dass die Ursachen gerade für den Fachkräftemangel in Tourismus und Gastronomie vielfältig sind, wurde aus den nachfolgenden Wortmeldungen zur Corona-Pandemie und ihren Folgen, zum Wechsel von Köchen, Kellnern & Co in andere Berufssparten und zum Wunsch nach anderen als im Tourismus üblichen Arbeitszeiten deutlich. Seine eigene Familiengeschichte (Vater in Brauerei und Mutter in Gastronomie tätig) ließ kurz Holger König, der kaufmännische Leiter der Liebherr Hausgeräte Lienz GmbH, anklingen, bevor auch er herausstrich, wie sehr sich der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren verändert habe. „Früher konnte man sich die Mitarbeiter noch aussuchen. Heute ist die Personalsituation in vielen Bereichen prekär. Wir bei Liebherr betreiben mittlerweile einen extrem großen Aufwand, um gute Leute zu rekrutieren.“ Der Manager eines der größten Unternehmen in der gesamten Region betonte aber auch die außerordentlich positive Entwicklung des Bezirkes Lienz in den vergangenen rund 10 bis 15 Jahren. Als sichtbare Zeichen dafür nannte er die Ansiedelung bzw. Gründung sehr vieler guter Firmen und die im Vergleich zu früheren Zeiten sehr niedrige Arbeitslosenquote in Osttirol.

Die diesbezügliche Entwicklung führte Michaela Hysek-Unterweger, die nicht nur als Unternehmerin (Unterweger Früchteküche GmbH), sondern auch als Bezirksobfrau der WK Tirol auf dem Podium saß, näher aus. „Früher verzeichneten wir im Bezirk Arbeitslosenquoten von acht bis zehn Prozent, heute hat sich dies bei rund 4,6 Prozent eingependelt.“ Sie ging in ihrer Wortmeldung auch auf einen anderen wesentlichen Faktor der Debatte ein: die allgemeine demographische Entwicklung, die vor Osttirol nicht Halt macht. „Ein Blick in die Bevölkerungsstatistik zeigt: Es gibt immer weniger Junge, die am Arbeitsmarkt nachkommen und zudem gehen viele aus den geburtenstarken Jahren bald in Pension.“

Ob ein Teil der Lösung dieses Problems in der qualifizierten Zuwanderung liegen könnte, versuchte Arno Wohlfahrter, bis März 2022 CEO des größten österreichischen Personaldienstleisters Trenkwalder, zu beantworten. Der einstige Spitzensportler und seit vielen Jahren erfolgreiche Manager erläuterte, dass es „ohne Migration nicht gehen wird“. Er sagte, dass es sich hier um eine ganz Europa betreffende Frage handle und verwies in diesem Zusammenhang u.a. auf die in einigen EU-Ländern vorherrschende hohe Jugendarbeitslosigkeit. „Leider sind Projekte, junge Menschen aus diesen Ländern gezielt nach Österreich zu bringen, bislang gescheitert. Das ist sehr bedauerlich, handelt es sich doch hier um ein riesengroßes Arbeitskräftepotential, das es zu nutzen gilt.“

Im Verlauf der Podiumsdiskussion kamen weiters Themen wie der allgemeine gesellschaftliche Trend bzw. Wunsch nach mehr „Work-Life-Balance“, Probleme rund um die Rot-Weiß-Rot-Karte, steuerliche Fragen, die z.B. die Behaltung pensionsberechtigter Fachkräfte im Arbeitsprozess betreffen, oder der hohe Anteil an Frauen im Bereich Teilzeitbeschäftigung zur Sprache. Alle DiskussionsteilnehmerInnen waren sich darin einig, dass der Wandel am Arbeitsmarkt noch weiter an Tempo aufnehmen dürfte und dass die daraus resultierenden Probleme sehr vielschichtig sind. Umso wichtiger sei es, nach innovativen Lösungen zu suchen. Arno Wohlfahrter fasste dies abschließend so zusammen: „Die Welt dreht sich weiter und unser Leben erfordert eine ständige Adaption. Es gibt nicht die EINE Antwort auf die vielen aktuellen und zukünftigen Fragen. Aber Probleme sind dazu da, um sie zu lösen.“

 

Text: J. Hilgartner, Foto: © Lienzer Sparkasse

25. Juni 2022 um