Deutsche Reisewarnung trotz niedriger Infektionszahlen: Bangen um Urlaubsgäste

Die am 25.9.2020 ausgegebene Reisewarnung der deutschen Bundesregierung für ganz Tirol hat auch Touristiker und Wirtschaftstreibende im Bezirk Lienz geschockt.

Großes Unverständnis herrscht darüber, dass der Bezirk Lienz, phasenweise bereits coronafrei, mit aktuell nur 9 bestätigten Fällen und der Farbe Grün in der Corona-Ampel pauschal in die deutsche Einstufung als Risikoregion miteinbezogen wurde.

„Wir brauchen ein EU-weites Corona-Rezept“

„Das wird ein Problem!“, zeigt sich Osttirols Wirtschaftskammer-Obfrau Michaela Hysek-Unterweger höchst besorgt über die Situation. „Tirols einzige Chance liegt in der schnellen Senkung der Infektionszahlen“, signalisiert sie zwar Verständnis für verschärfte Maßnahmen, pocht aber darauf, dass die aktuelle Situation Osttirols berücksichtigt werden muss. „Nachdem bereits der Sperrstundenerlass nicht unbedingt auf Verständnis gestoßen ist, läuft jetzt das Fass über. Wir haben neun Infizierte im flächenmäßig größten Bezirk Tirols und dies bei knapp 50.000 Einwohnern. Warum um Himmels Willen sollte man hier nicht Urlaub machen dürfen und wieso muss vor Osttirol ausgerechnet im wichtigsten Herkunftsland unserer Gäste gewarnt werden?“, fragt sie und appelliert an die politischen Entscheidungsträger: „Wir brauchen einen europäischen Masterplan, um Maßnahmen punktgenau setzen zu können. Einerseits sind dabei Regionen differenziert zu betrachten, andererseits sind Infektionsraten verbindlich festzulegen, ab denen Reisewarnungen verhängt werden dürfen. Osttirol allein wird das nicht schaffen, auch Tirol nicht, der österreichischen Bundesregierung sollte es aber möglich sein, einen Umdenkprozess in Gang zu setzen.“

 

Michaela Hysek-Unterweger: „Mir geht es um Osttirol und um unsere Betriebe, aber auch um alle anderen ländlichen Regionen außerhalb der großen urbanen Zentren und Metropolen. Wir müssen uns Gehör verschaffen! Darum appelliere ich an das Land, an den Bund, an die EU: Schaut auf den ländlichen Raum! Wir gehen sonst unter! Schaut Euch genau an, wo wie viele Fälle auftreten und trefft dann entsprechende Maßnahmen.“

 

„Der durch die deutsche Reisewarnung hervorgerufene Schaden für Osttirol ist enorm!“

Unmittelbar auf die deutsche Reisewarnung für Tirol reagiert hat der Tourismusverband Osttirol. Am 26. September verschickten die Verantwortlichen eine umfassende Information darüber, was die deutsche Reisewarnung konkret bedeutet, an alle Beherbergungsbetriebe. Außerdem werden auf der Webseite unter www.osttirol.com alle wichtigen Fragen für Gäste in Zusammenhang mit der Corona-Lage beantwortet. TVBO-Obmann Franz Theurl kündigt zudem an, sich um eine korrekte Darstellung der Corona-Lage im Bezirk Lienz und um eine neue Einstufung zu bemühen. „Momentan zeichnen sich verbunden mit verschiedenen Reisewarnungen gewisse Einschränkungen ab. Den größten Rückschlag hat uns wohl die von Deutschland ausgesprochene Reisewarnung für ganz Tirol beschert. Dass hier Osttirol als grün gefärbte Region mit geringen Infektionszahlen mit einbezogen worden ist, trifft uns nicht nur hart, sondern ist für uns als zweiten Landesteil, fernab von unserem Mutterland, nicht nachvollziehbar. In den letzten Tagen hat eine noch nie dagewesene Stornowelle der deutschen Gäste eingesetzt, welche nicht nur den Spätherbst betreffen, sondern ganz besonders auch den bevorstehenden Winter. Hier gilt es mit aller Kraft entgegenzuwirken! Wir arbeiten derzeit an verschiedenen Konzepten und Präventionsmaßnahmen, um noch zu retten, was zu retten ist. Der durch diese Maßnahme hervorgerufene Schaden für Osttirol ist enorm und schwer wieder wettzumachen!“

 

TVBO-Obmann Franz Theurl: „Wir müssen alles daran setzen, auch diese große Herausforderung gemeinsam zu meistern!“

 

Wichtig sei nun, so Franz Theurl weiter, in der neuerlichen Ausnahmesituation das Bestmögliche für die Betriebe und Gäste zu unternehmen. „Dazu gehört auch, dass wir den in Osttirol Urlaubenden eine Lösung hinsichtlich der raschen Verfügbarkeit von Corona-Tests anbieten. Die Gäste können sich bis auf Weiteres jeden Tag in der Dolomitenhalle in Lienz ab 11.15 Uhr von Dr. Franz Krösslhuber testen lassen. Hier werden die persönlichen Daten erfasst, dazu ist die Mitnahme eines Lichtbildausweises erforderlich. Die Auswertung der Abstriche wird das Labor von Dr. Gernot Walder übernehmen und der Befund bei einem negativen Ergebnis binnen 24 Stunden per SMS an den Gast übermittelt. Dieser kann das Mail am Handy bei der Grenzkontrolle vorzeigen bzw. sich den Befund vorher im Beherbergungsbetrieb in Osttirol ausdrucken lassen“, informiert der TVBO-Obmann. Der Einfachheit halber wird vorübergehend der TVB Osttirol als Zahlstelle definiert. „Eine eventuelle Weiterverrechnung werden wir uns vorerst vorbehalten“, so Theurl. Er verweist auf laufende Gespräche und auf das Ziel, weitere Teststellen auch in den Tälern zu organisieren.

 

Text: J. Hilgartner, Fotos: AdobeStock, Brunner Images, Osttirol heute

27. September 2020 um