„Osttirols Tourismus ist auf einem guten Weg!“

.. betont Franz Theurl, der im Dezember 2023 – nach mehr als 35-jähriger Spitzenfunktionärstätigkeit im Tourismus – in seiner Funktion als Obmann des Tourismusverbandes Osttirol erneut bestätigt wurde.

Wir haben uns mit ihm über Themen wie die finanzielle Lage des TVBO, eine mögliche Erhöhung der Aufenthaltsabgabe sowie über anstehende Projekte unterhalten und ihn dazu befragt, welche Visionen er für eine weitere positive Entwicklung des Tourismus im Bezirk Lienz verfolgt.

 

TVBO-Obmann Franz Theurl

 

Herr Obmann, das Tourismusjahr 2023 war wirtschaftlich für den TVBO eines der bislang erfolgreichsten. Worin sehen Sie die Ursachen für diese Entwicklung?

Erfolg hat bekanntlich viele Väter. Ich schreibe hier dem gesamten Team im Tourismusverband Osttirol einen großen Anteil zu, weil in allen Bereichen sehr motiviert und professionell gearbeitet wird. Wir freuen uns mit den Betrieben über die guten Nächtigungszahlen und darüber, dass auch die Wertschöpfung im Tourismus stetig steigt. Der wohl allergrößte Anteil an der positiven Entwicklung ist zweifelsohne den Tourismustreibenden zuzuschreiben. In einem enorm schwierigen Umfeld mit stark gestiegenen Energiekosten sowie angesichts eines noch nie dagewesenen Personalmangels waren die Unternehmer: innen mehr als stark gefordert – und sie haben abgeliefert!

Wie steht der Tourismusverband Osttirol heute finanziell da?

Wir mussten 2008 als Folge der Fusionsverordnung des Landes ein sehr schweres Erbe antreten. Die Verbindlichkeiten der Teilregionen sowie die noch aufzuarbeitenden Beschlüsse, welche in Rechtsnachfolge bindend waren, ergaben einen Darlehenshöchststand von 14,8 Millionen Euro. Heute befinden wir uns nun in der vierten Funktionsperiode und es ist uns, gemeinsam mit dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, gelungen, diese Verbindlichkeiten, bei Aufrechnung der Guthabenstände, auf Null zu stellen. Man muss auch wissen, dass wir in dieser Zeit auch über 30 Millionen Euro an Investitionen, vorwiegend in die Infrastruktur und Verbesserung des Gästeangebotes im gesamten Bezirk, aufgebracht haben. 2008 sind wir mit einem Unterkapital von 7,5 Millionen Euro gestartet und heute weisen wir ein Eigenkapital von rund 14 Millionen Euro auf. So gesehen ist es uns mit gemeinsamen Kräften geglückt, die Finanzen zu ordnen.

Ist es angedacht, in Zukunft in Form einer Erhöhung der Aufenthaltsabgabe Spielraum für zukünftige Aufgaben und Infrastrukturvorhaben zu schaffen?

In der Festsetzung der Aufenthaltsabgabe liegt ein enormes „Unterfutter“. Würden wir, so wie es bereits viele Nordtiroler Regionen praktiziert haben, von derzeit zwei Euro pro Nächtigung auf das Höchstmaß von fünf Euro gehen, so würde dies für den TVB Osttirol jährliche Mehreinnahmen von über fünf Millionen Euro bedeuten. Ich persönlich plädiere dafür, dass die Beherberger ihr verdientes Geld in die Qualität ihres Angebotes investieren und mit der geringeren Belastung durch die derzeitige Aufenthaltsabgabe konkurrenzfähiger bleiben. Das heißt, dass ich momentan keine Veranlassung sehe, die Aufenthaltsabgabe zu erhöhen. Wir werden weiterhin ein straffes Finanzmanagement betreiben, um diese Maßnahme hinauszögern zu können.

Was sind die aktuell wichtigsten Infrastrukturvorhaben des Tourismusverbandes Osttirol? Was soll 2024 umgesetzt werden und was ist auf Schiene bzw. in Ausarbeitung?

Wir haben viele Projekte in der Pipeline, welche es 2024 und darüber hinaus umzusetzen gilt. Sehr weit gediehen ist die Neugestaltung und deutliche Erweiterung des Projektes „Weg der Sinne“ in Virgen. Ebenfalls im heurigen Jahr wird das Projekt „Matreier Rundwanderweg“ fertiggestellt bzw. seiner Bestimmung übergeben. Weiters ist im Goldriedgebiet eine massive Erweiterung des Familienangebotes bereits in Auftrag gegeben. Auch für den Iseltrail sind nach der Errichtung der Hängebrücke in Virgen noch einige Maßnahmen zur weiteren Attraktivierung für 2024 und darüber hinaus geplant. In Sillian wurden für das Projekt „Wichtelpark und Outdoorcenter“ bereits erste Maßnahmen gesetzt und sollen 2024 weitere Umsetzungsschritte folgen. Im Villgratental werden wir uns 2024 über die endgültige Fertigstellung des Vorzeigeprojektes „Freilichtmuseum“ freuen können. In Obertilliach wurde die Modernisierung der Beschneiungsanlage von Seiten des TVB finanziell begleitet, welche 2024/25 durch einen weiteren Beschneiungsteich abgeschlossen werden soll, und in Kartitsch beteiligt sich der TVB Osttirol an der Errichtung einer neuen Skipiste samt Beschneiungsanlage. In Lienz wird es 2024 einen zusätzlichen Trail am Hochstein geben und am Zettersfeld ist geplant, das Familienangebot zu erweitern. Der TVB Osttirol als Miteigentümer der Lienzer Bergbahnen AG ist auch bei der anstehenden Konzessionsverlängerung gefordert. Die wohl momentan größte Herausforderung stellt für uns die Errichtung des „Venedigerzentrums“ in Prägraten dar. Dieses Projekt soll gemeinsam mit der Gemeinde und dem Nationalpark zur Umsetzung gelangen. Dabei geht es um ein Investitionsvolumen von mehr als 5 Millionen Euro. Aktuell beschäftigt mich die Finanzierungsfrage sehr und ich hoffe, hier mit möglichst geringen TVB-Mitteln das Auslangen zu finden. Die Ausschreibung des Architektenwettbewerbes über die Dorferneuerung des Landes ist bereits angelaufen. In der Pipeline steht schließlich noch die bereits vorgeplante Kletterhalle in Lienz. Dieses Projekt wurde jedoch vom Aufsichtsrat zurückgestellt und die Priorität dem Venedigerzentrum zugeordnet. Insgesamt gehe ich auch für 2024 davon aus, dass wir die angeführten Maßnahmen ohne Kreditaufnahme finanzieren werden können.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung im Aufstiegshilfenbereich ein – mit Blick auf Hochstein und Zettersfeld in Lienz und die geplante Skischaukel Sillian-Sexten?

Die Bergbahnen in Osttirol sind wohl eine der wichtigsten Infrastruktureinrichtungen, um Tourismus betreiben zu können. Aus diesem Grund wurden in den vergangenen Jahrzehnten auch Mittel des Tourismusverbandes dafür eingesetzt. Die Lienzer Bergbahnen konnten in den vergangenen Jahren schuldenfrei gestellt werden und darüber hinaus ist es gelungen, strategisch wichtige Grundflächen aus Eigenmitteln anzukaufen. Ziel muss es sein, den Cashflow weiter zu erhöhen bzw. das vorhandene Potenzial noch besser auszuschöpfen, um anstehende Investitionen bewältigen zu können. Der Hochstein konnte als Erlebnisberg weiterentwickelt werden, sodass im Sommer ein deutlich positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann. Das Zettersfeld ist im Winter die Haupteinnahmequelle bzw. nimmt den größten Teil am Jahresumsatz ein. In Lienz gilt es, den Hochstein und das Zettersfeld weiter zu optimieren, sodass die Lebensfähigkeit der LBB weiter gestärkt wird. Momentan sind wir mit der Konzessionsverlängerung am Zettersfeld beschäftigt. Das Projekt Skischaukel Sillian-Sexten ist schon länger ein wichtiges Thema und sollte, wie ich hoffe, endlich zur Umsetzung gelangen. Es ist bewundernswert, welch langen Atem die Schultz-Gruppe diesbezüglich schon bewiesen hat. Die Realisierung dieses Schlüsselprojektes würde den gesamten Osttiroler Wintertourismus aufwerten und dem Pustertal einen wichtigen Investitionsschub bringen.

Welche Bedeutung messen Sie dem Nationalpark Hohe Tauern, dem Natura 2000-Gebiet und generell einem naturnahen Tourismus für die unmittelbare und zukünftige Entwicklung der Tourismusdestination Osttirol zu?

Osttirol hat sich schon seit Jahren dem Naturtourismus verschrieben und das ist gut so! Den Nationalpark sehe ich in diesem Zusammenhang als ein Qualitätssiegel und Alleinstellungsmerkmal im Tiroler Tourismus, welches es noch stärker hervorzuheben gilt. Zuletzt ist es uns im Umfeld von „Natura 2000“ gelungen, das Projekt „Iseltrail“ umsetzen, welches einen in dieser Form nicht zu erwartenden großen Effekt erzielt hat. Das Land Tirol hat gemeinsam mit der Tirol Werbung den „Neuen Tiroler Weg“ definiert. Dieser zielt sehr stark auf einen künftigen Naturtourismus ab. Ich glaube, dass Osttirol hier einen großen Vorteil hat, weil wir uns das „vermeintlich Versäumte“ bewahren können. In Nordtirol hat man sehr viel Infrastruktur und Bettenkapazitäten geschaffen, wodurch ein Zurücknehmen der Frequenzen und der Naturbelastung nur schwer möglich sein wird. Wir werden im neuen Aufsichtsrat und Vorstand in den nächsten Monaten ein Strategiepapier erarbeiten, welches mit Sicherheit eine vorsichtige und schonende Inwertsetzung unserer Naturlandschaft zum Inhalt haben wird. Unser Wert liegt in der unberührten Natur und das sollte uns allen immer stärker bewusst werden!

Der frühere Tiroler Landeshauptmann Günter Platter hat dem Bezirk Lienz ein sogenanntes „Hotelsonderförderungspaket“ in Aussicht gestellt. Welche Anstrengungen werden unternommen, um dieses Programm einzufordern?

Als touristisches Sonderfördergebiet und als jene Region in Tirol, welche die geringste Bettendichte aufweist, lag es auf der Hand, dass wir uns gemeinsam mit der Wirtschaftskammer um die Förderung einer „Qualitätsbettenoffensive“ bemüht haben. Dies ist uns auch mit gemeinsamen Anstrengungen gelungen. Landeshauptmann Platter hat vor drei Jahren ein Osttirol-Paket geschnürt, das über einen Zeitraum von über fünf Jahren 18 Millionen Euro an Förderungen nach Osttirol hätte fließen lassen sollen. Leider ist dieses hoffnungsvolle Förderprogramm einem Qualitätsbettenstopp für ganz Tirol zum Opfer gefallen. Nicht einmal 1 Million Euro von den zugesagten 18 Millionen Euro konnte ausgeschöpft werden, obwohl viele Qualitätsbettenprojekte in der Antragsphase standen. Nachdem Osttirol nach wie vor als regionales Sonderfördergebiet ausgewiesen wird und wir im Bezirk lediglich über 3.100 Vier- und Fünfsternbetten verfügen, ist ein entsprechender Nachholbedarf nach wie vor gegeben. Vergleichsweise verfügt der Bezirk Landeck über 18.500 Vier- und Fünfsternbetten. Dass wir in Osttirol nicht auf den Massentourismus abzielen, haben wir schon mehrfach bekundet. An die 5.000 Qualitätsbetten würden jedoch unserem wirtschaftlichen Fortkommen sehr dienlich sein. Daher sind hier die Wirtschaftskammer, die Regionalpolitiker und wir im Tourismus sehr gefordert, im Land ein neues Förderpaket zu erwirken.

Welche Rolle wird bzw. sollte der Tourismus in der Weiterentwicklung des Zukunftsraumes Osttirol spielen? Welche Visionen verfolgen Sie bzw. verfolgt man diesbezüglich von Seiten des Tourismusverbandes?

Der Tourismus im Bezirk spielt schon seit den 60er-Jahren eine zentrale Rolle im Wirtschaftskreislauf. Zuletzt hat sich auch die Industrie stark weiterentwickelt und damit aber – indirekt – einen Arbeitskräftemangel für die Gastronomie und Hotellerie nach sich gezogen. Hier sehe ich in nächster Zeit Konsolidierungsansätze. Als besonders wichtig erachte ich es, dass wir in unseren wunderbaren Tälern die sogenannte Landflucht unterbinden bzw. Anreize schaffen, dass vor allem die jungen Menschen nicht abwandern. Osttirol hat an die 1.500 Landwirtschaftsbetriebe, deren Existenz durch einen Zuerwerb im Tourismus gestärkt werden kann. Diesbezüglich gilt es, auch Maßnahmen zu setzen, um die Entwicklung für „Urlaub am Bauernhof“ weiter zu forcieren. Der Verein „Urlaub am Bauernhof“ ist äußerst aktiv und wir pflegen eine sehr gute Zusammenarbeit. Dennoch benötigt es Anreize von außen! Angesprochen auf Visionen, möchte ich folgende Eckpfeiler nennen: den Naturraum als höchstes Gut zu definieren, die Anzahl der Qualitätsbetten weiter zu erhöhen, die touristische Wertschöpfung weiter zu steigern und vor allem auch die nächste Generation auf diese Ziele einzuschwören!

Danke für das Gespräch!

 

Text: J. Hilgartner, Fotos: © Peter Maier, Martin Lugger

13. April 2024 um