Nationalpark Hohe Tauern: Gibt es heuer bei den Bartgeiern wieder Nachwuchs?

5 Bartgeier-Paare, die möglicherweise zur Brut hätten schreiten können, zählte man im Herbst 2019 in Österreich. Auch im Gschlößtal und in Prägraten a.G. ziehen 2 Paare ihre Kreise.

Bartgeier gehören wohl zu den eindrucksvollsten Tieren im Nationalpark Hohe Tauern. Die Wiederansiedlung dieser imposanten Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,9 Metern hat 1986 im Rauriser Krumltal begonnen. „Auch in Österreich wurden im Rahmen dieses alpenweiten Wiederansiedlungsprojektes immer wieder Bartgeier ausgewildert, zwölf davon in Osttirol. Neben Freilassungen im Gschlöß- und Debanttal mit jeweils zwei Tieren gelangten in Kals am Großglockner acht Tiere zur Aussetzung“, berichtet Gunther Gressmann, der im Tiroler Anteil des Nationalparks Hohe Tauern seit dem Jahre 2002 für das Naturraummanagement verantwortlich zeichnet.

 

Auch bei Führungen beeindruckt die Größe des Bartgeiers immer wieder. Foto: NPHT/Helene Mattersberger

 

Der Bartgeier war lange Zeit als gefährlicher Beutegreifer verrufen. Er wurde intensiv verfolgt, bis er zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Alpen gänzlich verschwand. „Dank des Wiederansiedlungsprojektes ist dieser imposante Alpenbewohner wieder bei uns heimisch. Es wurde versucht, das falsche Bild durch Aufklärungsarbeit zu korrigieren. Bartgeier sind Aasfresser. Ihre Ernährung besteht größtenteils aus Knochen, aber auch aus Nachgeburten und Aufbrüchen“, informiert der Wildökologe.

Im letzten Herbst waren in Österreich fünf Paare unterwegs, die zur Brut hätten schreiten können. „Ein Paar im Lechtal hat schon 2019 erfolgreich gebrütet, und auch für heuer schaut es nicht schlecht aus. Ein Jungvogel sitzt erneut im Nest. Je ein Paar am Katschberg und im Krumltal, einem Seitental des Raurisertales, brütet schon mehrere Jahre erfolgreich. Das Männchen des Katschberger Paares ist übrigens Hubertus 2. Dieses Tier wurde 2004 zusammen mit Bartgeier Toto im Kalser Ködnitztal freigelassen“, so Gressmann.

 

Am Beobachtungsstand können freigelassene Bartgeier in den ersten Wochen auch von Kindern und Jugendlichen beobachtet werden. Foto: NPHT/Archiv

 

Der Wildökologe erzählt, dass Bartgeier üblicherweise nicht selbst Horste bauen, sondern fast immer bestehende Steinadler-Horste übernehmen und diese für die Brut zurechtrichten. „Das Paar im Gschlößtal in Matrei hat zwar an einem Horst gearbeitet, zur Brut geschritten ist es aber nicht. Geschlecht und Identität dieser Vögel sind derzeit etwas unklar. Auch bei den beiden Bartgeiern im Bereich Prägraten am Großvenediger wissen wir nicht, um welche Tiere es sich handelt. 2019 haben diese Vögel einen Brutversuch gestartet, der gescheitert ist. Heuer haben sie die Brut leider vorzeitig aufgegeben.“

Eine intensive Horst-Bauphase findet bereits im Herbst statt. „Grundsätzlich muss es aber nicht unbedingt ein Horst sein, wo die Vögel später brüten. Zwei Eier legen die Weibchen im Abstand von ein paar Tagen ab. Der früheste in den Alpen bekannte Eiablage-Termin ist Ende Dezember. Üblicherweise legen Bartgeier im Freiland bis spätestens Mitte März ihre Eier ab. Durchschnittlich wird 54 Tage gebrütet. Bei der Bebrütung der Eier wechseln sich Weibchen und Männchen ab. Nur in den letzten Tagen vor dem Schlüpfen ist das Weibchen stärker im Horst vertreten“, weiß Gressmann zu berichten.

 

Foto: Michael Knollseisen

 

Der Jungvogel hält sich nach dem Schlüpfen knapp drei Monate im Horst auf und fliegt dann aus. „Immer wieder hat es bei diesem ersten Ausfliegen den Anschein, als ob der junge Bartgeier überfordert ist und wieder in den Horst zurück möchte. Eine besondere Herausforderung ist die erste Landung. In den ersten Tagen hält sich der junge Vogel meist am Boden auf und beginnt erst nach und nach, die Flughäufigkeit zu steigern“, berichtet Gunther Gressmann.

 

Monitoring – Sichtbeobachtungen – Bartgeier-Beobachtungstage

Das Monitoring erfolgt mit unterschiedlichen Methoden. Wesentliche Bestandteile der Überwachung sind individuelle Markierungen und Fußringe bei freigelassenen Tieren, die gezielte Beobachtung von Brutpaaren, das genetische Monitoring und die Überwachung von Bartgeiern mit Satellitensendern.

Durch die Meldung von Beobachtungen erhält man wertvolle Informationen zum Verbleib der Tiere. Auch Meldungen von Tieren ohne Markierungen geben Hinweise zur Verbreitung und Häufigkeit von Bartgeiern. Fotos sind dabei besonders hilfreich.

Jeden Herbst werden im gesamten Alpenraum die Internationalen Bartgeier-Beobachtungstage durchgeführt. Mehrere hundert Freiwillige helfen dabei mit, die Bestandsentwicklung der Bartgeierpopulation zu erfassen.

Wenn Sie Bartgeier in der Natur beobachten, melden Sie diese dem Nationalpark Hohe Tauern bitte unter beobachtung@gmx.at.

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: NPHT/Martin Lugger, Michael Knollseisen, Helene Mattersberger

19. Juni 2020 um