Metzgermeister Andreas Ortner: „Es braucht mehr Respekt gegenüber allen Lebewesen!“

Wir sprachen mit dem Unternehmer über Agrarfabriken, über die Zustände bei Deutschlands größtem Fleischverarbeiter Tönnies und über die Produktion in seinem Betrieb.

Der Sillianer Andreas Ortner betreibt die 1934 gegründete Metzgerei in dritter Generation. 1994 hat er den Betrieb von seinem Vater übernommen. Bereits 1987 wurde mit dem Speck-Eck der erste Schritt in die Bezirkshauptstadt Lienz gesetzt. „1997 eröffneten wir ein Fleischerfachgeschäft mit Restaurant im City-Center und 2000 das Tiroler-Eck am Südtirolerplatz in Lienz. Das Hauptgeschäft in Sillian unterzogen wir im Vorjahr einem ,Facelifting‘. Neben unserem Fachgeschäft steht dort nun auch die ,Metzger’s Kuchl‘ mit über 50 Sitzplätzen zur Verfügung“, so Ortner. Ein wichtiger Teil des Unternehmens sei die Produktion in Sillian. „Wir beschäftigen dort acht Metzger, davon zwei Lehrlinge. Insgesamt sind an unseren Standorten in Sillian und Lienz 40 MitarbeiterInnen beschäftigt, einige davon in Teilzeit.“

 

Zum Verkaufspersonal gehören in der Metzgerei Ortner auch Köchinnen und Köche. Sie können in den Geschäften direkt Tipps zur Auswahl und zur Verarbeitung des Fleisches geben. Foto: Martin Lugger

 

Besonders wichtig ist Andreas Ortner die Zusammenarbeit mit heimischen Bauern. Rund 750 Tiere aus Osttirol werden pro Jahr in Sillian verarbeitet. „Rind-, Kalb- und Lammfleisch beziehen wir ausschließlich von Landwirten aus dem Bezirk. Im Schnitt verarbeiten wir je fünf Rinder, Kälber und Lämmer pro Woche – pro Jahr also rund 750 Tiere. Der Schlachthof im Mölltal ist Dienstleister für uns. Wir holen die Tiere vom Bauernhof ab und transportieren sie nach Flattach. Die geschlachteten Tiere werden dann in Hälften oder Vierteln nach Sillian in die Produktion geliefert. Unsere Metzger zerlegen sie fachmännisch. Für jedes Rind, Kalb und Lamm wird ein Zerlegeprotokoll angefertigt. So ist die Herkunft jedes Fleischstückes rückverfolgbar“, beschreibt der Metzgermeister den Produktionsvorgang.

 

Die im Vorjahr neu gestaltete Imbiss-Stube „Metzger’s Kuchl“ in Sillian. Foto: Martin Ortner

 

Das Rindfleisch stammt ausschließlich vom Osttiroler Ochs bzw. von der Osttiroler Kalbin. Bauern von Virgen bis Innervillgraten und von Nikolsdorf bis Matrei liefern Tiere für die Metzgerei Ortner. Von Osttiroler Milchkälbern stammt das Kalbfleisch, die Sillianer Landwirte Gottfried Walder und Josef Tempele sind die Hauptlieferanten. „Das Lammfleisch liefert uns Gottfried Walder aus Strassen. Unser Schweinefleisch stammt von ausgesuchten Betrieben in Oberösterreich. Seit Kurzem kaufen wir Schweine auch vom Unterbacherhof der Familie Fercher in Stall im Mölltal. Wildhendl-Fleisch beziehen wir vom Häusleithof der Familie Girstmair aus Lienz/Patriasdorf und Puten aus dem Lavanttal in Kärnten. Reh-, Gams- und Hirschfleisch liefern uns zur Jagdsaison Jäger aus Osttirol bzw. aus anderen Teilen Österreichs.“

 

Andreas Ortner mit seiner Belegschaft im Fleischerfachgeschäft im City-Center in Lienz. Foto: MeisterMetzger Ortner

 

Der Respekt gegenüber allen Lebewesen und gegenüber der Umwelt liegt dem Sillianer Unternehmer besonders am Herzen. „Der mangelnde Respekt gegenüber Mensch und Tier ist nichts Neues, wird aber jetzt durch die Corona-Infektionen in Deutschlands größter Fleischfabrik Tönnies besonders offensichtlich“, so Ortner. Mit Stand 23. Juni waren bei der Firma Tönnies im Landkreis Gütersloh 1.553 Personen mit Covid-19 infiziert. Mehr als 9.000 Mitarbeiter beschäftigt der Fleischproduzent. „Nicht umsonst ist diese Firma wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in die Kritik geraten. Die Arbeitskosten werden niedrigst gehalten, die Gastarbeiter aus Rumänien und Bulgarien sind großteils über Werkverträge beschäftigt. Auch die Verhältnisse in den Unterkünften sind prekär“, so der Metzgermeister.

 

„Das Beste aus der Region!“, „Esst weniger Fleisch, dafür aber gutes – von unseren heimischen Bauern“ und „Schau, wo Dein Essen herkommt“ sind Andreas Ortners Botschaften, um das Bewusstsein für heimische Lebensmittel zu schärfen.  Foto: MeisterMetzger Ortner

 

Auch in den den großen Agrarfabriken – speziell im Osten Deutschlands – laufe einiges schief. „Hier wurden und werden große Flächen an in- und ausländische Konzerne und Investoren verkauft, die dort Schweinemast mit bis zu 20.000 Tieren betreiben. Diese großen Firmen brauchen an der Fleischproduktion nicht einmal zu verdienen, denn sie erzielen ihre Gewinne durch die EU-Förderung für die Bewirtschaftung der großen Flächen. Das macht unseren Kleinbauern zusätzlich zu schaffen. Immer mehr hören auf – auch bei uns. Gott sei Dank gibt es noch einige Idealisten, die in Richtung nachhaltige Landwirtschaft gehen.“

 

Das Hauptgeschäft in Sillian wurde 2019 einem „Facelifting“ unterzogen. Foto: Martin Lugger

 

Andreas Ortner sieht sich und seinen Betrieb in einem Boot mit den regionalen Landwirten. „In unserer kleinstrukturierten Landwirtschaft wird noch Kreislaufwirtschaft im besten Sinne betrieben. Die Rinder, Schweine und Kälber leben am Hof, und auch das Futter kommt aus eigener Produktion. Große Agrarfabriken importieren das Futter z.B. aus Südamerika. Dort werden Monokulturen – z.B. für Raps – geschaffen, für die weite Teile des Regenwaldes abgeholzt werden. Auch bei uns in Österreich gibt es leider immer mehr solche Monokulturen. Ich hoffe, dass durch Corona auch in diesem Bereich ein Umdenken stattfindet“, so Ortner.

Abschließend kommt der Sillianer Metzgermeister noch auf die Tiertransporte in den Nahen Osten zu sprechen, die im letzten Jahr über die Medien bekannt geworden sind. „Die Tiere wurden von Tirol in den Nahen Osten transportiert und dort teilweise schwer misshandelt. Solche Vorgänge müssen wir in Zukunft unbedingt verhindern. Am besten wäre, Lebendtiere nur mehr über kürzere Strecken innerhalb Europas zu  transportieren. Wir müssten als Tiroler doch in der Lage sein, die Tiere im eigenen Land zu behalten und hier zu veredeln“, hält Andreas Ortner abschließend fest.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Brunner Images, Martin Lugger, MeisterMetzger Ortner

23. Juni 2020 um