Kreislaufwirtschaft: „Es braucht praxisnähere Lösungen!“

Lukas Rossbacher, Geschäftsführer der Rossbacher Handels GmbH, gibt einen Einblick hinter die Kulissen der Abfallwirtschaft. 

Die Abfallwirtschaft sieht sich in ihrem Bestreben, ökologischer zu werden, mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Dafür wird es, so Lukas Rossbacher, neben besserer Infrastruktur und günstigeren Rahmenbedingungen auch Entscheidungen brauchen, die nicht immer bequem sind. Im folgenden Interview nimmt er unter anderem auf Recyclingquote, Einwegpfand und auf das sehr strenge Abfallwirtschaftsgesetz in Österreich Bezug, wobei er letzteres als „Hemmschuh“ für die Kreislaufwirtschaft bezeichnet.

Herr Rossbacher, wie sehen Sie die aktuellen politischen Rahmenbedingungen für die Abfallwirtschaft im Allgemeinen und Speziellen in unserer Region?

Manche Ideen sind durchaus gut und umsetzbar, manche leider praxisfern und daher in der Umsetzung schwierig bis unmöglich. EU-Verordnungen, die in nationales Recht gegossen werden müssen, hätte man in der Vergangenheit besser und eleganter gestalten können. Der verpflichtende Abfalltransport per Bahn, auch als „Müll fährt Bahn“ bekannt, entspricht einem Bahnzwang. Es geht dabei darum, dass Abfall ab einer Menge von 10 Tonnen und mehr als 300 km Distanz – das betrifft uns in Osttirol bei so gut wie allen Sorten – nur mehr per Bahn transportiert werden darf. Der alpine Raum Westösterreichs ist davon stärker betroffen als Ostösterreich, weil tendenziell alles in den Osten transportiert wird, wo es die entsprechenden industriellen Großanlagen zur Weiterverarbeitung der Abfälle gibt. Wir haben hier als eines von wenigen Unternehmen im Bezirk einen Gleisanschluss und dennoch ist der Transport per Bahn kaum praktikabel – und von den Kosten ganz zu schweigen. Die Grundidee, mehr auf der Schiene zu transportieren, ist gut. Es gibt immer weniger LKW-Fahrer, es wird schwieriger, die entsprechenden Mengen zu liefern und die Abnehmer setzen vermehrt auf die Schiene. Es braucht aber bessere Lösungen, um genau dies zu ermöglichen. Dafür müssen alle Player gleichermaßen in die Pflicht genommen werden. Die Minimaldistanz für den verpflichtenden Schienentransport soll bald von 300 auf 100 Kilometer reduziert werden. Dann müsste der Abfall schon auf Strecken Lienz – Villach auf die Schiene, obwohl der Bahntransport bisher nicht einmal zwischen Lienz und Wels richtig funktioniert.

Ihre Hauptkritik liegt also in der Praxisferne bestehender Regelungen?

ahrheit haben wir es mit „totem Recht“ zu tun. Alle, auch wir, sind gefordert, ihre Bahnanschlüsse auszubauen. Wir haben hier rd. 550 Meter an Gleisanlagen am Gelände, wir bräuchten aber einige Hundert Meter mehr, um die Abfälle auf der Schiene praktikabel und kostenverträglich transportieren zu können. Es müssten sämtliche Flaschenhälse beseitigt werden, damit der Bahntransport in der gesetzlich geforderten Kapazität auch tatsächlich funktionieren kann. Es braucht mehr Angebot, mehr und flexiblere Wageneinheiten sowie pro Bundesland zwei Logistik-Hubs. Zusammengefasst: Umfassende Investitionen in die Infrastruktur sind notwendig – und zwar von allen Seiten!

Wäre hier die öffentliche Hand gefragt?

Teils, teils. Es ist sowohl die öffentliche Hand gefordert, entsprechend in die öffentliche Infrastruktur zu investieren, als auch private Unternehmen wie wir, um die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen. Dazu sind wir grundsätzlich bereit. Wir könnten hier am Standort einen solchen Hub bauen. Es braucht aber beide Seiten, um den Abfall auf die Schiene zu bringen.

Wie beurteilt die Abfallwirtschaft das Bestreben, das lineare Wirtschaftssystem soweit möglich in eine Kreislaufwirtschaft umzubauen?

Die Abfallwirtschaft ist wahrscheinlich jene Branche, in der mit dem geringsten finanziellen Aufwand am meisten Einsparungen – etwa bei den Emissionen – erzielen kann. Das Einsparungspotenzial beginnt aber schon viel früher, beim Bürger. Dieser scheint gewillt, mitzumachen. Das zeigt das bereits heute im globalen Vergleich sehr hohe Niveau bei der Mülltrennung. Das Problembewusstsein ist durchaus vorhanden und nicht umsonst gibt es in Österreich einige Weltmarktführer in der Produktion von Recyclingtechnik, z.B. Lindner Recyclingtech im benachbarten Spittal. Wir haben sehr gute Voraussetzungen, im Bereich Recycling noch mehr zu machen. Am Land ist die diesbezügliche Moral höher als in der Bundeshauptstadt mit ihren zwei Millionen Einwohnern, wo es eine öffentliche Müllabfuhr und große Müllverbrennungsanlagen gibt. Dort hätte man den größten Hebel, etwas zu bewegen.

Lässt sich die bereits hohe Recyclingquote noch signifikant steigern?

Das schlechteste Image hat der Kunststoff, dessen Segen und Fluch zugleich seine ungeheure Vielseitigkeit ist. Wir verfügen hier über eine von nur zwei Sortieranlagen in Südösterreich. In diese werden wir weiterhin investieren, um die Quote zu erhöhen. Das geht aber nur bis zu einer gewissen Grenze, weil viele Kunststoff-Verpackungsprodukte ganz einfach nicht recycelbar sind.

Kann ein Laie erkennen, ob eine Kunststoffverpackung recyclingfähig ist oder nicht?

Nein, das ist nicht möglich.

Ist das nicht ein Problem?
Ja, aber auch hier hätte es die Politik in der Hand, die Bedingungen zu verändern. Bei der Altstoff Recycling Austria (ARA) bezahlen Unternehmen für ihre Verpackungen eine gewisse Lizenzgebühr. Diese könnte man in einer Art Bonus-Malus-System staffeln, je nachdem, ob sich die Verpackung recyceln lässt oder eben nicht. Ist eine Verpackung nicht recycelbar, ist sie in Wahrheit Müll und sollte entsprechend teurer sein als eine recyclingfähige Verpackung. In der Marktwirtschaft lässt sich vieles über den Preis steuern. Der Endkonsument kann das nicht sehen und muss es auch nicht!

Sollten Verpackungen nicht klar erkennbar gekennzeichnet werden?

Das ist nicht so einfach. Ein großes Problem stellen beispielsweise Verpackungen dar, die zu Teilen aus Karton und Kunststoff bestehen. Eine handelsübliche Käse- oder Wurstverpackung, um ein weiteres Beispiel zu nennen, ist in der Regel nicht recycelbar, weil sie ein Multilayer ist, also aus verschiedenen Kunststoffen besteht.

Das weiß aber kaum jemand…

Das sollte man dem Bürger auch gar nicht aufbürden, weil dieses Problem in erster Linie die Industrie zu lösen hat. Lebensmittelproduzenten stehen aber vor der Herausforderung, dass bei einer sortenreinen Kunststoffverpackung die Haltbarkeit kürzer wird. Und Haltbarkeit geht für Produzenten nun einmal – und das verstehe ich auch – vor Recyclingfähigkeit. Aber es ist ein Dilemma! Es braucht eine Verpackung, die den unterschiedlichen Anforderungen – Recyclingfähigkeit, Haltbarkeit, Optik – besser gerecht wird. Wenn das alles besser zusammenspielt, ist vieles möglich. Der politische Anspruch ist es, dass die Kunststoff-Recyclingquote auf über 50 Prozent steigen soll. Wir liegen hier derzeit bei ungefähr 36 Prozent. Ohne eine Änderung im Verpackungsdesign sind die 50 Prozent kaum zu erreichen!

Ab 1. Jänner 2025 soll Österreich das Einwegpfand kommen. Was halten Sie davon?

Das ist eine Alibi-Geschichte. PET-Recycling funktioniert weltweit, ganz einfach deshalb, weil es dafür immer einen Markt gibt. PET ist ein verhältnismäßig wertvoller Kunststoff. Durch diese Maßnahme lässt sich die Menge der PET-Flaschen, die recycelt werden, zwar sicher steigern, die Frage ist aber, ob der notwendige Aufwand in einer vernünftigen Relation zu den Kosten steht. Noch einmal: Das größte Problem sind die Verbundkunststoffe, die mengenmäßig die PET-Flaschen bei weitem übertreffen!

Wie erfolgt das Sortieren – überwiegend manuell oder rein maschinell, also automatisiert?

In Enns wird derzeit eine automatisierte Großanlage gebaut. Um eine solche wirtschaftlich betreiben zu können, braucht es ein Einzugsgebiet von ungefähr vier Millionen Menschen. Das ist bei uns im Westen in dieser Größenordnung nicht möglich. Die größte Herausforderung ist also letztlich wieder logistischer Natur.

Recyclate sind nicht gleichwertig mit neu produzierten Kunststoffen. Wie wirkt sich dies aus?

Dieses Problem bedarf einer europäischen Lösung und zwar über eine Mindestquote an Recyclat, das verpflichtend beigemischt werden muss. Derzeit ist es so: Wenn die Wirtschaft nicht auf Hochtouren läuft, bricht der Markt für Recyclate ein und die Recyclingindustrie bleibt auf ihrem Produkt sitzen. Dieser Rattenschwanz zieht sich bis zu den Unternehmen der Abfallwirtschaft durch und die Preise für Kunststoffe brechen ein. Recyclingrohstoffe müssten deutlich günstiger als Primärrohstoffe sein, damit Unternehmen sie tatsächlich verarbeiten wollen. Ehrlicherweise ist Recycling heute noch weit überwiegend „Downcycling“.

Der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ suggeriert etwas, das physikalisch zu hundert Prozent gar nicht möglich ist. Wie sehen Sie das?

Umgangssprachlich ist diese Unschärfe sicher in Ordnung, ganz korrekt ist sie nicht. Im Recyclingprozess wird es immer Verluste und zusätzliche energieintensive Verarbeitungsschritte geben. Das ist bei Metallen wie Kupfer natürlich anders als bei Kunststoffen, die nach mehrmaligem Recycling sukzessive ihre Eigenschaften verlieren und irgendwann thermisch verwertet werden müssen. Fakt ist, dass dem Recycling physikalische Grenzen gesetzt sind. Wir haben in Österreich heimliche Weltmarktführer im Bereich der Spanplattenproduktion. Das zeigt, dass Holzrecycling bei uns auf sehr hohem Niveau funktioniert und die Unternehmen versuchen, ihren Primärrohstoffeinsatz kontinuierlich zu reduzieren. Das Altholzrecycling ist eine österreichische Erfolgsgeschichte der letzten 20 Jahre, die die Umwelt eindeutig schont.

Sie bezeichnen die strenge Abfallwirtschaftsgesetz als einen Hemmschuh der Kreislaufwirtschaft. Was meinen Sie konkret damit?

Es mag eine gute Idee sein, aus Abfällen ein anderes Produkt zu machen, aber sobald etwas einmal als Abfall bezeichnet wird, werden die Spielräume sehr eng. Es kommen immer mehr Vorschriften dazu, aber nie fallen Reglementierungen weg.

Generell muss man sich also mit dem Gedanken anfreunden, dass viele Dinge in der Abfallwirtschaft bei näherem Hinsehen ambivalent sind und sich manche Zielkonflikte nicht hundertprozentig auflösen lassen?

So ist es. Und auch die sogenannten bio-basierten Kunststoffe werden nicht das Allheilmittel sein. Das Hauptproblem ist der Verbundkunststoff, und zwar tatsächlich deshalb, weil er etwa dem Zielkonflikt zwischen Haltbarkeit und Recyclingfähigkeit unterliegt. Das ist aber noch nicht der einzige Zielkonflikt. Um den Abfall im großen Stil auf die Schiene zu bringen, braucht es Hubs. Diese fungieren als Zwischenlager. Und dafür braucht es Flächen, die – so schreibt es das Gesetz vor – asphaltiert, also versiegelt werden müssen. Wir brauchen also eine wesentlich bessere Logistik, und da sind wir wieder beim Investitionsbedarf in der öffentlichen Infrastruktur, oder bei der Frage von wesentlich mehr Fläche. Und diese Flächen sind vor allem in Westösterreich rar. Man muss akzeptieren, dass nicht immer alles so einfach ist, wie es auf den ersten Blick scheint.

Wie sehen Sie Ihre Rolle in einer Circular Economy?

Wir sind in erster Linie Sammler, Sortierbetrieb und Aufarbeiter. Wir fungieren auch als Puffer zwischen Abfallstelle und Industrie. Deshalb müssen wir Anlagen – und natürlich zunehmend auch Flächen – zur Verfügung stellen, damit sich dieser Kreis schließen lässt.

Danke für das Gespräch!

 

Fotos: © Rossbacher

25. Oktober 2023 um