Die Zukunft des Handwerks in Zeiten des digitalen Wandels

„Unser Handwerk hat Zukunft“, ist sich der Osttiroler Unternehmer Friedrich Wieser, der sich auch in der Bezirksinnung der Bau- und Möbeltischlereien engagiert, sicher.

Wir haben uns mit Friedrich Wieser, seit 1998 Firmenchef der Bau- und Möbeltischlerei Wieser mit Sitz in Strassen, über die Bedeutung von Familienbetrieben, über die Rolle des Bau- und Werkstoffes Holz und die Frage unterhalten, wie er persönlich in die Zukunft blickt.

 

 

Herr Wieser, die Bau- und Möbeltischlerei Wieser gibt es nun seit 60 Jahren. Wo liegen für Sie die Vorzüge eines familiengeführten Unternehmens?

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Familienbetriebe mit den unterschiedlichsten Vorteilen punkten können. Dazu gehört, dass sie zumeist auf eine langfristige Perspektive aufbauen und nach Kontinuität streben. Familiengeführte Firmen können oft sehr flexibel agieren und rasch auf Marktveränderungen reagieren. Hinzu kommt, dass sie eine starke Unternehmenskultur aufweisen, die auf gemeinsamen Werten und Traditionen fußt und die Grundlage für eine engere Bindung der Mitarbeiter:innen an die Firma sowie für einen stärken Zusammenhalt im Team bildet. Familienunternehmen legen großen Wert auf langfristige Beziehungen zu Kunden und Lieferanten. Sie sind meist eng mit lokalen Gemeinschaften verbunden und setzen sich für nachhaltiges Wirtschaften und soziale Verantwortung ein. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass familiengeführte Firmen oft sehr langfristig erfolgreich sind und einen wichtigen Beitrag zu Wirtschaft und Gesellschaft leisten.

Sie haben eingangs betont, dass Sie davon überzeugt sind, dass das Handwerk auch in Zeiten des digitalen Wandels Zukunft hat. Können Sie dies näher ausführen?

Das Handwerk ist so vielseitig wie das Leben um uns herum. Handwerk schafft Werte und Unikate, die sich von massengefertigten Produkten deutlich abheben. Die Arbeit ist sinnstiftend und motiviert nach wie vor auch sehr viele junge Menschen, handwerklich tätig zu sein. Im Handwerk steht weiters auch der persönliche Kontakt zu den Kund:innen im Vordergrund. Die besondere Individualität und Detailgenauigkeit können trotz automatisierter Prozesse nicht zur Gänze repliziert werden, was dem Handwerk einen entscheidenden Vorteil auch für die Zukunft verschafft. Handwerker setzen auf nachhaltige Materialien und Produktionsverfahren, was sowohl ökologisch als auch sozial verantwortungsbewusste Verbraucher anspricht. Das Handwerk steht auch in Verbindung mit Kreativität, die Raum für Innovation und Experimente bietet. Die moderne Technik wird, wie ich meine, den Handwerker auch in Zukunft nicht verdrängen können, sondern vielmehr seine Arbeit effizienter gestalten und damit unterstützen.

Das heißt, der Faktor Mensch wird auch künftig eine entscheidende Rolle spielen?

Für mich bleibt der wichtigste Faktor im Handwerk noch immer der Mensch, unabhängig davon, wie weit und hoch sich künstliche Intelligenzen und moderne Techniken weiterentwickeln werden. Wenn ich dies für den Bereich spezifiziere, in dem unser Betrieb tätig ist, dann heißt das für mich, dass der Wert, den ein Möbelstück hat, emotional wie auch fertigungstechnisch, wenngleich immer unterstützt durch moderne Technik, schlussendlich nur von Menschen geschaffen werden kann. Dieser Mehrwert lässt sich  nicht immer messen und exakt darstellen, aber hier geht es einfach um den ganz besonderen Produktcharakter.

Sie haben zuletzt in die Modernisierung Ihrer Bau- und Möbeltischlerei investiert. Was wurde umgesetzt?

Für uns war das Um- und Ausbauprojekt, das wir 2023 gestartet haben und Anfang 2024 abschließen konnten, eine wichtige Zukunftsentscheidung. Unser Handwerk ist gefragt und wird von vielen Architekturbüros ebenso wie im Privatkundenbereich sehr geschätzt. Natürlich ist es aber wichtig, dass man das Handwerk als Unternehmen auch wirtschaftlich und rationell ausüben kann. Dafür sind neben gut ausgebildeten und motivierten Fachkräften selbstverständlich auch moderne Maschinen und Techniken erforderlich. Aus diesem Grund haben wir im Betrieb ein modernes Bearbeitungszentrum installiert, in dem beispielsweise viele Fräs- und Schneidearbeiten, die früher nur händisch ausgeführt werden konnten, nun automatisiert ablaufen. Wir wollen damit keinen Mitarbeiter durch eine Maschine ersetzen, sondern vielmehr die Technik dort einsetzen, wo sie unserem Team grundsätzlich routinemäßige Schritte abnehmen kann. Dies gewährleistet letztendlich auch jene Wirtschaftlichkeit, die nötig ist, um trotz Ausübung des traditionellen Handwerkes am Markt konkurrenzfähig bleiben zu können. Eine weitere Neuerung im Betrieb ist eine moderne Spritzanlage, die es möglich macht, dass wir auf umweltschonendere Lacksysteme umstellen und gleichzeitig unseren Energieverbrauch minimieren können.

Wie wichtig sind für Betriebe wie den Ihren Aufträge aus der Tourismuswirtschaft?

Der Tourismus ist ein sehr wichtiger Auftraggeber. Ich glaube, dass dies nicht nur für die Tischlereibranche, sondern generell für viele Handwerksunternehmen in Osttirol gilt. Gerade in Osttirol gibt es sehr viele familiengeführte Gastronomie- und Hotelleriebetriebe, die regional denken und handeln. Wenn die Nächtigungszahlen und die Wertschöpfung stimmen, investieren diese auch kontinuierlich in modernen Komfort, in Qualität und Individualität, was letztendlich dann wieder uns als ausführenden Handwerkern zugutekommt.

Welche Rolle spielen die Privatkunden?

Privatpersonen sind nach wie vor Auftraggeber, auf die wir zählen dürfen. Natürlich sprechen wir heute nicht mehr von einer derart hohen Nachfrage wie etwa während der Coronajahre, was den internationalen Krisen, den Lieferschwierigkeiten und vor allem der enormen Teuerung geschuldet ist. Der private Hausbau ist eingebrochen und vielen ist es nicht mehr möglich, sich ein Einfamilienhaus zu bauen und damit Eigentum zu schaffen. Dafür gewinnt aber der Bereich der Renovierung von Altbestands-Objekten bzw. die Aufstockung bestehender Gebäude zunehmend an Bedeutung. Gerade hier sehr ich für das Osttiroler Handwerk auch in Zukunft große Chancen.

 

 

Wie beurteilen Sie die Bedeutung des Roh- und Werkstoffes Holz für den Bezirk Lienz?

Die Holzwirtschaft in all ihren Bereichen spielt in Osttirol seit jeher eine sehr wichtige Rolle. Für unsere Bau- und Möbeltischlerei ist Holz natürlich der entscheidende Roh- und  Werkstoff, wobei wir bestrebt sind, den Großteil direkt aus der Region zu beziehen. Aus eigener Erfahrung kann ich die Vorteile des „Alleskönners“ Holz im Bereich Bauen und Wohnen nur herausstreichen. Natürlich ist der heimische Wald derzeit durch den Borkenkäfer enorm beschädigt. Trotzdem verfügen wir im Bezirk Lienz mit einer grundsätzlich intakten Natur und der entsprechenden Höhenlage über beste Voraussetzungen für gute Holzqualitäten. Es wird Zeit brauchen, bis sich unser Wald wieder erholt. Das große Zukunftspotential bleibt aber unverändert bestehen.

Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung persönlich ein?

Ich blicke der weiteren Entwicklung sehr optimistisch entgegen, so wie es schon meine Eltern bzw. unsere Vorgängergenerationen vorgelebt und mit Fleiß und Engagement die heutige Lebensqualität aufgebaut haben. Ich bin auch davon überzeugt, dass, wenngleich sich Voraussetzungen und Rahmenbedingungen immer rascher wandeln, unser Bezirk und die Menschen, die hier leben, die Kraft und Fähigkeit haben, sich dem zu stellen und das Beste daraus zu machen.

Wir danken für das Gespräch!

 

Text: E. Hilgartner, Fotos: © René Marschall, Osttirol Journal

10. April 2024 um