In der Osttiroler Gemeinde Ainet entsteht Tirols erstes Nasslager

Für die Forstwirtschaft in Ostirol ist 2020 kein einfaches Jahr. Enorme Schadholzmengen sind aufzuarbeiten, der Holzmarkt ist angespannt und die Borkenkäfer-Gefahr groß.

Welche Herausforderungen sich daraus ergeben und welche Aufgaben diesbezüglich die Bezirksforstinspektion (BFI) Osttirol innehat, darüber haben wir uns mit DI (FH) Erich Gollmitzer unterhalten.

 

Das Team der Bezirksforstinspektion Osttirol – eine optimale Mischung zwischen langjähriger Erfahrung und jugendlichem Esprit. Im Bild von links nach rechts: Dipl.-Ing. (FH) Erich Gollmitzer, Förster Ing. Thomas Gradnig, Bezirkshauptfrau Dr. Olga Reisner, Förster Ralph Mattersberger, Förster Konrad Leiter, Forstadjunkt Stefan Oberreiner, Forstadjunktin Elisabeth Tabernig, Förster Ing. Anton Stocker, Dipl.-Ing. Horst Mitterberger und Förster Ing. Werner Tockner. Im Hintergrund der sowohl vom Windwurf-, als auch vom Schneebruchereignis betroffene Einhang zum Grafenbach in Gaimberg.

 

„Was hat der Borkenkäfer mit der Bezirkshauptmannschaft Lienz zu tun? Auf den ersten Blick wenig, auf den zweiten Blick jedoch eine ganze Menge“, beantwortet Erich Gollmitzer unsere eingangs gestellte Frage. Seit 1.3.2020 ist er als interimistischer Leiter der BFI Osttirol tätig. Das Interesse in Bevölkerung und Medien am Borkenkäfer, einem circa 5 mm großen Waldschädling, erklärt der Forstexperte einerseits mit der Komplexität der Borkenkäfervermehrung, mit den potenziell enorm großen Auswirkungen auf den heimischen Wald und somit auf den Lebensraum der Menschen – und nicht zuletzt mit der Angst vor dem Unbekannten. Bevor er näher auf die Aufgaben der BFI Osttirol eingeht, informiert er uns über die Ausgangslage, die sich im Bezirk Lienz im heurigen Jahr präsentiert: „In Osttirol hat der Sturm ,Vaia‘ im Oktober 2018 rund 600.000 m³ an Bäumen, meist in geschlossenen Waldbeständen bis hinauf zur Waldgrenze, umgeworfen. Im November des Vorjahres führte das Schneedruckereignis im Zuge eines Tiefdruckgebietes namens „Ingmar“ erneut zu unglaublichen, bis dato in diesem Ausmaß noch nie in Osttirol da gewesenen Schäden in den Wäldern. Nochmals rund 500.000 m³ fielen den ungewöhnlichen Nassschneemengen zum Opfer. Die Zerstörungskraft dieses Ereignisses war gigantisch. Anders als beim Windwurf sind die Schäden über den gesamten Wald in Osttirol bis zu einer Seehöhe von ca. 1.700 m verteilt. Flächige Schäden wechseln mit zerstörten Gruppen und kaputten Einzelbäumen ab. Vielfach war auch der Siedlungsraum, insbesondere im Osttiroler Oberland, massiv gefährdet. Zu den gebrochenen und vom Schnee geworfenen Bäumen kommen noch über zwei Millionen Bäume hinzu, die zwar noch stehen, aber deren Wipfel abgebrochen sind. All dies stellt insbesondere für die Waldbesitzer, aber auch für die Bevölkerung Osttirols eine dramatische Situation dar.“

 

Enorme Schäden im heimischen Wald durch das Schneedruckereignis im November 2019

2.000 Borkenkäfer reichen aus, um einen gesunden Baum zum Absterben zu bringen. Das Einbohren löst Harzfluss aus, der einzelne Käfer tötet. Greifen jedoch viele Käfer an, kommt die Harzabwehr der Bäume zum Erliegen. Die Käfer „fressen“ im so genannten Bast und unterbrechen den Saftstrom des Baumes von oben nach unten. Der Zucker, der in den Nadeln produziert wird, kann nicht mehr zu den Wurzeln transportiert werden. Ohne Zucker können die Wurzeln kein Wasser mehr aufnehmen. In der Folge vertrocknen die Nadeln in der Krone und färben sich rotbraun. Dann stirbt der Baum, weil er „verdurstet“.

 

Für den Borkenkäfer hingegen herrschten, wie DI (FH) Gollmitzer berichtet, momentan beste Voraussetzungen für eine ungebremste Vermehrung. „Eigentlich ist der Borkenkäfer, auch ,Buchdrucker‘ genannt, ein Sekundärschädling. Das heißt, dass üblicherweise nur Bäume befallen werden, die eine Schädigung aufweisen. Erst wenn die Massenvermehrung gestartet wurde, werden auch gesunde Bäume befallen. Das kommt dann vor, wenn Nahrung im Überfluss vorhanden ist. Eine interessante und wichtige Information dazu ist, dass aus 200 Käferweibchen in einem Jahr – bei drei Generationen jährlich – etwa 3,2 Mio. Borkenkäfer entstehen können. Wenn dies passiert, spricht man von einer Massenvermehrung.”

 

50 Schlägerungs- und Aufarbeitungspartien, die gleichzeitig im Wald arbeiten und von 40 Holztransport-LKWs unterstützt werden, sorgen für Betriebsamkeit in Osttirols Wäldern.

 

Nunmehr gelte es, so der Leiter der BFI Osttirol weiter, zu verhindern, dass sich die Käfer aus den Schadgebieten auf gesunde Wälder verbreiten. Und hier kommt nun auch die Bezirkshauptmannschaft Lienz, noch genauer die Bezirksforstinspektion Osttirol (BFI), ins Spiel. Diese ist ein Referat der BH Lienz, die sich auf Bezirksverwaltungsebene um die Belange des Waldes kümmert und aktuell intensiv damit beschäftigt ist, den Schadensereignissen Herr zu werden, als auch dem Borkenkäfer Paroli zu bieten. „Rund 1/3 Osttirols sind mit Waldflächen bedeckt, davon zählen rund 78 Prozent als Schutzwald. Die Hälfte dieser Schutzwälder wird als ,Objektschutzwald‘ bezeichnet, da dieser direkt Siedlungen, Verkehrswege und andere Infrastruktur schützt und damit unverzichtbar für die Sicherung unseres Lebensraumes ist“, führt Erich Gollmitzer aus. „In einem normalen Jahr werden in Osttirol von allen Waldeigentümern rund 200.000 m³ Holz genutzt. In den letzten beiden Jahren sind jedoch, wie bereits erwähnt, rund 1,1 Mio. m³ an Schadholz angefallen. Die Aufarbeitung und der Abtransport stellen für alle Beteiligten eine große Herausforderung dar.“ Die Strategie bei den Maßnahmen sieht übrigens vor, dass tiefere vor höheren Lagen, Nadel-, vor Laubholz, Fichten vor anderen Nadelbaumarten und Bäume über 20 cm Durchmesser vor schwächeren Einzelwürfen bzw. Einzelbrüche vor Flächenschäden bearbeitet werden. Große Bedeutung kommt der Wiederbewaldung der Schadgebiete zu, wobei man hier auf die Aufforstung und auf die Einbringung von Mischbaumarten gerade in niederen Tallagen setzt. Gift zur Bekämpfung des Borkenkäfers wird in Osttirol übrigens nicht verwendet.

Für die Waldbesitzer sind, gerade in schwierigen Zeiten, Faktoren wie die möglichst rasche Bewilligung für die Errichtung von Forststraßen sowie die Lukrierung und Abwicklung von forstlichen Fördermitteln besonders wichtig. „In Zusammenarbeit mit den Rechtsreferaten der BH Lienz ist es uns in den vergangenen 1,5 Jahren gelungen, diesbezüglich anstehende Verfahren in allen Regionen Osttirols in einer unglaublich kurzen Zeit durchzuführen. In Hinblick auf die Förder- und Beihilfemittel konnten alleine im Vorjahr vier Millionen Euro über die BFI Osttirol abgewickelt werden“, sagt DI (FH) Gollmitzer dazu und verweist auch auf das am 28. April 2020 vom Tiroler Landtag beschlossene Maßnahmenpaket für den Schutzwald und die heimische Forstwirtschaft. „Ein großer Teil davon soll dem Osttiroler Schutzwald zugutekommen. Unsere Aufgabe ist es, die Schutzwaldbesitzer im Bezirk dabei zu unterstützen, dass möglichst hohe Fördermittel fließen.“

 

Seilbringung bergauf zur Forststraße mittels „Gebirgsharvester“ (Agrargemeinschaft Obernußdorf)

 

Kombiniertes Holzerntesystem: Bringung mittels Seilkran, Aufarbeitung durch Bagger mit Prozessorkopf, Abtransport mittels Holz-LKW

 

Vom Schadholz, das aus dem Sturmtief „Vaia“ resultierte, wurden nach Angaben des Leiters des BFI Osttirol bereits rd. 80 Prozent aufgearbeitet. Ohne das neuerliche  Schadereignis wäre das angefallene Schadholz bereits gänzlich aus dem Wald abtransportiert und in den Sägewerken verarbeitet worden. Die bereits aus dem Wald beförderten Schadholzmengen aus dem Schneebruchereignis sind aktuell mit rd. 180.000 m³ zu beziffern. Interessant ist diesbezüglich, dass sich die Arbeit in den Wäldern während der Covid-19-Hochphase in Osttirol auf „direkte Objektschutzwälder“ sowie auf durch Schadholz verlegte Bachläufe unmittelbar oberhalb von Siedlungen konzentrierte. In Nordtirol wurde die Arbeit in den Wäldern während dieser belastenden Zeit hingegen nahezu eingestellt. „Diese Wiederherstellungsarbeiten sind der Sicherung der so genannten ,kritischen Infrastruktur‘ zuzuordnen“, so Gollmitzer. „Eine Prüfung jeder einzelnen Schadholzaufarbeitung durch die Bezirkshauptfrau und das Referat Umwelt hat es möglich gemacht, dass in diesen lebensraumsichernden Waldbereichen weitergearbeitet werden konnte.“ Bei der Wiederherstellung der Sicherheit werden im heurigen Jahr entlang von Landes- bzw. Bundesstraßen übrigens „Harvester-Maschinen“ eingesetzt, die bislang nicht in Osttirol gearbeitet haben. Klingende Namen wie „Königstiger“ bezeichnen diese Maschinen, die sich durch besondere Kraft und Reichweite auszeichnen. Die Biomasse wird dem Wald nicht mehr entzogen, sondern mittels Hacker zurück in den Schlag geblasen.

 

Innovative Aufforstungsmaßnahmen werden gesetzt.

 

Hinzu kommen innovative Aufforstungsprogramme wie etwa die Einbringung der Edelkastanie in allen sonnseitig gelegenen Talbodengemeinden, die im Rahmen des Programms „klimafitter Bergwald“ helfen sollen, die Folgen der Katastrophenereignisse mittelfristig zu lindern. Nicht zu vergessen ist der Einsatz von so genannten „Borkenkäferfräsen“ in Zusammenarbeit mit dem Maschinenring-Service Osttirol. Diese Fräse führt feine Schnitte aus, die den Bast bei liegenden Bäumen durchtrennen und somit eine Bebrütung durch den Borkenkäfer unmöglich machen.

Die gute Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen im Bezirk, wie der Wildbach- und Lawinenverbauung sowie dem Baubezirksamt Lienz, streicht DI (FH) Erich Gollmitzer besonders heraus. „Diese hat zu einer Reihe von Synergieeffekten und Wissenstransfers geführt, von denen künftig alle Seiten profitieren können. Darüber hinaus wurden Maßnahmen und Förderschienen aufeinander abgestimmt und zielgerichtet zur Anwendung gebracht. Dieser Zusammenhalt überträgt sich auch auf die betroffenen Gemeinden und Körperschaften. In Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ainet, der Waldgenossenschaft Iseltal und der Bezirkshauptfrau sowie dem Referat Umwelt der BH Lienz unter Leitung von Dr. Bettina Heinricher entsteht derzeit in Ainet das erste ,Nasslager‘ Tirols“, so Erich Gollmitzer.

Durch die künstliche Beregnung in diesem Nasslager, das Ende Juli 2020 seinen Betrieb aufnehmen wird, soll die Feuchtigkeit im Holz kurzfristig auf über 120 % angehoben und auf Dauer der Lagerung gehalten. Das mit Wasser gefüllte Porensystem verhindert das Eindringen von Sauerstoff. Damit wird sowohl Insekten als auch Pilzen die Lebensgrundlage entzogen und ein Qualitätsverlust hintan gehalten. Die Beregnung erfolgt bis zu einer Temperatur von minus 5 Grad Celsius bzw. der Bildung einer gleichmäßigen Eisschicht am Holz. Sobald die Eisschicht an einzelnen Stellen auftaut, muss erneut mit der Beregnung begonnen werden. Die Technologie des „Nasslagers Ainet“ wird innoviert und somit die Effizienz gesteigert. Dazu zählt insbesondere eine sogenannte Leitrechnersteuerung der Beregnung. Das heißt, dass neben den Wetterdaten (Temperatur, Sonneneinstrahlung, Windrichtung und -geschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit) auch die Holzfeuchte gemessen und für die Steuerung herangezogen wird. Dadurch wird ein extrem sparsamer und effizienter Einsatz von Energie und Wasser gewährleistet. Jeder einzelne Beregnerkopf kann so einzeln angesteuert werden. Dieses System ist auch in Österreich einzigartig. Bei der Installierung des Systems werden auch Synergien mit ortsansässigen Firmen, wie z. B. der Testtec in Ainet, genutzt. Das Wasser liefern zwei redundante Tiefbrunnen, um Ausfälle kompensieren zu können. Durch die Errichtung des Lagers kann die Waldgenossenschaft Iseltal das in Osttirol anfallende Rundholz (Schnittholz) abnehmen, im Nasslager einlagern und somit den derzeit immens angespannten Absatzmarkt erheblich entlasten.

 

Das mit Antrag vom 29.4.2020 eingereichte Projekt der Waldgenossenschaft Iseltal wurde von der Umweltreferentin der BH Lienz nach einem Ermittlungsverfahren unter Beiziehung der Amtssachverständigen für Naturkunde, Forst und Wasserfachtechnik mit Bescheid vom 14.6.2020 genehmigt. Der Startschuss für den Baubeginn erfolgte am 17.6.2020 mit dem rechtskräftigen Bescheid der BH Lienz. Die Einlagerung von Rundholz soll bereits Ende Juli erfolgen. So kann sowohl dem Borkenkäfer die Stirn geboten, als auch den Osttiroler Waldbesitzern tatkräftig geholfen werden.

 

Ungeachtet der schwierigen Zeiten blickt man bei der BFI Osttirol durchaus positiv in die Zukunft. DI (FH) Erich Gollmitzer: „Unser schlagkräftiges Team, eingebettet in der Bezirkshauptmannschaft Lienz, setzt alles daran, die schädlichen Auswirkungen der Naturereignisse zu minimieren. Der besondere Leistungswille sowie das  Zusammenwirken aller positiven Kräfte im Bezirk tragen dazu enorm viel bei. Hinzu kommt der Einsatz von innovativen Methoden und Verfahren. All dies wird die Basis dafür sein, dass der Osttiroler Wald und der Schutzwald im Besonderen nach den ,Krisen‘ stabiler und belastbarer dastehen wird als vorher!“

 

Die Bezirksforstinspektion Osttirol

Seit dem 1.3.2020 steht die BFI Osttirol unter der Leitung von Dipl.-Ing. (FH) Erich Gollmitzer, (interimistisch bestellt bis 31.12.2020), der für diese Aufgabe eine rund 35-jährige Erfahrung in der heimischen Forstwirtschaft mitbringt. Darüber hinaus kann er sowohl auf eine forst-, als auch betriebswirtschaftliche Ausbildung zurückgreifen. Seine Stellvertreter, DI Horst Mitterberger und Ing. Anton Stocker, unterstützen ihn bei seinen Aufgaben in der Leitung der Forstinspektion und bei Sonderaufgaben, wie z.B. die den Wald betreffenden Agenden der Jagd in Osttirol. Alle erforderlichen Büroarbeiten werden von zwei Assistentinnen im Referat Bezirksforstinspektion zielgerichtet und kollegial erledigt. Sechs Förster stellen ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen in ihren Försterdienstbezirken in allen 33 Gemeinden Osttirols zur Verfügung. In jeder Gemeinde steht zudem ein Gemeindewaldaufseher den Waldeigentümern mit Rat und Tat zur Seite. Diese örtlichen Forstorgane unterstützen die Bezirksforstinspektion bei ihren Tätigkeiten. Zusätzlich sind derzeit zwei „FörsterInnen in Ausbildung“ bei der BFI Osttirol im Einsatz. Sie werden „ForstadjunktInnen“ genannt. Ausgebildet und unterstützt werden sie von den erfahrenen Förstern bei der BH Lienz. Die Kompetenzen im Fachgebiet des „naturnahen Wegebaues“ werden in besonderer Weise von Konrad Leiter (Försterbezirk Pustertal-Villgraten) weitergegeben. Ing. Thomas Gradnig (Försterbezirk Sillian-Gailtal) wird als Experte im Bereich der Gutachtenerstellung als Amtssachverständiger in Behördenverfahren für die Ausbildung herangezogen. Förster Ralph Mattersberger (Försterbezirk Mittleres Iseltal) kann auf große Erfahrung im Bereich Schadholzaufarbeitung, Koordination und Organisation zurückgreifen. In Kals lag einer der größten Hotspots Osttirols beim Windwurfereignis Vaia. Ing. Werner Tockner (Försterbezirk Oberes Iseltal) ist als Experte für Daten und Auswertungen rund um den Wald bekannt.

 

Text: J. & E. Hilgartner, Fotos: Land Tirol/BFI Osttirol, Osttirol Journal, AdobeStock/Lunghammer/mitifoto/Zophoba, fotolia-Friedberg

02. Juli 2020 um