„Es ist und bleibt unsere Aufgabe, sozialen Wohnbau in Osttirol zu schaffen!“

Über 2.080 Wohnungen, Reihenhäuser und Geschäftslokale hat die OSG seit ihrer Gründung vor mehr als 70 Jahren im Bezirk Lienz gebaut.

Damit ist die Osttiroler gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft (OSG) die größte Baugenossenschaft Osttirols und hat einen sehr wesentlichen Beitrag zur hohen Wohn- und Lebensqualität in der Region geleistet. „Unsere Bautätigkeit verteilt sich auf den gesamten Bezirk. Bisher haben wir in 30 von 33 Gemeinden Osttirols Projekte umsetzen können“, erklärt OSG-Vorstand Wolfgang Wilhelmer. Im Osttirol heue-Interview nimmt er Bezug auf aktuelle Entwicklungen in der Baubranche, wie u.a. die Folgen der Teuerungswelle, und informiert, wie man von Seiten der Baugenossenschaft darauf und auf weitere Herausforderungen reagiert. Außerdem blickt er in die Zukunft – auf neue bauliche Vorhaben und auf Fragestellungen wie verdichteten Wohnbau oder die Thematik „Grundverbrauch- und Bodenversiegelung“.

Herr Wilhelmer, die OSG ist nicht nur als Bauträger erfolgreich, sondern deckt auch andere Leistungen ab. Könnten Sie uns das Tätigkeitsfeld näher erläutern?

Wir errichten, wie bereits angeführt, hauptsächlich geförderte Wohnungen nach Bedarf in fast allen Gemeinden Osttirols. Mit Ausnahme der Objekt-Planung decken wir dabei mit unserem 26-köpfigen MitarbeiterInnen-Team alle Arbeiten – von der Projektleitung über die Ausschreibung, das Baumanagement, die Sonderwunschplanung, die Förderungsabwicklung, die Wohnungsvergabe, die Ausarbeitung der Mietverträge bis hin zu Hausverwaltung und Objekterhaltung – selbst ab. Seit Ende der 90er-Jahre betrifft das Gros (über 90 Prozent) der umgesetzten Projekte Miet-Kaufwohnungen. Die restlichen Wohneinheiten sind Eigentums- oder Mietwohnungen. Im Bereich Verwaltung sind wir stolz, dass wir über unser zentrales Büro in Lienz eine hohe technische, rechtliche und kaufmännische Kompetenz anbieten können. Daraus resultierend, verzeichnen wir in den vergangenen Jahren auch eine starke Zunahme bei der Verwaltungstätigkeit. Dies betrifft vor allem Wohnanlagen, die wir nicht selbst gebaut haben.

Seit wann werden auch Projekte im kommunalen Bereich realisiert? Können Sie Beispiele nennen?

Es ist in ganz Österreich üblich, dass gemeinnützige Bauvereinigungen auch im kommunalen und sozialen Bereich in Sachen Projektleitung und Vermietung beauftragt werden. Beispiele dafür unsererseits sind im Bezirk Lienz das Gemeindezentrum Assling, die Tagesbetreuung in Abfaltersbach, das Gesundheitszentrum Virgen oder Nahwärmeversorgungsanlagen, bei denen teilweise auch Gemeinden involviert sind. Soziale Einrichtungen wie das SOS-Kinderdorf oder Wohneinheiten für die Lebenshilfe konnten wir ebenfalls bereits errichten.

In den vergangenen Jahren haben sich die Rahmenbedingungen in der Baubranche deutlich verschlechtert. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Hauptprobleme sind sicherlich die enormen Kostensteigerungen bei den Baupreisen und die gleichzeitige Zinssatzsteigerung bei den Bankdarlehen. In den vergangenen Jahrzehnten hat es schon öfters große Preissteigerungen gegeben. Es gab jedoch noch nie eine Situation, in der derart hohe Preissteigerungen mit einer so deutlichen Zinssatzsteigerung zusammengefallen sind.

Inwieweit sind gemeinnützige Bauträger wie die OSG von dieser Entwicklung betroffen?

Wir unterliegen, wie alle anderen gemeinnützigen Baugenossenschaften, dem Kostendeckungsprinzip. Das bedeutet, dass solche Steigerungen auch direkt an die Kunden weitergegeben werden müssen. Zu erwähnen ist, dass die verschärften Bedingungen bei der Kreditvergabe keine direkte Auswirkung auf die Finanzierung von Bauprojekten haben. Allerdings trifft diese „Verschärfung“ unsere Kunden im Zuge der Einlösung der Kaufoption nach 5 bzw. 10 Jahren.

Hat die Politik im Land etwas getan, um die aktuellen Entwicklungen abzufedern?

Das Land Tirol hat über die Wohnbauförderung recht rasch reagiert. Es gab ein Treffen mit allen Verantwortlichen der gemeinnützigen Bauvereinigungen Tirols, um ein neues Förderpaket zu schnüren. Im Frühjahr/Sommer 2023 wurden die Förderungen deutlich erhöht – im Detail das Wohnbauförderungsdarlehen, der Annuitätenzuschuss sowie Direktzuschüsse, wie z.B. die Niedrigenergieförderung oder für sozial Schwächere die Wohnbeihilfe. Trotz der deutlichen Anhebung dieser Förderungen ist noch immer ein starker Anstieg beim monatlichen Entgelt spürbar.

Was hat man von Seiten der OSG unternommen?

Wie ausgeführt, hat das Land Tirol die Förderungen deutlich erhöht. Nachdem die Steigerungen beim monatlichen Entgelt trotzdem sehr deutlich spürbar waren und sind, mussten auch Gemeinnützige wie wir ihren Beitrag leisten. Zugute gekommen ist uns, dass wir in den letzten Jahren, in denen die monatlichen Mieten über Jahre hinweg annähernd gleich hoch geblieben sind, auf Laufzeitverkürzungen gesetzt haben. Somit konnte ein Vorsprung bei der Rückzahlung der Bankdarlehen erwirtschaftet werden. Diese Vorgangsweise ermöglicht es uns nun, über die Laufzeitausdehnung deutliche Sprünge bei der Miete abzufedern. Aufgrund des Kostendeckungsprinzips sind die weiteren Möglichkeiten, preisdämpfend entgegenzuwirken, begrenzt. Bei den gemeinnützigen Mieten handelt es sich im Vergleich um die österreichweit günstigsten Mieten. Trotzdem haben wir Laufzeitverlängerungen bei den Bankdarlehen (von 25 auf 30 Jahre) vorgenommen, um die Kostensteigerung abzumildern. Eine weitere Variante wäre es, auf Teile der Einhebung beim Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag zu verzichten. Dies würde sich jedoch negativ auf mögliche Erhaltungs- oder Sanierungsmaßnahmen beim Bestand auswirken. Zu nennen ist auch die Möglichkeit des Einsatzes von Eigenmitteln. Allerdings würden dann diese wieder in Hinblick auf die Finanzierung von Grundstücken und neuen Bauprojekten fehlen.

Um wie viel Prozent sind die Mieten heuer bei der OSG gestiegen?

Die Grundmiete musste bei älteren Objekten überhaupt nicht angehoben werden, bei neueren Wohnanlagen um rund 10 bis 15 Prozent. Allerdings kam es auch zu Steigerungen bei den Betriebskosten aufgrund stark ansteigender Energiekosten, die sich bei unseren Objekten aber glücklicherweise nicht so stark ausgewirkt haben wie in anderen Teilen Tirols.

Wie viele Projekte der OSG befinden sich derzeit im Planungsstadium und wie viele in Umsetzung?

Bereits in Bau befinden sich vier Projekte – und zwar Eigentumswohnungen in Lienz-Kreuzgasse, eine Reihenhausanlage in Miete mit Kaufoption in Heinfels, Mietwohnungen mit Kaufoption in Nußdorf-Debant (Projekt „Wirtsgründe“) sowie Mietwohnungen mit Kaufoption in Virgen. Außerdem beginnen wir jetzt im Herbst 2023 in Matrei i.O., St. Jakob i.D. und Kartitsch mit der Errichtung von Mietwohnungen mit Kaufoption. Weiters soll auch noch heuer der Baustart für Mietwohnungen mit Kaufoption in den Gemeinden Kals und Anras-Mittewald erfolgen. Neue Wohnanlagen in Sillian, Dölsach, Oberlienz und Assling stehen für 2024 auf unserem Programm.

Stichworte Grundverbrauch bzw. verdichteter Wohnbau: Wie beurteilen Sie diese zuletzt medial viel diskutierte Fragen?

Es gibt hier schon einige Ansätze, die das Land Tirol verfolgt und die ich persönlich für sehr sinnvoll erachte. Es handelt sich dabei um die Möglichkeit von landwirtschaftlichen Vorbehaltsflächen, um Dichtebestimmungen, um gesetzliche Vorgaben bei der Errichtung von Lebensmittelmärkten sowie insgesamt um eine Raumordnung mit einer noch weiter vorausschauenden Planung.

Welchen Beitrag können Bauträger wie die OSG diesbezüglich leisten?

Wir errichten unsererseits nur Objekte, wenn der Bedarf auch vorhanden ist. So hatte die OSG in den letzten Jahren keine leerstehenden Wohnungen zu verzeichnen. Bereits bei der Planung achten wir auf einen möglichst schonenden Umgang mit Grund und Boden in Absprache mit den jeweiligen Gemeinden und legen, wenn es die Förderungsrichtlinien zulassen, sehr viel Wert darauf, bereits vorhandene Bausubstanz zu verwenden. Beispiele dafür gibt es bei Anlagen in St. Veit i.D., Innervillgraten, Sillian oder Kartitsch. Die Errichtung von neuen Objekten, nach Abriss von alten Gebäuden, die nicht mehr sanierungsfähig sind, wäre ein weiteres Beispiel, um weiteren Grundverbrauch zu verhindern. Auch solche Projekte konnten wir schon umsetzen.

Ein Ausblick Ihrerseits auf 2024/2025? Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?

Nachdem das letzte Jahr für uns sehr schwierig war, hoffen wir nun, dass sich die Situation in den nächsten Monaten etwas entspannt. Wir haben aktuell nach wie vor rund 700 bis 800 BewerberInnen osttirolweit in unserer Bewerberdatei vorgemerkt. Der Bau von Einfamilienhäusern dürfte aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen weiterhin etwas rückläufig sein. Somit haben wir umso mehr gerade jetzt und auch weiterhin die Aufgabe, leistbaren Wohnraum in Osttirol zu schaffen! Wir werden uns neben dem Neubausektor aber auch weiterhin auf die Sanierung bzw. Erhaltung unseres Objektbestandes konzentrieren und dabei Themen wie Energieeffizienz, Dekarbonisierung und Ähnliches in unsere Überlegungen miteinbeziehen. Darüber hinaus sind wir auf Basis unserer Kompetenz in Sachen Projektleitung und Vermietung immer öfter Ansprechpartner für Gemeinden und andere Institutionen, die unsere Erfahrung in Anspruch nehmen möchten.

Danke für das Gespräch!

 

Interview: E. Hilgartner, Fotos: © Martin Lugger, Osttirol Journal

31. Oktober 2023 um