Kals a. G. und Innervillgraten: Alte Nutztierrasse, neu entdeckt

Das „Alpenschwein“ galt lange Zeit praktisch als ausgestorben. Bauer Philipp Jans und Gastronom Josef Mühlmann haben nun einige der schwarz-braunen Tiere wieder nach Osttirol geholt.

Im Ortsteil Lana des Osttiroler Glocknerdorfes Kals liegt auf einer Seehöhe von 1.300 Metern der „Figerhof“ von Philipp und Renate Jans. 2008 haben die beiden den bäuerlichen Betrieb übernommen und sich auf die Herstellung von Ziegenmilchprodukten spezialisiert. „Seitdem am Figerhof Ziegenkäse produziert wird, halten wir auch Schweine“, erzählt Philipp Jans und erklärt den nachhaltigen Kreislauf, der dahinter steckt: „Anstatt das durch den hohen Milchzuckergehalt energiereiche Nebenprodukt der Käseproduktion zu entsorgen, verwenden wir die Molke zum Mästen unserer Schweine.“ Molkeschweine zeichnen sich, wie er weiter ausführt, durch ein ausgewogenes Verhältnis von Muskel- und Fettanteil aus. „Das Fett als Geschmacksträger hat beim Molkeschwein eine feste Konsistenz mit weißer Farbe – ein Qualitätsmerkmal, das Speckliebhaber besonders schätzen.“ Erste Erfahrungen mit der Molke-Fütterung konnte der Kalser schon in seiner Jugend gewinnen, als er als Hirte auf der Nußdorfer Alm im Debanttal beschäftigt war. In den vergangenen Jahren gab es am Figerhof verschiedene Schweinerassen, auf das „schwarze Alpenschwein“ wurde Philipp Jans bei einem Gespräch mit Josef Mühlmann aufmerksam.

 

Philipp und Renate Jans mit ihren Kindern am Figerhof im Osttiroler Glocknerdorf Kals

 

Der Gastronom und Spitzenkoch wuchs auf dem Gannerhof in Innervillgraten auf, der bis in die 1970er-Jahre ausschließlich als Bergbauernhof geführt wurde. „1879 hat mein Urgroßvater, Michael Mühlmann, den Hof erworben, der seitdem immer in Familienbesitz geblieben ist“, informiert er. Zu den Tieren am Gannerhof gehörten immer schon auch Schweine. „Auch mein Vater Alois, der den Hof in einen Gastronomiebetrieb mit Schwerpunkt „regionale Haute Cuisine“ umwandelte, hielt Schweine, deren Fleisch er zu Speck verarbeitete.“ Das Interesse Josef Mühlmanns an alten Nutztierrassen weckte der Schweizer Ökonom und Autor Dominik Flammer. „Im Mittelpunkt von Flammers Arbeit steht die Geschichte der Ernährung in den Alpen“, weiß Josef Mühlmann zu berichten und meint, dass er sich, ausgehend von dessen Büchern, mit früher verbreiteten Schweinerassen auseinanderzusetzen begann. „Ich lernte, dass insbesondere das ,schwarze Alpenschwein‘ außergewöhnliche Qualitäten aufweist. Diese robuste Rasse wird extensiv das ganze Jahr über im Freien gehalten, ist besonders berggängig und somit alptauglich.“

 

Auf der Suche nach einem Bauern, der über ein großes Freigehege verfügt und mit dem er sich gemeinsam der Wiederansiedelung des „Alpenschweins“ in Osttirol widmen kann, stieß Josef Mühlmann schließlich auf Philipp Jans. Die beiden wurden sich bald handelseinig und machten sich auf, zwei Säue mit zwei Kleintieren anzukaufen. „Philipp hat auf seinem Hof für die Schweine eine besondere Futterstation installiert. Hier können die Tiere Molke trinken, so viel sie wollen“, berichtet der Haubenkoch aus dem Villgratental und fügt an, dass eine der beiden Muttersäue bald werfen wird – eine gute Voraussetzung für die weitere Zucht der Tiere. Diese sind übrigens die einzigen ihrer Art im Bezirk Lienz und hier seit rund 130 Jahren erstmals wieder vertreten.

 

Der Gannerhof in Innervillgraten zählt zu den kulinarischen Top-Adressen in Osttirol.

 

Schlachtzeit auf dem Figerhof ist üblicherweise der Herbst. „Es handelt sich dabei, wie in früheren Zeiten, um ein wichtiges Ereignis im Jahresverlauf“, sagt Philipp Jans und meint, dass er in der Folge das Anschneiden der ersten Speckseite besonders zu zelebrieren weiß. Das Fleisch des Alpenschweines ist dunkel, nussig im Geschmack und hat, wie Josef Mühlmann einwirft, „etwas vom Wild“. Zukünftig können sich auch seine Gäste im Gastronomiebetrieb in Innervillgraten auf den Genuss der nachhaltig erzeugten Produkte aus dem Fleisch des „Alpenschweines“ freuen.

 

Text: J. & E. Hilgartner, Fotos: Osttirol Journal, Brunner Images, Peter Leiter

10. Juli 2020 um