Corona-Krise: Unbürokratische und schnelle Hilfe für Menschen und Unternehmen?

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft fest im Griff. Das Maßnahmenpaket der Regierung scheint aber nicht immer schnell und effizient genug bei den Betroffenen anzukommen.

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) prognostiziert für 2020 einen Einbruch der österreichischen Wirtschaft zwischen 5,25 bis 7,5 Prozent. Damit verbunden geht es um zahlreiche wirtschaftliche Existenzen, um tausende Betriebe und um zehntausende Arbeitsplätze. Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt und die Devise „Koste es, was es wolle“ ausgegeben. In der Realität stellt sich dies nun, wie aus zahlreichen Rückmeldungen Betroffener deutlich wird, so dar, dass sich viele mit einem enormen Bürokratieaufwand und mit Problemen bei der Abwicklung der so genannten „Überbrückungskredite“ konfrontiert sehen.

Zur Erklärung: Um ihre Liquidität aktuell und auch in den nächsten Monaten angesichts enormer und/oder teilweise vollständiger Umsatzausfälle sichern zu können, müssen sich sehr viele Betriebe für einen Überbrückungskredit mit Staatshaftung an ihre Hausbank wenden. Die von Regierungsseite versprochene Staatshaftung ist allerdings, wie Berichte Betroffener zeigen, oftmals missverständlich kommuniziert oder missverständlich interpretiert worden. Was Staatshaftung für betroffene Firmen wirklich bedeutet, wer überhaupt, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen einen Überbrückungskredit erhält, wollten wir vom Sprecher der Osttiroler Bankinstitute der Tiroler Wirtschaftskammer/Bezirksstelle Lienz wissen. Mag. (FH) Martin Bergerweiß, Vorstandsvorsitzender der Lienzer Sparkasse AG, stand uns dafür in einem Interview Rede und Antwort.

 

 

Sehr geehrter Herr Mag. (FH) Bergerweiß, neben Ihrer Funktion als Vorsitzender des Vorstandes der Lienzer Sparkasse AG sind Sie auch Sprecher der Abteilung Banken der Tiroler Wirtschaftskammer/Bezirksstelle Lienz. Was hat sich seit Beginn der Corona-Krise im Osttiroler Bankenwesen getan bzw. verändert? Wie gestaltet sich der Arbeitsalltag der BankmitarbeiterInnen heute?

Martin Bergerweiß: Um die Abwicklung von Bankgeschäften zu ermöglichen, wurden sämtliche Filialen offengehalten. Im Sinne der Gesundheit von KundInnen und MitarbeiterInnen haben wir aber noch stärker als bisher auf Internetbanking und telefonische Beratung gesetzt. Gleichzeitig ist der Bedarf an Kreditstundungen und Überbrückungsfinanzierungen massiv angestiegen. Ich möchte in diesem Zusammenhang allen Angestellten der Osttiroler Banken dafür danken, dass sie als verlässliche Ansprechpartner für ihre KundInnen in dieser Krise da sind. Viele arbeiten nahezu rund um die Uhr, um Kreditanfragen etc. zu bearbeiten.

Können Sie und Ihre Kollegen sich an eine ähnlich herausfordernde Situation erinnern? Was sind die markantesten Unterschiede dieser Krise zu jener des Jahres 2008?

Martin Bergerweiß: Die aktuelle Situation wird zu Recht als eine beispiellose Ausnahmesituation bezeichnet. Im Gegensatz zur Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 haben wir es heute mit anderen Ursachen und Auslösern zu tun. Es handelt sich um keine Finanzkrise, sondern um eine Krise der Realwirtschaft. Die Banken befinden sich in einer sehr starken und stabilen Verfassung. Damit können sie auch ihrer Rolle gerecht werden, im Rahmen von gesetzlichen und regulatorischen Möglichkeiten schnell und unbürokratisch zu helfen.

Von Seiten der Bundesregierung, aber auch des Landes Tirol wurde ein umfangreiches Maßnahmenpaket präsentiert, um Österreich/Tirol möglichst gut durch die Krise zu führen. Ihre Beurteilung im Allgemeinen dazu?

Martin Bergerweiß: Die öffentliche Hand und die Sozialpartner haben rasch sehr große Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. Dabei sind mehrere Faktoren ausschlagend: Es soll schnell, flexibel und unbürokratisch ablaufen. Gleichzeitig ist aber wichtig, dass die Förderung genau bei jenen ankommt, die jetzt Hilfe benötigen. Das ist eine sehr komplexe Aufgabe. Auch wenn es vereinzelt berechtigte Kritik gibt, bin ich der Meinung, dass diese Aufgaben gut gelöst werden.

Sämtliche „Hilfsmaßnahmen“ sind mit einem enormen bürokratischen Aufwand für Unternehmer verbunden. Inwieweit trifft dieser Bürokratismus auch die Banken?

Martin Bergerweiß: Wir sind uns der großen Verantwortung für die heimische Wirtschaft bewusst. An erster Stelle stehen Flexibilität und unbürokratische Vorgangsweisen. Die Aufgabe von Förderunternehmen und Banken ist es aber auch, die Treffsicherheit der Förderungen zu gewährleisten. Die Förderung muss bei jenen ankommen, die diese Unterstützung brauchen. Dafür müssen natürlich Anträge ausgefüllt und Fragen beantwortet werden. Es werden Hilfsmittel in einem gigantischen Ausmaß zur Verfügung gestellt. Es ist im Sinne von uns allen, wenn hier sorgfältig gearbeitet wird.

Im Speziellen geht es hier insbesondere um so genannte „Überbrückungskredite mit Staatshaftung“. Wie groß ist die Nachfrage nach diesen Krediten im Bezirk Lienz?

Martin Bergerweiß: Die Quarantänemaßnahmen der Bundesregierung betreffen das ganze Land, teilweise waren in Tirol noch strengere Auflagen zu erfüllen. Die Betroffenheit der Unternehmen ist daher auch in Osttirol massiv. Dementsprechend groß ist die Nachfrage nach Unterstützungskrediten – und es werden noch sehr viele Anfragen kommen. Die Entwicklung ist als eine sehr dynamische zu bezeichnen.

Welche Rahmenbedingungen müssen Banken einhalten, wenn es um die Kreditvergabe und die so genannte Staatshaftung geht? So, wie es die Bundesregierung kommuniziert hat, ist die Staatshaftung ja offensichtlich nicht zu verstehen.

Martin Bergerweiß: Oberstes Prinzip ist es, rasch und unbürokratisch zu helfen und damit die Wirtschaft, so gut es geht, durch diese Krise zu begleiten. Wichtig ist: Es handelt sich bei den so genannten „Überbrückungskrediten“ um Kredite, die vom Unternehmen auch zurückgezahlt werden müssen und nicht um Zuschüsse. Die Garantien dienen als Sicherheit für den Bankkredit, die Förderinstrumente und Förderstellen sind je nach Unternehmensgröße oder Branche unterschiedlich. Unterstützt werden Betriebe, die auf Grund der aktuellen Krise Probleme haben, die laufenden Betriebskosten zu finanzieren. Die Förderungen sind nur jedoch für jene Unternehmen gedacht, die noch vor Ausbruch der Krise „gesund“ waren.

Dies bedeutet jedoch gleichzeitig doch auch, dass ein bestimmter Prozentsatz an Betrieben durch den „Raster“ fällt?

Martin Bergerweiß: Die aktuellen Förderungen und Überbrückungsfinanzierungen sollen Unternehmen unterstützen, die auf Grund der Corona-Krise Finanzierungsprobleme haben. Es ist jedoch leider mit einem massiven Wirtschaftseinbruch zu rechnen, und dies wird wohl nicht gänzlich ohne negative Folgen bleiben. Dass Unternehmen scheitern, hat es vor Corona gegeben und wird es auch nach Corona geben. Die Banken setzen alles daran, Menschen und Unternehmen in dieser Krise bestmöglich zu unterstützen.

Welche Kriterien werden für die Einschätzung „gesundes Unternehmen“ herangezogen?

Martin Bergerweiß: Mit Veröffentlichung der Förderbedingungen präsentierten sich die Richtlinien meist als recht transparent, die konkreten Bedingungen sind allerdings teilweise ein wenig komplex. Im Wesentlichen geht es jedoch immer um ein ausreichendes Eigenkapital der Betriebe und um die Fähigkeit, die Schulden in einem angemessenen Zeitraum auch zurückzahlen zu können.

Was bedeutet „Staatshaftung“ wirklich: Heißt dies, am Beispiel der vielzitierten 80-prozentigen Staatshaftung, einfach gesagt, dass ein Unternehmer nur für 20 Prozent haften muss oder ist dies anders?

Martin Bergerweiß: Die Haftungen des Bundes bzw. der Förderunternehmen dienen ausschließlich als Sicherheit für den Überbrückungskredit. Jeder Kreditnehmer haftet ungeachtet dessen immer zu 100 Prozent für Kredite, die von ihm aufgenommen werden.

Abgesehen von den „Überbrückungskrediten“: Wie ist die aktuelle Situation bei privaten Schuldnern? Wie geht es diesen?

Martin Bergerweiß: Hier hat die Bundesregierung ein sogenanntes „Moratorium“ beschlossen. Verbraucher und Kleinstunternehmer können bei Banken beantragen, dass die Raten in der Zeit zwischen dem 1.4.2020 und 30.6.2020 ausgesetzt werden. Die Banken haben dazu einfache Online-Formulare bereitgestellt. Bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung haben die Banken schon unkompliziert und schnell Stundungen genehmigt. Damit soll Menschen geholfen werden, die derzeit Einkommenseinbußen haben und daher ihre Fixkosten reduzieren müssen.

Wie lange glauben Sie, wird die Rezession in Österreich anhalten? Sehen Sie eine Chance, dass der Bezirk Lienz relativ gut durch diese Krise kommt?

Martin Bergerweiß: Wir haben es hier mit einer ernsten und massiven Krise zu tun. Es ist heute nicht seriös abzuschätzen, welche Auswirkungen noch auf uns zukommen werden. Ich glaube an die Menschen in Osttirol. Ich bin überzeugt, dass wir hier in Osttirol mit Eigenschaften wie Zuversicht, Kreativität und Ausdauer gut gerüstet sind, diese Krise zu bewältigen!

Danke für das Gespräch!

 

Text: E. Hilgartner, Fotos: AdobeStock/ferkelraggae und Lienzer Sparkasse AG

23. April 2020 um