Bauernläden: Steigt das Bewusstsein für heimische Qualität in der Krise?

Liegt in der Corona-Krise sogar eine Chance für regionale Eigen- und Nahversorgung? Wir sprachen mit Betreibern von Osttiroler Bauernläden über ihre Einschätzung.

Regionalität liegt schon seit Jahren im Trend. Supermarkt-Ketten kreieren immer neue Bio- und Natur-Marken. Landwirte entwickeln innovative Konzepte zur Direktvermarktung ihrer Lebensmittel. Ob die Konsumenten die Arbeit der heimischen Bauern auch mit ihrem Einkaufsverhalten honorieren, ist eine andere Frage. In Zeiten der Corona-Pandemie und des Lock Downs war und ist eine gestiegene Aufmerksamkeit für in der Heimatregion erzeugte Produkte spürbar. Wir baten Betreiber von Osttiroler Bauernläden und Direktvermarkter um ihre Beobachtungen und um ihre Einschätzung, inwieweit sich das gestiegene Interesse an der Landwirtschaft und an regionalen Lebensmitteln auf das Konsumverhalten auswirken könnte.

 

Seit über 25 Jahren gibt es den Bauernladen im „Kesslerhaus” in Virgen.

 

Der Bauernladen Virgen war 1993, im Jahr der Eröffnung, ein Vorreiter in Sachen Direktvermarktung regionaler bäuerlicher Produkte. Speck und Selchwaren, Käse, Brot, Kuchen, Krapfen, Schnaps, Marmeladen, Honig, Säfte, Eier, Schlipfkrapfen, Einreibungen, heimische Handwerkskunst und vieles mehr werden hier angeboten. „Etwa hundert Lieferanten versorgen uns mit bäuerlichen Produkten, vor allem sind dies Produzenten aus dem Iseltal. Erst wenn wir damit nicht das Auslangen finden, greifen wir auf andere Hersteller aus Osttirol zurück. Produkte von außerhalb des Bezirkes bieten wir nicht an“, erzählt Obfrau Elke Obkircher, die den Bauernladen Virgen selbst mit Schnaps und Edelbränden beliefert.

 

 

Die Obfrau beziffert den Anteil an einheimischen Kunden mit etwa 80%. „Der Trend zu regionalen Lebensmitteln ist nicht neu. Viele Konsumenten wollen heutzutage wissen, wo die Produkte herkommen, welcher Bauer die Lebensmittel produziert. Auch die Gäste kennen die Produktionsweise unserer Landwirte, schätzen die Naturbelassenheit unserer Landschaft oder z.B. auch das reine Quellwasser, das nur für uns Einheimische zur Selbstverständlichkeit geworden ist“, meint Elke Obkircher.

 

 

Anita Jestl ist neben Brigitte Stadler und Geschäftsführerin Alexandra Berger für den Verkauf und die Betreuung der Kunden zuständig. „Am Karfreitag konnten wir nach der coronabedingten Schließung unseren Bauernladen erstmals wieder öffnen. Obwohl wir ein Abhol- bzw. Zustellservice eingerichtet hatten, mussten wir einen Umsatzeinbruch verkraften. Wir haben z.B. auch viele Kunden aus Matrei, dem gesamten Iseltal und dem Defereggental, und die konnten schon aufgrund der Gemeindequarantäne nicht zum Einkaufen kommen. Mittlerweile pendelt sich die Frequenz wieder auf normalem Niveau ein“, erzählt Anita Jestl. Die Osterwochenenden seien bis dato mitunter die umsatzstärksten im ganzen Jahr gewesen. „Heuer haben wir Osterkörbe mit Brot, Osterlamm, Schinken, Ostereiern und Käse zusammengestellt. Unser Pfarrer hat einen Segensspruch beigesteuert, weil die Osterweihe in der Kirche ausgefallen ist. Die Osterkörbe sind von den Kunden sehr gut angenommen worden.“

 

 

Anita Jestl bestätigt das gestiegene Interesse für in der Region produzierte Lebensmittel: „Die Kunden wollen wissen, wo die Lebensmittel produziert wurden. Wenn sie hier bei uns im Virger Bauernladen einkaufen, kennen sie großteils auch den Bauer, der den Speck oder den Käse hergestellt hat. Wir zählen auch auffallend viele junge Familien zu unseren Kunden. Unsere Geschenkskistln sind als Präsente sehr gefragt, und die Feriengäste nehmen gerne Schnaps oder sonstige unverderbliche Produkte als Erinnerung an ihren Urlaub in Osttirol nach Hause mit.“

 

Das gesamte von Berno Mühlburger verarbeitete Wild stammt aus freier Wildbahn. Hirschgulasch, Rehragout, Gamseintopf, Wildsugo und Wild-Gulaschsuppe verkauft der Oberlienzer als „Wildspezialitäten im Glas“. Foto: Osttirol heute

 

Berno Mühlburger ist der neue Obmann des Lienzer Stadtmarktes. Über seine Firma „Bernos Tauernwild“ veredelt der Oberlienzer Wildbret und verkauft es hauptsächlich wieder in der Region. „Ich kaufe das Wild direkt von den Jägern aus den umliegenden Revieren. Neben Wildspezialitäten im Glas biete ich auch Wildwurstspezialitäten oder Henkele an und produziere zudem Tiefkühlprodukte, Wildfleischkrapfen oder Hirschleberknödel“, erklärt Berno, der als Stadtmarktwirt mit seinen Wildspezialitäten auch die BesucherInnen des Lienzer Marktes verwöhnt.

 

 

Der Lienzer Stadtmarkt hat nach dem Lock Down am Karfreitag erstmals wieder geöffnet. Wegen Sicherheitsbedenken wurde der Markt auf den Hauptplatz verlegt. „Es hat natürlich Umsatzeinbußen gegeben. Die Einheimischen kamen aber fleißig, um einzukaufen. Getränke und Essen darf inzwischen auch wieder ausgegeben werden. Es ist schwer zu sagen, wie es mit der Frequenz weitergeht. Wir haben sehr viele Stammkunden aus der Region, zusätzliches Geschäft steht und fällt wahrscheinlich mit den Gästen, die uns im Sommer besuchen werden. Wandern, Radeln und Natur werden wahrscheinlich die Trends im heurigen Sommer. Auch Regionalität und Ursprünglichkeit der Lebensmittel passen gut zu diesen Segmenten. Daher bin ich optimistisch, dass unser Stadtmarkt ein Anziehungspunkt bzw. ein Fixpunkt vieler Einheimischer und Gäste bleiben wird.“

 

 

Den Trend hin zu Regionalität beobachtet Berno Mühlburger „seit einigen wenigen Jahren“: „Ich glaube schon, dass das Bewusstsein für regional produzierte Lebensmittel durch die Corona-Krise verstärkt wird und hoffe, dass der Trend anhält. Die Landwirtschaft stellt sich auf diese Situation ein, und es gibt immer mehr innovative junge Bäuerinnen und Bauern, die sich neben der klassischen Landwirtschaft ein zusätzliches Standbein schaffen. Neben dem Verkauf über Bauern- und Hofläden wird auch der Vertrieb über so genannte Regiomaten immer beliebter.“

 

Im Dezember 2014 wurde in Matrei in Osttirol der an die Raiffeisenbank angeschlossene Talmarkt mit Café eröffnet. Das Angebot an typischen Osttiroler Spezialitäten reicht von Speck und Geräuchertem über frisch gebackenes Bauernbrot bis hin zu regionaler Handwerkskunst.

 

Obmann des Talmarktes in Matrei ist der Landwirt Philipp Jans. In Kals am Großglockner betreibt er auf 1.300 Metern Seehöhe gemeinsam mit seiner Familie den Figerhof. Der Hof ist bekannt für seine ausgezeichneten Ziegenmilch-Produkte. Philipp Jans ist in Osttirol zu einem Vorreiter in Sachen Direktvermarktung geworden. „Für die Landwirtschaft ist die Direktvermarktung eine große wirtschaftliche Chance. Sie ist aber sicher keine Allroundlösung. Die strukturellen und personellen Ressourcen am Hof müssen gegeben sein“, so Jans.

 

Die Ziegen am Figerhof in Kals werden täglich gemolken. In liebevoller Handarbeit stellen Philipp Jans und seine Frau Renate daraus Glocknerkugeln, Glocknerlaibchen, Ziegenjoghurt usw. her. Die Produkte vom Figerhof sind beliebte Köstlichkeiten auf dem Frühstückstisch, am Jausenteller und auch am Grill.

 

Den Talmarkt Matrei bezeichnet der Kalser als gute Plattform für alle Direktvermarkter in der Region. „In der Anfangsphase der Corona-Krise herrschte dort natürlich Stillstand. Der Umsatz der Hotellerie und Gastronomie für unsere bäuerlichen Lebensmittel ist komplett weggebrochen. In der Zwischenzeit hat sich der Absatz wieder stabilisiert“, erzählt Philipp. Vor allem auch während des Lock Downs hätten die von ihm gemeinsam mit Partnern betriebenen Regiomaten in Dölsach, Nußdorf-Debant und Gaimberg die Kunden stark angezogen.

 

 

Auch die Nachfrage nach Zustellservices sei in dieser Zeit gestiegen. Deshalb hat Philipp Jans gemeinsam mit Lois Lugger vom Bödenlerhof in Nußdorf sowie gleichgesinnten Bauern und Produzenten den Onlineshop Osttirol-kostbar gegründet. „Damit wollen wir regionales Einkaufen noch leichter machen. Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass das Bewusstsein für regionale und ehrlich produzierte Lebensmittel im Steigen begriffen ist. Für uns Bauern ist die Direktvermarktung eine große wirtschaftliche Chance. Man muss aber auch bedenken, dass ein großer Aufwand und viel Arbeit damit verbunden sind“, meint Philipp Jans abschließend.

 

 

Melanie Moser betreibt den Dolomiten Markt von Kurt Fritzer am Südtiroler Platz in Lienz.

 

Der Dolomiten Markt am Südtiroler Platz in Lienz hat nun wieder Montag bis Samstag von 9.00 bis 12.30 Uhr geöffnet. Das Angebot reicht von fünf verschiedenen Brotsorten, Speck, Geselchtem und Milchprodukten über Eier und geräucherten Forellen bis hin zu Edelbränden, Säften, Marmeladen, Nudeln und Tees. „Handwerkskunst aus Osttirol und Oberkärnten ergänzen unser Angebot. Wir bieten nicht nur Lebensmittel von etwa 30 Osttiroler Produzenten an, sondern z.B. auch Wein oder Zotter-Schokolade aus der Steiermark. Besonders beliebt sind zudem unsere Geschenkskistln“, erzählt Melanie Moser.

 

 

Der Dolomiten Markt hat auch während des Lock Downs immer offen gehabt. „Anfangs hatten wir eingeschränkte Öffnungszeiten, in Kürze wollen wir unser Geschäft auch wieder am Nachmittag öffnen. Viele Kunden – vor allem ältere – haben sich dafür bedankt, dass sie auch während der Corona-Krise bei uns einkaufen konnten. Selbstverständlich halten wir alle Vorschriften genau ein, aber es ist bei uns doch etwas ungezwungener und persönlicher als in einem großen Supermarkt. Und das schätzen unsere Kunden.“

 

 

Auch Melanie Moser ortet nicht erst seit der Corona-Pandemie eine Rückbesinnung auf Ursprünglichkeit, Regionalität und Natürlichkeit: „Wir haben sehr viele Stammkunden, die ganz genau wissen wollen, welcher Landwirt die Lebensmittel produziert hat. Ich glaube schon, dass die Corona-Krise diesen Trend hin zu regional und natürlich erzeugten Produkten noch einmal verstärkt.“

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol heute, Talmarkt Matrei, Figerhof

29. Mai 2020 um