ÖGB Lienz: „Im Pflegebereich ist es bereits 5 nach 12!“

Der ÖGB Tirol hat sich mit einem Programm an die Politik gewandt, um dem Pflegenotstand mit zukunftsfähigen Maßnahmen zu begegnen. 35-Stunden-Woche wird gefordert.

Als „Zukunftsthema Nummer 1″ bezeichnete der Tiroler ÖGB-Vorsitzender LA Philip Wohlgemuth den Pflegebereich bei seinem Osttirol-Besuch. „Pflege ist psychische und physische Schwerstarbeit. Schon vor der Pandemie haben wir einen Prozess zur Verbesserung der Rahmenbedingungen gestartet. Der Leidensdruck des Pflegepersonals ist mit Corona noch einmal größer geworden. Immer öfter hören wir von Beschäftigen im Pflegebereich, dass sie noch bis zum Ende der Pandemie durchhalten, dann aber in eine andere Branche wechseln wollen“, so Wohlgemuth einleitend. Die Gewerkschaft hat ein umfassendes Forderungspapier mit 41 konkreten Lösungsvorschlägen bzw. Forderungen erarbeitet, um Verbesserungen für das Pflegepersonal, aber auch für pflegende Angehörige und die zu Pflegenden selbst zu erreichen.

 

ÖGB-Vorsitzender Philip Wohlgemuth: „Die Drop-Out-Quote im Pflegebereich ist überdurchschnittlich hoch. Es wird immer wieder vom Leidensdruck der Unternehmer im Tourismusbereich gesprochen, vom Leidensdruck der Beschäftigen im Pflegebereich hört man jedoch wenig. Viele Pflegerinnen und Pfleger wollen nicht mehr im Pflegebereich bleiben, weil sie nicht mehr können!“

 

 

Für die Pflege brauche es laut Wohlgemuth die „3-M-Regel“: mehr Geld, mehr Personal, mehr Zeit. „Neben der längst überfälligen Umsetzung des Pflegepaktums – gleiches Geld für gleiche Arbeit – und einer Arbeitszeitverkürzung finden sich in unserem Programm auch Vorschläge für bessere technische Hilfsmittel, regelmäßige kostenlose Supervision und Physiotherapie, der Aufbau eins Personalpools zur Abdeckung von krankheits- oder urlaubsbedingten Ausfällen sowie eine Anstellung von pflegenden Angehörigen beim Land Tirol“, so Wohlgemuth. Mit „mehr Zeit“ sei nicht nur „mehr Freizeit“ gemeint, sondern auch mehr zur Verfügung stehende Zeit für die Betreuung der zu Pflegenden. „Generell fordern wir eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden im Pflegebereich bei vollem Lohnausgleich und die leichtere Erreichbarkeit der 6. Urlaubswoche“, so der Vorsitzende.

 

ÖGB-Regionalvorsitzender Willi Lackner: „Betreuung von zu pflegenden Angehörigen ist auch emotionale Schwerarbeit. Deswegen fordern wir für die Pflegenden den Anspruch auf zwei Wochen Auszeit zum Selbstkostenbeitrag von 50 Euro, wie das bei den Erholungswochen der Caritas bereits angeboten wird. Darüber hinaus braucht es psychosoziale Unterstützungsangebote.“

 

In den vier Osttiroler Wohn- und Pflegeheimen seien rund 400 MitarbeiterInnen beschäftigt, der Großteil von ihnen Frauen, informierte der Osttiroler ÖGB-Regionalvorsitzende Willi Lackner. „Dazu kommen rund 190 Pflegekräfte, die bei den Sozial- und Gesundheitssprengeln beschäftigt sind. Rund 80 Prozent der Pflege werden allerdings von zu Hause aus erbracht, und auch dort zum überwiegenden Teil von Frauen. Eine Anstellung der pflegenden Angehörigen beim Land von der Geringfügigkeitsgrenze bis zur Vollzeitanstellung – je nach Pflegeausmaß – wäre dringend notwendig, um diese Menschen abzusichern. Darüber hinaus setzen wir uns für ein Aus- und Weiterbildungsangebot für pflegende Angehörige ein“, so Lackner.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol heute/Mühlburger

14. Oktober 2021 um