Wenn jede Sekunde zählt: Auch Bergretter setzen immer mehr auf Recco-System

Bergretter Markus Bstieler erzählte uns vom Suchsystem auf Radarbasis, das Freizeitsportlern mehr Sicherheit gibt und Rettern die Suche nach Vermissten wesentlich erleichtert.

Magnus Granhed hatte am 30. Dezember 1973 ein Erlebnis, auf das er gerne verzichtet hätte: Er saß im Sessellift zum Mörvikshummeln im schwedischen Åre, als eine Lawine über die Steilhänge des Svartbergets abging. Nach etlichen Stunden Suche konnten zwei vermisste Skifahrer nur mehr tot geborgen werden. Das Gefühl der Hilflosigkeit, das Granhed mit dieser Katastrophe verband, ließ ihn nicht mehr los, und so begann er mit der Entwicklung eines neuen Suchsystems.

 

Markus Bstieler: „Recco-Reflektoren funktionieren immer. Erhältlich sind sie als Accessoires, häufig sind sie auch schon in die Ausrüstung eingebaut. Durch die bereits gute Verbreitung von Helikopter-Detektoren in der Schweiz, in Österreich und Italien ist der kleine, energieunabhängige Reflektor für jeden, der häufig in der Natur unterwegs ist, eine wichtige zusätzliche Sicherheitsreserve. Ich denke hier nicht nur an Tourengeher und Bergsteiger, sondern auch an Jäger, Pilzesucher oder Spaziergänger.”                                                                                            Foto: Martin Lugger

 

Das Recco-System besteht aus zwei Teilen – einem Detektor und einem Reflektor. „Ob Skifahrer, Tourengeher, Freerider, Bergsteiger oder Jäger – der Reflektor kann ganz einfach in der Kleidung getragen oder auf den Helm geklebt werden. Eingesetzt wird er inzwischen auch bei Tieren, wie z.B. Hunden, die den Reflektor im Halsband tragen”, erklärt Markus Bstieler, Ortsstellenleiter der Bergrettung Prägraten am Großvenediger. Der Reflektor empfängt bei einem Sucheinsatz das Signal, das vom Detektor ausgesendet wird, und reflektiert es zurück. „Die Einsatzkräfte nehmen dann ein Tonsignal wahr, das sie auf direktem Weg zu Verschütteten oder Verunfallten führt. So wird eine punktgenaue Ortung möglich.“

 

Prägratner Bergretter bei einer Übung mit dem Recco-Handdetektor

 

Kern des Systems ist eine hochentwickelte Radar-Technologie. „Die Reflektoren sind lebenslang haltbar und benötigen keine Batterien. Außerdem sind sie nicht teuer und somit für jeden leistbar. Retter setzen die mittlerweile neunte Generation an Detektoren ein. Sie sind nur mehr so groß wie ein Schulbuch und wiegen weniger als ein Kilogramm.“ Die Bergrettung Prägraten hat wie viele andere Ortsstellen die Recco-Handdetektoren im Einsatz, auf das System setzen aber auch Bergbahnen und Hubschrauber-Firmen. Zur großflächigen Suche wurde ein Helikopter-Detektor entwickelt, der in Österreich schon von vier Polizeihubschrauber-Stützpunkten (Innsbruck, Hohenems, Linz und Graz) verwendet wird. „Der Detektor hängt an einem Tau. Mit einem Suchkorridor von 100 Metern Breite kann die Hubschrauber-Besatzung 1 km² Gelände in etwa sechs Minuten absuchen.“

 

Der Recco-Hubschrauberdetektor hängt an einem Tau. Mit einem Suchkorridor von 100 Metern Breite kann die Hubschrauber-Besatzung 1 km² Gelände in etwa sechs Minuten absuchen.”

 

Bergretter Markus Bstieler betont, dass das Recco-System auf keinen Fall das Lawinenverschütteten-Suchgerät (LVS) oder den Lawinenairbag ersetzen kann. Recco-Reflektoren dienen, so Bstieler,  vielmehr im Winter als sinnvolle Ergänzung und sind im Sommer neben Suchhunden und aufwändiger
Handyortung eine weitere Hilfe für die Retter, um Vermisste oder Verunfallte aufzufinden. „Sucheinsätze sind wegen der Ursachenerhebung Sache der Polizei, wir Bergretter unterstützen sie im alpinen Gelände. Uns Rettern kann das System langwierige Sucheinsätze ersparen. Neben dem Einsatz bei Lawinenabgängen sehe ich auch im Sommer Verwendungsmöglichkeiten. Wenn jemand viel allein unterwegs ist, sollte er einen Reflektor – oder besser zwei – tragen. Es gibt bei uns im Gebirge noch Gegenden, wo es keinen Handyempfang gibt. Wenn man sich dort verletzt oder abstürzt und es nicht möglich ist, einen Notruf abzusetzen, kann ein Reflektor Leben retten”, betont der Prägratner Bergrettungs-Obmann, der meint, dass das Recco-System auch für die Tourismuswirtschaft von großem Vorteil sein könne.

 

Markus Bstieler stellt das Recco-System bei immer mehr Bergrettungsortsstellen und anderen Einsatzorganisationen im Rahmen von Vorträgen tirolweit und in umliegenden Bundesländern vor und steht Interessierten für weitere Informationen (Tel.: 0650/20 29 320, E-Mail: markus.bstieler@aon.at) gerne zur Verfügung.                                                                                                                                                                    Foto: Martin Lugger

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Bergrettung Prägraten (3), Martin Lugger (2)

06. März 2019 um