Mit Karton und Papier zum eigenen viktorianischen Haus

Die Verkleinerung des Originals ist die Leidenschaft von Hubert Lengdorfer aus Bruck an der Glocknerstraße. Jede freie Minute verbringt er in seinem Atelier in Piesendorf.

Viktorianische Häuser, Villen, englische Wohnzimmer, Stilmöbel – wie in einer kleinen Traumwelt fühlt man sich, wenn man das Atelier von Hubert Lengdorfer betritt. Hier verbringt der 24-jährige Pinzgauer, der im Brotberuf als Pflegeassistent arbeitet, einen Großteil seiner Freizeit, um an seinen Miniaturen zu arbeiten. „Ich kam als Frühchen auf die Welt und lag die ersten drei Monate im Inkubator. Ich musste um mein Leben kämpfen und war in meinen ersten Lebensjahren öfter im Krankenhaus als zu Hause“, berichtet Hubert von seinem schwierigen Start ins Leben. Später erkannte eine Lehrerin sein künstlerisches Talent. „Der Hubert zeichnet dreidimensional“, soll sie zu seiner  Mutter gesagt haben. „Ich habe schon immer bevorzugt mit Bleistiften gezeichnet und tue dies auch heute noch sehr gerne. Im Alter von 11 Jahren entdeckte ich meine Faszination für historische Gebäude und begann, diese in Miniaturform nachzubauen.“

 

 

Huberts erste Miniatur-Arbeit war das Haus der zauberhaften Schwestern aus der berühmten US-Serie „Charmed“. Mehr als 20 Mal baute er das viktorianische Haus mit Karton nach, bis er mit seinem Werk zufrieden war. Vor einigen Jahren stellte ihm dann sein Onkel im Gewerbegebiet von Piesendorf einen Raum zur Verfügung, in dem er sein eigenes kleines Atelier einrichtete. Hier tüftelt und baut der 24-Jährige oft stunden- und tagelang an seinen „Miniaturen“. Besonders haben es ihm Gebäude im viktorianischen Stil angetan. 300 Stunden hat er z.B. am berühmten Westerfeld-House, einem Wahrzeichen der US-Metropole San Francisco, gearbeitet. „Dafür ist eigens auch eine Produktionsfirma aus den USA angereist, um meine Miniatur in einer Dokumentation über das Westerfeld-House zeigen zu können“, freut er sich über internationale Anerkennung und Ehre.

 

 

Karton, Bristolpapier und Holzstäbchen sind die Grundmaterialien seiner Modelle. Präzise wie ein Chirurg und Schritt für Schritt arbeitet der Miniaturbauer an seinen Modellen. Den Stiegenaufgang der Titanic, das Weiße Haus in Washington oder Schloss Schönbrunn hat der junge Pinzgauer schon nachgebaut. „Im August 2016 habe ich mit meinem bisher umfangreichsten Projekt begonnen. Es soll ein Antikgeschäft werden, ein viktorianisches Gebäude inklusive einer sehr detailreichen Inneneinrichtung“, erzählt er. Ein besonderes Faible hat Hubert für Animationsfilme, für deren Produktion Miniaturen, wie er sie anfertigt, benötigt werden. Für die Produktion des Animationsfilms „Coraline“ wurde z.B. eines seiner Miniaturhäuser herangezogen.

 

 

„Mein großer Traum wäre es, hauptberuflich in diesem Bereich arbeiten zu können. Künstler, die dies tun, stellen nicht nur Miniatur-Häuser her, sondern fertigen z.B. auch Miniaturpuppen. Es gibt Landschaftsdesigner, die bis ins kleinste Detail gehen und z.B. auch einzelne Grashalme händisch anfertigen. Natürlich wird heute viel auch digital gemacht. Handarbeit hat aber viel mehr Herz. Das spürt man“, betont er und berichtet davon, dass es in London ein eigenes Studium für Modellbau gibt. „Leider kann ich mir die sehr hohen Studienkosten nicht leisten.“

 

 

Einen Kindheitswunsch hat sich Hubert Lengdorfer aber bereits erfüllt. Er reiste nach Maryland, um die Chefredakteurin der  amerikanischen Fachzeitschrift „Dollhouse Miniatures“ zu besuchen. „Auralea Krieger hat mich eingeladen. Es war für mich etwas ganz Besonderes, zum ersten Mal vor einem echten viktorianischen Haus zu stehen“, schwärmt Hubert von seiner Reise in die USA. Dorthin würde er gerne auch auswandern, sich sein Brot als Miniaturkünstler verdienen und in einem viktorianischen Haus leben. Bis dieser Traum in Erfüllung geht, wird man ihn jedoch wohl noch weiterhin jede freie Minute in seinem Atelier in Piesendorf antreffen.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol Journal

20. Mai 2018 um