Sonja Bertolini aus Sillian: Kreativität als Ausdruck der Seele

Die besten Ideen kommen „aus heiterem Himmel“, sagt man. Dass dem so ist, bestätigt auch Sonja Bertolini. Sie hat sich 2020 mit ihren „Holzfenstern“ ein zweites Standbein geschaffen.

Sonja Bertolini, eine geborene „Kühbacher“, ist in Sillian aufgewachsen – und hierher ist sie nach Jahren der beruflichen Tätigkeit im Ausland und persönlicher Verbindungen nach Südtirol auch wieder zurückgekehrt. In der Pustertaler Marktgemeinde liegt heute der Lebensmittelpunkt der 49-Jährigen und ihrer Familie. Ihre drei Kinder Elisa (20), Vanessa (18) und Jonas (11) bedeuten Sonja alles. Auf sie ist die alleinerziehende Mutter sehr stolz – und von ihren zwei Töchtern und ihrem Sohn erhält sie auch Unterstützung für das, was sie seit November 2020 antreibt.

 

 

„Bis zum Oktober 2020 war ich beruflich in der Kinderbetreuung im Almfamilyhotel Scherer in Obertilliach tätig“, blickt Sonja zurück. „Meine Arbeit hat mich voll ausgefüllt. Ich konnte in einem tollen Team arbeiten und habe sehr gerne für eine sinnvolle und abwechslungsreiche Beschäftigung der Urlauberkinder gesorgt.“ Mit dem zweiten Lockdown begann eine Phase, in der sich auch die Sillianerin, wie so viele andere Menschen, sprichwörtlich in der „Warteschleife“ wiederfand. Zunächst habe sie die freie Zeit genossen, führt sie aus. „Irgendwann wurde aber der Drang, etwas zu tun, etwas zu unternehmen, immer größer.“ Der Zufall brachte Sonja, die sich immer schon für alte Möbel und echtes Kunsthandwerk interessiert hat, im November 2020 auf die Idee, alten Naturholzfenstern neues Leben einzuhauchen. „Mit einem für die Zeit passenden Spruch versehen, habe ich ein Foto eines von mir bearbeiteten Fensters auf Facebook gepostet und unglaublich rasch ein großes Echo erhalten. Viele wollten wissen, ob ich auch für sie ein solches Accessoire für das eigene Zuhause bzw. als Geschenk für die bevorstehende Weihnachtszeit anfertigen könne. Gesagt, getan – bald bin ich, überrascht von der Nachfrage, kaum mehr mit der Arbeit nachgekommen.“

Nachdem sich aus ihrer ursprünglich kreativen Tätigkeit für die eigenen vier Wände ein in schwierigen Zeiten willkommener Zuverdienst entwickelte, meldete die Sillianerin, um allen gesetzlichen Vorschriften zu entsprechen, das Gewerbe an und ist bis heute fleißig dabei, ihre Werkstücke weiterzuentwickeln. Die alten Holzfenster bezieht sie, wie sie anmerkt, aus verschiedenen Quellen. „Fenster und Fensterrahmen aus dem Jahre Schnee, oft weit mehr als 50 Jahre alt und noch mit Holzstiften genagelt, findet man vielerorts. Manchmal lagern sie jahrzehntelang auf Dachböden oder in Scheunen.“

 

 

Sonja holt die Fenster ab und lässt sie, je nach Zustand, in der Hobbydrechslerei eines Freundes bürsten, abschleifen und lasieren bzw. legt selbst Hand an. „Mir ist es wichtig, den Originalzustand so weit als möglich zu belassen. Nur wirklich kaputte Teile werden renoviert.“ Die Glasteile der Fenster versieht Sonja mit den unterschiedlichsten Sprüchen und Motiven. „Ich verwende dafür Lackfarben in Weiß, Gold und Silber. Auf Kundenwunsch kommen natürlich auch verschiedene Farben zum Einsatz.“

 

 

Alle Fenster sind Unikate – und abgestimmt auf die jeweiligen Lebenssituationen und Wertigkeiten der Auftraggeber. „Jede Familie hat ihre Geschichte zu erzählen“ oder „Lache jeden Tag“ kann man auf den Fenstern, die bei unserem Besuch in Sonjas Wohnung auf den Versand warten, lesen. „Kreativ zu sein, bedeutet aus meiner Sicht, etwas zu entdecken, zu entwickeln und zum Ausdruck zu bringen“, lässt sie uns wissen und erzählt, dass sie in ihrem eigenen Leben schon so manche schwierige Phase durchtaucht hat. „Ich war nie der Typ, zu verzweifeln, sondern habe immer – auch aus der Verantwortung für meine Kinder heraus – nach vorne geschaut. Heute geht es mir gut. Ich kann mit vielem gelassener umgehen und schöpfe sehr viel Kraft aus mir selbst heraus.“ Den Ausgleich zu ihrem Alltag findet sie bei Aufenthalten im Wald und in der heimischen Bergwelt, in Yoga und Meditation. Ihre künstlerisch-kreative Arbeit möchte Sonja Bertolini auf jeden Fall beibehalten, auch wenn sie sich schon heute sehr darauf freut, wieder im Hotel mit Kindern arbeiten zu können. Die Ideen für neue Projekte gehen ihr nach eigenen Angaben „noch lange nicht aus“. Aktuell tüftelt sie an einem Vorhaben mit mundgeblasenem Glas. Eine eigene Werkstatt wäre ein Wunsch, einmal ausschließlich von ihrem Kunsthandwerk leben zu können, ein Traum. Ob es dazu kommt, „wird“, wie Sonja lachend meint, „die Zukunft zeigen!“

 

 

Text: Elisabeth Hilgartner, Fotos: Martin Lugger, Osttirol Journal

16. März 2021 um