Kosakenmuseum: Objekte mit einprägsamen Geschichten

Am Lienzer Hauptplatz, gegenüber der Antoniuskirche, findet sich im 1. Stock das Kosakenmuseum, eine kleines Einrichtung, die es wert ist, besucht zu werden.

Mittels ausgewählter Funde und Schenkungen, zahlreicher Erinnerungsstücke, wie Fahnen, Ikonen, Uniformen, Kappen, sowie einer kleinen Bibliothek mit Spezialliteratur in verschiedenen Sprachen wird im Kosakenmuseum in Lienz an jene tragischen Ereignisse im Mai 1945 erinnert, die sich im heutigen Lienzer Stadtteil Peggetz abspielten und als „Tragödie an der Drau“ in die Geschichte eingingen. Rund 25.000 Kosaken hatten im Frühjahr 1945 auf ihrer Flucht, aus Italien kommend, den Lienzer Talboden erreicht, viele weitere Tausende lagerten im angrenzenden Oberkärntner Drautal.

 

„Insgesamt waren es wohl weit mehr als 40.000 Menschen“, informiert Dr. Georg Kobro bei unserem Besuch Anfang Mai 2017 im Kosakenmuseum in Lienz. Der russisch-orthodoxe Erzdiakon aus Bayern, der viele Jahre an der Universität in Mainz lehrte, ist Obmann des Freundeskreises und Fördervereins Kosakenmuseum Lienz und ein versierter Kenner der Geschichte Russlands. Vor Kurzem hat er ein neues Buch über die Kosaken fertiggestellt, das auch im Museum in Lienz aufliegt. Er weiß vieles über dieses Wehrbauern- und Reitervolk zu berichten, dessen einstige Hauptsiedlungsgebiete im Don-, Dnepr- und Ural-Gebiet lagen.

 

 

Im Russischen Bürgerkrieg beteiligte sich ein großer Teil der Kosaken auf der Seite der zaristischen „Weißen“. Unter Lenin (1920) und danach Stalin wurde die Mehrheit der Kosaken daher kollektiv als „Anti-Bolschewiki“ verfolgt. Manche hegten später Sympathien für das nationalsozialistische Deutschland, welches sie als Bollwerk gegen Stalins Regime betrachteten. Auf dem Gebiet des früheren Jugoslawiens kämpften Kosakenverbände an der Seite des Dritten Reiches gegen die Partisanen. Ihre Familien siedelten in dieser Zeit im oberitalienischen Raum.

 

 

Gegen Kriegsende flüchteten die kosakischen Kampfverbände mit ihren Familien, um der Gefangennahme durch die Rote Armee zu entgehen. Über den Plöckenpass kommend, zogen Zehntausende nach Oberkärnten und Osttirol. Die Soldaten des schottischen Regiments der Argyll und Sutherland Highlanders, denen sie sich im Frühjahr 1945 ergaben, boten ihnen aber nicht den erhofften Schutz. Am 1. Juni 1945 räumte die Besatzungsmacht überfallsartig die Lager um Lienz und verfrachtete Männer, Frauen und Kinder per Eisenbahn in die Steiermark. Die Deportation war allerdings nur unter Gewaltanwendung möglich. Beim Abtransport spielten sich schreckliche Szenen ab, viele kamen ums Leben. Gemäß den Vereinbarungen der Konferenz von Jalta, aber im Widerspruch zur Genfer Konvention, übergaben die Briten die Kosaken an die Rote Armee, die sie nach Sibirien
deportierte. Für die allermeisten bedeutete dies das Todesurteil.

 

 

Zur Wiedereröffnung der musealen Einrichtung im heurigen Frühjahr hat uns die Lienzerin Erika Pätzold eingeladen. Sie war selbst einst als Kind Zeugin der Kosakentragödie und betreut heute ehrenamtlich den Kosakenfriedhof in der Peggetz samt Kapelle bzw. gibt im Museum ihre Erinnerungen und ihr Wissen gerne an Interessierte weiter. Bei ihr und Dr. Kobro, der uns zum Abschied stimmungsvolle russisch-kosakische Lieder vortrug, möchten wir uns für spannende Stunden bedanken, in denen Geschichte lebendig wurde!

 

 

Text: J. & E. Hilgartner, Fotos: Brunner Images, Osttirol heute

12. Mai 2017 um