Außervillgraten: „Universität im Dorf“ begeisterte

Zum bereits 17. Mal in Folge fand Anfang Dezember die Veranstaltungsreihe „Universität im Dorf“ im Haus Valgrata statt. Thema heuer: „Regional, global – egal?“

Wie es um das Spannungsfeld zwischen Regionalität und der zunehmenden Globalisierung steht, thematisierten ExpertInnen am 2. und 3. Dezember 2017 im Rahmen ihrer Referate im Haus Valgrata bzw. wurde dies gemeinsam bei anschließenden Diskussionen mit Interessierten erörtert.

Erfolgreiche Kooperation seit 17 Jahren

Seit dem Jahr 2000 ist die Universität Innsbruck jährlich am ersten Adventwochenende zu Gast in der kleinen Osttiroler Gemeinde Außervillgraten. Gemeinsam mit den Verantwortlichen vor Ort wird das Event jedes Jahr organisiert und möglich gemacht. Der Startschuss zur diesjährigen Veranstaltung fiel am 2.12., als Bürgermeister Mag. Josef Mair pünktlich um 14.00 Uhr ans Rednerpult trat. Mair begrüßte Ehrengäste wie Publikum als „Hausherr“ und als ARGE „Universität im Dorf“-Mitglied und sprach die Bedeutung des Rahmenthemas, das den Menschen in der Region nicht „wurscht“ sein dürfe, an. Die Wichtigkeit, Verantwortung im regionalen und globalen Kontext zu übernehmen, hob Univ.-Prof. Dr. Bernhard Fügenschuh, Vizerektor für Lehre und Studierende, als Vertreter der Universität Innsbruck hervor. Er stellte auch die einzelnen ReferentInnen vor und fungierte an beiden Tagen als Moderator des Events. Ihre Grußworte an die Anwesenden richteten außerdem LA Martin Mayerl und Univ.-Prof. Dr. Markus Schermer, stellvertretender Dekan der Fakultät für Soziale und Politische Wissenschaften der Universität Innsbruck.

Großes Interesse an der „Unversität im Dorf“ 2017 im Haus Valgrata in Außervillgraten

Vielfältige Aspekte rund um „global“ und „regional“

Univ.-Prof. Dr. Martin Coy vom Institut für Geographie startete in den Vortragsnachmittag mit dem Thema „Regionen und regionale Identität im Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Nachhaltigkeit.“ Er betonte, dass eine „Wiederaufwertung“ des Regionalen sowie der regionalen Identität auf der ganzen Welt zu beobachten sei. „Dies ist verbunden mit dem erhöhten Bewusstsein in Bezug auf die Verantwortung jedes einzelnen gegenüber seiner Region.“ Einhergehend mit der regionalen Aufwertung sei ein zunehmender Wettbewerb spürbar, viele Diskussionen hinsichtlich der „richtigen“ Regionalentwicklung würden geführt. Anschließend folgte das Thema „Tourismus zwischen globalem Wettbewerb und regionaler Positionierung“, aufbereitet von Univ.-Prof. Dr. Mike Peters vom Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus. Er sprach die Problematik der „richtigen“ Regionalentwicklung an und beleuchtete anhand eines Projektes zum Thema „Tourismus 2025“ die bevorstehenden Herausforderungen zwischen Digitalisierung und Analogisierung. Mike Peters: „Der kleinstrukturierte Tourismus könnte von der Bewegung `back to the roots` profitieren, allerdings unter der Voraussetzung, dass er auf die digitalen Bedürfnisse der Gäste reagiert. Der Tourist der Zukunft wird regional Authentisches im Rahmen der globalen Auswahl suchen!“

Weiter ging es, nach einer zwischenzeitlichen Pause, mit dem Thema „Regionale Bioproduktion als Gegenmittel zu Wachsen oder Weichen“. Referent Univ.-Prof. Dr. Markus Schermer stellte das Projekt „HealthyGrowth“ vor: „Dabei geht es um die Frage, wie sich Wachstum im biologischen Lebensmittelmarkt erfolgreich umsetzen lässt, ohne dass Integrität, Produktqualität oder das Vertrauen der Konsumenten auf der Strecke bleiben.“ Anhand des Beispiels „Bio vom Berg (BioAlpin)“ zeigte Schermer auf, dass nicht jeder Kleinbetrieb wachsen möchte bzw. kann. Vielmehr sei man an wertebasierten Lebensmittelsystemen interessiert, ganz nach dem Motto „Qualität vor Quantität“. „Das Ziel sollte ein multiplikatives Wachstum, d.h. ein Netzwerkwachstum durch mehr Beteiligte sein“, so der Wissenschaftler. Das Schlussreferat des ersten Tages präsentierte Univ.-Prof. Dr. Andrea Hemetsberger mit ihrem Projekt „Alpfoodways“ zum Thema „Immaterielles Kulturerbe in Wert setzen?“ 14 PartnerInnen aus sechs verschiedenen Ländern widmeten sich traditionellen Esskulturen im Alpenraum und beschäftigten sich mit der Frage, wie dieses kulturelle Erbe in alpenländischen Regionen nachhaltig in Wert gesetzt werden kann. „Esskultur hat mit Tradition, Werten, aber auch Respekt zu tun“, so die Universitätsprofessorin. „Die Kooperation erstellt ein Online-Archiv alpiner Essenstradition und identifiziert erfolgreiche regionale sowie überregionale Vermarktungsinitiativen, mit dem Ziel, die Alpenregionen zu stärken und ihr immaterielles Erbe zum UNESCO-Kulturerbe zu machen.“ Viel konnten die Anwesenden dabei über das „In-Wert-Setzen“ am Beispiel der Stanzer Zwetschken, der Pizzoccheri hin bis zur eigenen Akademie lernen.

Mein, unser oder aller Gott?

Bezug nehmend auf das Veranstaltungsthema, gestaltete Dr. Georg Fischer, SJ, vom Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie, die Heilige Messe mit dem Titel „Mein, unser, oder aller Gott?“ Er verwies bei seiner Predigt auf die drei Dimensionen der Religion, die sich in Form einer Bewegung vom Kleinen, Individuellen, über mittlere und ‚regionale‘ Größe hin zur gesamten Welt spanne. Es zeige sich, so Georg Fischer, ganz klar, dass all diese Dimensionen innerlich untrennbar zusammenhängen. Allerdings sollten die Schätze der eigenen Religion nie zu Abkapselung und Feindschaft führen, sondern für eine Verbundenheit mit allen Menschen öffnen. In den vergangenen Jahren sei immer deutlicher geworden, dass „… wir nicht nur an uns Menschen denken dürfen, sondern für die gesamte Erde Verantwortung tragen. Die menschliche Existenz ist weit mehr als regional oder global, und alles andere als egal. Sie ist ein unvergänglicher Wert und eine Fülle an Leben vor und mit Gott!“ Die Abendveranstaltung startete mit einer Kurzreportage über die „Fisser Gerste“. Es folgte eine interessante Diskussion mit den ReferentInnen und den Gästen DI Dr. Christian Partl von der Gruppe „AgrarLand Tirol“, Heinz Gstir von „Bio vom Berg“ sowie DI Wendelin Juen vom Agrarmarketing Tirol, bei der sich der Tenor herauskristallisierte, dass zwar global gedacht, aber regional gehandelt werden müsse.

„Wie viel Tirol ist möglich?“ und „Lebensräume im Wandel“

Am 3.12.2017 ging Dr. Erich Tasser von EURAC-Research auf die Frage „Wieviel Tirol ist in der Lebensmittelversorgung möglich?“ ein. Anhand einer regionalisierten Darstellung der Versorgungssituation könne, so der Referent, abgeschätzt werden, inwieweit auf eigenen Landwirtschaftsflächen genügend pflanzliche und tierische Produkte erzeugt und im Fall einer Krise für Nahrungszwecke bereitgestellt werden könnten. Hierzu wurde die Bilanz für Tirol aus historischer Sicht und in Form von Zukunftsszenarien näher in den Blickwinkel des Publikums gerückt. Weiters wurden zwei interessante Themen genauer analysiert: der Wandel im Bereich der Landnutzung und der Klimawandel. „Beides steht unmittelbar miteinander in Verbindung. So könnten schon in den nächsten Jahrzehnten andere Gegenden und andere Formen für die Landwirtschaft interessant werden“, meinte Erich Tasser.

Den letzten Vortrag der „Universität im Dorf“ präsentierte Ass.-Prof. DI Andreas Flora vom Institut für Gestaltung. Er informierte über den derzeit stattfindenden Universitätskurs „Lebens.Räume im Wandel nachhaltig gestalten“ und leitete dann zu aktuellen Beispielen über. Er betonte, dass Verantwortliche von Gemeinden und Regionen zunehmend mit neuen Herausforderungen bei der Gestaltung einer lebenswerten Zukunft konfrontiert seien. Hierzu sollte vor allem die Kommunikation zwischen SpezialistInnen, aber auch Betroffenen verbessert werden. Es müsse nicht zuletzt die Frage geklärt werden, was uns befähigt, Veränderungsprozesse im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu gestalten. Andreas Flora dazu: „Heimat ist nicht nur ein Ort, sondern viel mehr die Verantwortung jedes einzelnen. Es ist eine Transformation von uns selbst vom Konsumenten hin zum Akteur, und hierzu bedarf es sowohl bottom up-, als auch top down-Entwicklungen.“

Lebensraum Tirol 4.0

Als letzter Programmpunkt stand das Thema „Lebensraum Tirol 4.0“ im Mittelpunkt. Dabei handelt es sich um eine Einrichtung des Landes Tirol, die allen zukunftsorientierten Kräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Interessensvertretungen als professioneller Partner bei der Initiierung und Begleitung von innovativen Projekten Unterstützung bieten kann. Die GesmbH ist keine Fördereinrichtung, sondern eine Vernetzungs- und Koordinationseinrichtung, um Tiroler Vorzeigeprojekte in den fünf genannten Themenbereichen zu entwickeln und aktiv an der Umsetzung mitzuwirken.

Junge Uni im Dorf

Mit diesem Exkurs schloss die 17. Universität im Dorf, die mit über 100 ZuhörerInnen sehr gut besucht war. Parallel zur „Universität im Dorf“ ging auch heuer wieder die „Junge Uni im Dorf“ über die Bühne. Sie startete am Samstagvormittag und wurde von rund 80 SchülerInnen aus der Umgebung besucht. Erich Tasser begleitete die Kinder durch die Landschaft im Laufe der Zeit (Motto: Landschaft aus dem Koffer), und Univ.-Prof. Mag. Dr. Suzanne Kapelari sowie Maria Lerchbaumer, BEd, begeisterten den Nachwuchs mit einem Ausflug in die Ernährungsökologie.

Gelungene Veranstaltung

Ganz im Sinne der „Third Mission“ fand an den beiden Dezembertagen ein intensiver Austausch zwischen Menschen aus Gemeinde und Universität statt. Die eine oder andere Frage konnte beantwortet werden, viele neue wurden aufgeworfen. Bürgermeister Mair und Vize-Rektor Fügenschuh beendeten die 17. Universität im Dorf mit herzlichen Dankesworten an alle ReferentInnen und an das Publikum. Die 18. Universität im Dorf ist für den 1. und 2. Dezember 2018 geplant.

Text: E. Hilgartner, Fotos: Osttirol heute/HK, Told

15. Dezember 2017 um