Andy Holzer meldete sich vom Everest-Basecamp

16 Sherpas sind am Karfreitag durch eine Eislawine im Khumbu-Eisbruch ums Leben gekommen. Die Tiroler Alpinisten akklimatisieren sich im Basecamp weiter.

Was ist passiert? Wie soll man das werten? Wie viele Frauen haben jetzt keinen Mann mehr? Wie viele Kinder haben keinen Vater mehr? Was treffe ich selbst für eine Entscheidung, falls ich überhaupt noch in die Verlegenheit komme, den Khumbu-Eisfall zu durchklettern? Diese Fragen gingen Blind Climber Andy Holzer nach dem fürchterlichen Lawinenunglück vom Karfreitag, 18. April, durch den Kopf. Gemeinsam mit seinen Expeditions-Partnern, dem Amlacher Wolfgang Klocker und dem Zillertaler Daniel Kopp, ist er noch am gleichen Tag nach Lobuche abgestiegen und hat von dort aus den 6119 Meter hohen Lobuche East Peak bestiegen.

v..l.n.r.: Wolfgang Klocker, Daniel Kopp und Andy Holzer in Lobuche auf 4 915 Metern Seehöhe, von wo aus sie auf den Lobuche Peak stiegen.

v..l.n.r.: Wolfgang Klocker, Daniel Kopp und Andy Holzer in Lobuche auf 4915 Metern Seehöhe, von wo aus sie auf den Lobuche East Peak stiegen.

Die Akklimatisations-Tour auf diesen Gipfel war von Anfang an geplant. „Wir waren schon etwas erleichtert, diesen Ort des Unheils für einige Tage verlassen zu können. Das darf man nicht als Davonlaufen werten, wir konnten im Basislager so gut wie gar nichts beitragen“, berichtet Holzer in seinem Blog http://andyholzer.com/everest/. Emotional waren die Bergsteiger ziemlich mitgenommen, hörten doch einige im Basecamp den Lawinenabgang, der sich ca. zwei Kilometer Luftlinie und drei Gehstunden entfernt ereignet hat. „Wolfi sagte mir, er habe auch die Druckwelle mit einem kräftigen Windstoß an seinem Zelt deutlich gespürt“, erzählt Holzer von seinem Partner Wolfgang Klocker.

Am Morgen des Ostersonntags, 20. April, erreichten die Tiroler Alpinisten um 8.10 Uhr den Lobuche East Peak bei wolkenlosem Himmel. Bei einem Abseilmanöver zog sich NDR-Reporterin Juliane Möcklinghoff, die Andy Holzer und sein Team bei der Mount Everest-Expedition begleitet, eine Zerrung der Bänder zu. Am Ostermontag in der Früh brachen Andy Holzer und sein Team wieder zum Basislager auf. Als sie dort nach ca. drei Stunden ankamen, berichtete Dawa Stevens von Asian Trekking Andy Holzer und seinen Partnern erstmals detailliert vom Lawinenglück. Asian Trekking ist die Agentur, die den Blind Climber und sein Team bei der Espedition auf das Dach der Welt begleitet.

Ein Yak weist den Alpinisten den Weg auf den Lobuche East Peak.

Ein Yak weist den Alpinisten den Weg auf den Lobuche East Peak.

„Am 18. April gegen 7.00 Uhr Ortszeit ereignete sich im Khumbu-Eisfall zwischen Basislager und Lager 1 – oberhalb des so genannten Fußballfeldes – der Eissturz. Eine Leiter über einer Gletscherspalte musste repariert werden, wodurch ein Stau entstand und sich deshalb sehr viele Sherpas an derselben Stelle befanden. Wie viele andere trugen die verunglückten Sherpas die Lasten in die Lager 1 und 2, um den Weg in Richtung Gipfel mit Seilen abzusichern und die Lagerketten aufzubauen. Nach dem Unglück und den Bergearbeiten gingen alle Sherpas, also auch jene, die nicht unmittelbar vom Unfall betroffen waren, nach Hause. Sie kennen sich fast alle untereinander, und es ist wichtig, diese schwere Zeit bei den Familien zu verbringen“, so Stevens.

Es sei vereinbart, dass die Sherpas – also auch jene von Holzers Expedition – nach der Trauerwoche ins Basislager zurückkehren und selbst entscheiden, ob sie weitermachen oder nicht. „Je nachdem, wie viele Sherpas, ohne die hier nichts geht, sich für die Weiterarbeit entscheiden, wird auch konkret unsere Zukunft am Mt. Everest aussehen“, meint Andy Holzer. Wir sprachen am Dienstagvormittag, 22. April 2014, mit Andy Holzers Frau Sabine, die daheim in Tristach auch den Blog der Mount Everest-Expedition betreut. „Ich kenne Andy seit über 25 Jahren und war auch bei zahlreichen Touren mit dabei. Ich weiß, dass er die richtigen Entscheidungen trifft“, vertraut Sabine Holzer ihrem Gatten zutiefst. In die Vorbereitung der Expedition seien die Familien der drei Tiroler Bergsteiger stark eingebunden gewesen, und deswegen würden alle hinter ihnen stehen.

Eine Pujastätte mit Sherpas im Basecamp.

Eine Pujastätte mit Sherpas im Basecamp

Dass man sich nach der Besteigung des Lobuche Peak einen Monat lang bis ca. 20. Mai weiter bei Touren zwischen Basecamp und Lager 1 und 2 akklimatisiere, sei von vornherein so geplant gewesen. „Das Lawinenunglück mit den vielen toten Sherpas ist unwahrscheinlich tragisch und sicher auch für Andy, Wolfgang und Daniel ein Grenzgang. Ob sie den Mount Everest wirklich in Angriff nehmen können, wissen wir alle noch nicht. Ablenken kann sich Andy mit seinem iPod – er liest viele Bergbücher und Biographien – und hört besonders gerne Jazz-Musik“, erzählte uns Sabine Holzer.

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Archiv Holzer

22. April 2014 um