20 Jahre Pflegedienst ISL: Farbe in das Leben von Menschen bringen

Das gemeinnützige Unternehmen ISL führt seit 2000 als erster privater Pflegedienst in Österreich die Organisation und Qualitätssicherung in der 24 h-Betreuung durch.

Viele erste Male, viele erste Schritte in der Branchenlandschaft der 24 h-Betreuung in Österreich – die „Urgesteine“ des Pflegedienstes ISL erinnern sich an ihre persönlichen Momente der letzten 20 Jahre.

Karl Ebinger: „Wo bitte soll ich den Pflegedienst anmelden? Für das, was Sie tun, gibt es im Bereich von Pflege und Betreuung keine Bezeichnung.“ Für mich ist diese Aussage aus der Anfangszeit noch immer sehr stark präsent, obwohl schon 20 Jahre vergangen sind. Man konnte sich damals nicht vorstellen, dass eine private Institution diese Art von Leistung anbieten kann. Zudem stellte ein Anbieter für die 24 h-Betreuung in Österreich ein Novum dar. Es gab dafür noch keinen klaren gesetzlichen Rahmen, und es war sehr schwer herauszufinden, bei welcher Behörde und in welcher Form der Dienst angemeldet werden sollte.

Siegfried Klammsteiner: Zwei Monate an Vorarbeit waren notwendig, bis die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt waren. Ab 1. September 2000 konnten wir schließlich offiziell starten. Der Dienst wurde zunächst bei der Landesregierung in Tirol, dann in Salzburg, Kärnten und im Laufe von drei Jahren schließlich in ganz Österreich angemeldet. Immer wieder gab es erstaunte Gesichter und den skeptischen Hinweis: „Ja, Sie können das schon machen. Solange Sie nicht kommen und Geld dafür anfordern, ist das von uns aus schon in Ordnung.“

Martina Sommer: Ähnlich ging es mir, als ich meine Tätigkeit als Gebietsbetreuerin anmelden wollte. Mir war es wichtig, dass alles korrekt und ordentlich gemeldet ist. „Pflegedienstleitung? Pflegeaufsicht? Das trifft nicht zu! Gebietsbetreuung? Diesen Begriff gibt es im Gesundheitsbereich offiziell nicht, was soll ich jetzt eintragen?“, meinte der verzweifelte Beamte damals zu mir.

 

Am 28.8.2020 blickten „Urgesteine“ und MitarbeiterInnen des Pflegedienstes ISL gemeinsam auf die 20-jährige Geschichte, auf Erfolge ebenso wie auf schwierigere Zeiten, zurück.

 

„Kein Bedarf für eine 24 h-Betreuung? Wer wird schon 24 Stunden arbeiten?“

Nach der Anmeldung war das Bekanntmachen des Dienstes der nächste notwendige Schritt. Durch Annoncen in Zeitungen, Besuche in den Krankenhäusern hinsichtlich Entlassungsmanagement, bei Pflegedienstleitungen, Sozialarbeitern, praktischen Ärzten, mobilen Diensten und Sozialeinrichtungen haben wir Schritt für Schritt, Bundesland für Bundesland, unsere Öffentlichkeitsarbeit ausgerollt. Die Reaktionen waren höchst unterschiedlich.

Während die einen meinten, es sei höchst an der Zeit, der Bedarf sei absolut gegeben, hielten andere unser Vorhaben für unrealistisch. „Herr Klammsteiner, Sie werden sehen, es gibt für Ihr Angebot keinen Bedarf. Wir haben alles Nötige: Altenheime, mobile Dienste, Tageseinrichtungen. Überlegen Sie sich das wirklich gut! Sie werden Schiffbruch erleiden“, meinte eine Bedienstete der Landesregierung Tirol. „Eine gute Idee, absolut notwendig, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie Mitarbeiter finden, die den 24 h-Dienst machen werden! Zwei Wochen weg von zu Hause, bei der betreuten Person wohnen, nein, wie soll das funktionieren?“, das war zusammengefasst die generelle Einschätzung.

Der erste Kunde, die erste Sekretärin, die ersten Gebietsbetreuungen, die erste Pflegerin – war das aufregend!

Wir dachten, es werden wohl mindestens einige Monate an Investitionen ins Marketing notwendig sein, bis die ersten Anfragen kommen. Dem war nicht so! Kaum hatten wir den Dienst bekannt gemacht, klingelte schon das Telefon. „Wir haben Ihre Annonce gelesen, unsere Mutter kommt nächste Woche vom Krankenhaus nach Hause, wir brauchen Sie.“ Dieser Anruf führte rasch zum ersten Kunden.

Margret Klammsteiner: Ich erinnere mich noch sehr genau. Siegfried war außer Haus, ich hatte Telefondienst. Beim Kochen, beim Bügeln, dauernd läutete es. Auskunft geben, erklären, mitschreiben, notieren. Nicht nur einmal ist mir in dieser Zeit das Essen angebrannt. Und weil Siegfried gerade im Zillertal unterwegs war, habe ich ihn sofort verständigt, und er konnte unmittelbar die interessierte Familie besuchen. „Bin ich froh, dass ich wieder zu Hause sein kann!“ – diese Aussage unserer ersten Klientin, als die Pflegerin zur Pflegestelle kam, bleibt unvergessen! Erfreulicher Weise meldeten sich auch Diplomkräfte, wie Hans Wolf, Reinhard Brüstle und Boris Sidorenko, die von der Idee sehr angetan waren und auch die ersten Gebietsbetreuungen in Tirol, Salzburg und Kärnten übernahmen. „Das finde ich toll, das ist notwendig, das ist die Zukunft!“ – so ihre ersten Worte beim Kontakt mit ISL.

Jeder Mensch möchte in Frieden sterben!

In der Anfangszeit legten wir großen Wert darauf, dass die jeweilige BetreuerIn oder PflegerIn über die nötigen Vorkenntnisse und Erfahrungen für das jeweilige Krankheitsbild der betreuten Person verfügte. Jedoch war dies keine Garantie dafür, dass die Kunden mit der BetreuerIn auch zufrieden waren. Gerade in der 24 h-Betreuung spielt die menschliche Komponente, zusätzlich zum fachlichen Können, eine wesentliche Rolle!

 

 

Boris Sidorenko: Ich denke oft an eine Frau in Hermagor zurück, die zunächst keine Nähe, keine Beziehung zulassen konnte, bis wir nach wiederholtem Wechsel eine Betreuerin einsetzten, die selbst auch eher distanziert wirkte. Später erzählte uns diese: „Nun darf ich auch am Tisch gemeinsam mit der Kundin essen, bislang wollte sie immer alleine sein. Anschließend bleiben wir manchmal sogar noch sitzen. Sie erzählt Geschichten aus ihrem Leben, es gibt so viel, was sie beschäftigt und worüber sie reden will.“ Die Angehörigen der Frau konnten das fast nicht glauben. „Was habt ihr mit unserer Tante gemacht? Sie ist auf einmal so gesprächig, so kennen wir sie gar nicht“, meinten sie. Wiederholte Erfahrungen dieser Art haben unsere Arbeitsweise und vor allem auch den von uns auf die Fortbildung gelegten Schwerpunkt sehr geprägt.

Eingesperrt, aber nicht allein!

Heinz Krcek: In der 24 h-Betreuung lernt man das Leben und das Schicksal vieler Menschen kennen. Die Begegnungen sind immer wieder sehr bereichernd. Sehr nahe gegangen ist mir persönlich die Situation einer Familie im Tiroler Oberland: Der Vater zweier Töchter hatte die Diagnose „Lockedin-Syndrom“ erhalten. Er wirkte wie in seinem Körper eingesperrt. Er bekam alles mit, konnte sich jedoch nicht ausdrücken, lediglich mit dem Auge zwinkern, um ein Ja oder Nein anzudeuten. Dank der 24 h- Betreuung konnte der Mann nach Hause zu seiner Familie und gemeinsam mit seiner Frau die Entwicklung der heranwachsenden Kinder erleben. Die Familie hatte eigens eine Liege mit Betthöhe anfertigen lassen, sodass sie sich immer wieder zu ihm legen konnten. Sein Wunsch, mindestens so lange zu leben, bis seine Töchter erwachsen waren, ist in Erfüllung gegangen.

 

Milos Mihalik kommt aus der Slowakei. Seit 2018 betreut er Herrn Friedrich Perchinig hier in Lienz und ist zwischenzeitlich zu einem festen Familienmitglied geworden.

 

Die heilende Kraft der Familie im eigenen Heim

Andrea Philipp: Die Geschichte mit einem Baby war das Schönste, was ich erlebt habe. Eines Tages meldete sich die Salzburger Landesregierung und fragte, ob wir auch die Betreuung von Kindern übernehmen würden. Die Familie eines Neugeborenen, das auf Grund einer Lungenunterfunktion eine Beatmungsmaschine benötigte, wollte unbedingt, dass der Bub zumindest für die Zeit, die ihm noch bleiben würde, zu Hause sein kann. Laut Diagnose durften sich die Eltern nämlich keine allzu großen Hoffnungen machen. Der Kleine wurde dann zu Hause gepflegt und betreut. Nach drei Jahren benötigte er die Beatmungsmaschine nicht mehr, nach fünf Jahren benötigte er uns nicht mehr. Diesen „Kunden“ zu verlieren, war das Schönste, was uns passieren konnte! „Austherapiert, es geht nur mehr wenige Wochen“ – wie oft haben wir diesen Satz gehört und wie oft ist er Realität geworden? Zu Hause ist der Verlauf sehr oft anders als vorhergesagt!

 

Der Pflegedienst ISL arbeitete zunächst nur mit Kräften aus dem Inland, ab dem Jahr 2009 zusätzlich auch mit BetreuerInnen aus den neuen EU-Ländern. Um die Qualität der Arbeit zu sichern, wurde die ISL-Akademie ins Leben gerufen, die, in enger Zusammenarbeit mit den Gebietsbetreuungen, Fortbildungen und Lehrgänge zu praxisrelevanten Themen sichert.

 

Zitate großer Dichter als Begrüßungsritual

Heinz Krcek: Wie dies angefangen hat, kann ich gar nicht mehr sagen, aber irgendwann hat einer von uns als Begrüßung ein Zitat aus Goethes „Faust“ verwendet. Dies haben wir dann fortgesetzt, und somit war jeder Besuch auch von Vorfreude und Neugier bestimmt, was der Andere wohl dieses Mal von sich geben wird. Es hat mich sehr geehrt, als ich von einer Frau gebeten wurde, bei einer Beerdigung einige Worte zum Leben und zur Person zu sprechen. Begegnungen bereichern den Lebensabend, der Kontakt zu mehreren Menschen im Eigenheim wirkt oft nachhaltig belebend.“

Unsere ISL-Seminare haben wir oft als „Wanderzirkus“ bezeichnet!

Bereits nach wenigen Jahren haben wir mit Fortbildungen für unsere MitarbeiterInnen begonnen. 2007 wurde die ISL-Akademie gegründet, ein Basis- und Weiterführungskurs für Personenbetreuung wurde entwickelt. 2019 konnten wir das „Handbuch für Personenbetreuung“ publizieren. Bildung ist die Grundlage für Qualität, das ist unser Credo. Im Laufe der Zeit ist es gelungen, speziell für unsere Seminare eine gute Mischung aus Wissensvermittlung, Austausch untereinander, Begegnung von Kulturen, Horizonterweiterung und Verständnis füreinander zu finden. Da wir die Seminare nicht nur in Österreich, sondern auch in den Herkunftsländern (Slowakei, Ungarn, Rumänien, Kroatien) unserer MitarbeiterInnen organisieren, hat uns der Aufenthalt dort die Augen geöffnet, wie die Situation vor Ort ist, wie vielseitig Kultur ist oder wie lange die Reise dauert, die die BetreuerInnen auf sich nehmen.

Die ISL-Farbe und die Sonnenblume

Margret Klammsteiner: Für die Gestaltung von Prospekten standen letztlich die Margerite und die Sonnenblume in engerer Auswahl. Wir haben uns für die Sonnenblume entschieden, da sie den Spätsommer und den Herbst repräsentiert. Ein Großteil der Menschen, die wir begleiten, befindet sich im Herbst ihres Lebens. Jede Farbe drückt etwas anderes aus. Orange wirkt heiter, fröhlich und hat einen positiven, belebenden Charakter. Wir dachten, das passt gut zu unserer Arbeit, denn wir möchten Farbe in das Leben der Menschen bringen, deren Alltag oft eintönig und beschwerlich ist.

 

Mit Stolz und Demut blicken wir zurück auf unseren Weg. Wir bedanken uns bei allen, die mit uns ein Stück gegangen sind und freuen uns auf die Zukunft! www.pflege-rundum.at

 

Text: Siegfried Klammsteiner, Fotos: AdobeStock/focus-finder, ISL, AdobeStock/Jenny-Sturm, Celine Oberste-Lehn, AdobeStock/Peter Maszlen

13. Oktober 2020 um