Siegfried P. Gelhausen: Von der Kunst des genauen Blicks

Siegfried P. Gelhausen aus Dellach im Drautal ist einst mit Mundart-Lyrik in die literarische Szene eingetreten und widmet sich inzwischen auch der Prosa.

Geboren wurde Siegfried Paul Gelhausen im Jahre 1950 in Irschen, aufgewachsen ist er auf dem elterlichen Bauernhof in Pflügen. Die scheinbare ländliche Dorfidylle hat den Autor sein ganzes Leben lang geprägt. Sein kritischer Geist beleuchtet die Schwächen und Widersprüche seiner Mitmenschen mit einem feinsinnigen Humor und einem Hauch von Ironie.

„Schon früh verspürte ich das Bedürfnis nach Freiheit und wollte aus meiner Umgebung ausbrechen. Nachdem dies aber nicht möglich war, lebte ich meinen Freiheitsdrang zunächst beim Zeichnen und Malen aus. 1972 stellte ich zum ersten Mal in der Kellergalerie des Klagenfurter Stadthauses aus.“

1980 begann der Oberkärntner, Dialekt-Gedichte zu schreiben. „Die Lyrik ist bis heute meine bevorzugte Dichtform geblieben. In meinen Gedichten verarbeitete ich zunächst die Eindrücke meiner Kindheit, geprägt vom Aufwachsen in bescheidenen Verhältnissen und von meiner Beobachtung der kleinen Dorfgemeinschaft. Später kamen die Erlebnisse auf meinen Reisen hinzu.“

 

 

Sein erstes Buch „Wetterleuchtn“ veröffentlichte Gelhausen 1980 im Verlag Welsermühl. „Manchmal, wenn er nach langem Zögern den Mund auftut, redet er wie ein Prophet von Dingen, die mit der Verletzlichkeit des Lebens zu tun haben. Kärnten hat wieder einen Dichter“, schrieb der Schriftsteller und Journalist Humbert Fink Mitte der 80er-Jahre über den Autor.

1987 reiste Gelhausen nach Südostasien und lebte sechs Monate in einer Bambushütte auf der thailändischen Insel Phuket. 1988 brach er nach Südamerika auf. In der paraguayischen Hauptstadt Asunción betrieb er kurze Zeit das Restaurant „Tirol“, das zum Treffpunkt deutschsprachiger Einwanderer wurde.

„Paraguay war damals das Land meiner Sehnsüchte. Der Versuch, mir dort eine Existenz in Form eines Lokals aufzubauen, scheiterte jedoch kläglich. Viele wunderschöne, aber auch schreckliche Erinnerungen sind geblieben. Das schlimmste Ereignis war der Putsch gegen Präsident Alfredo Stroessner Anfang Feber 1989. Man konnte in diesen Tagen in Asunción weder Radio noch Fernsehen empfangen. In der Stadt wurde geschossen, und es gab viele Todesopfer.“

 

 

Sein „Abenteuer als Auswanderer“ hat der Oberkärntner im autobiografischen Roman „Tiroler Knödel in Paraguay“ mit viel Feingefühl und Humor beschrieben. „Eine etwas schräge, aber wahre Geschichte“, sagt er heute selbst über sein Buch. 1990 kehrte Siegfried P. Gelhausen nach Kärnten zurück, 1993 erhielt er den Preis für Dialekt-Lyrik der Freien Akademie Feldkirchen. Den Dialekt-Lyrikband „mei longe wondaschoft zur sunn“ veröffentlichte er 1994 im Verlag Carinthia.

In der Literaturzeitschrift FIDIBUS erschien 2002 „Im Schatten des Mangobaumes“, das Tagebuch über die Suche und Rückholung seiner sechsjährigen Tochter aus Paraguay. 2012 veröffentlichte er „Das Dorf“. Über die hochsprachlichen Lyrik-Texte in diesem Werk schrieb Peter Turrini: „Gelhausens Dorfbeschreibungen sind von einer düsteren Genauigkeit, von detaillierter Beobachtung scheinbar kleiner Vorkommnisse, aber daraus entsteht das große Bild!“ Für seine Lyrik wurde der Kärntner Autor 2014 mit dem „Kulturpreis der Stadt Klagenfurt“ ausgezeichnet.

 

 

Über den Roman „Das Kamillentee-Haus“ schrieb der bekannte Lesachtaler Schriftsteller Engelbert Obernosterer: „Ein exemplarisches Sittengemälde der Lebensumstände im Oberen Drautal um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Ob seiner Authentizität ist dieses Buch auch als Zeitzeugnis von hohem Wert.“ Neben vielen weiteren Auszeichnungen erhielt Gelhausen 2008, 2011 und 2020 den Kärntner Lyrikpreis.

Vor sechs Jahren wurde dem Dichter aus Oberkärnten eine besondere Ehre zuteil: Günther Ametsberger vertonte sein Werk „mei longe wondaschoft zur sunn“ in „Triptychon eines Einsamen“. Uraufgeführt wurde die Komposition im August 2018 beim Murau International Music Festival (MIMF) in der Steiermark von Streichern des Sinfonieorchesters der Universität Hohenheim, dem Solitude-Chor Stuttgart und dem Festival-Chor des MIMF.

In Kürze wird nun der nächste Roman von Siegfried P. Gelhausen mit dem Titel „Strohsack & Polenta“ erscheinen. „Ein untergetauchter Prinz, die Begegnung mit einem der mutmaßlichen Mörder von Marilyn Monroe, Hundertwasser und das Wörthersee-Mandl spielen unter anderem eine Rolle in diesem autobiografischen Roman. Entstanden ist er wie ein handgestrickter Pullover meiner Mutter. Mit dem Buch möchte ich meiner Großmutter ein literarisches Denkmal setzen – sie hat es verdient“, lässt uns der Autor abschließend über sein neuestes Werk wissen.

 

Aus dem Lyrik-Band „mei longe wondaschoft zur sunn“

 

i bitt schian,
himml, tua di auf
und schick noch a poor sunnenstrohln!
laß mi nit ols wia a blinda
durch wolkngraue schluchtn wondan.

drin in mir die kältn,
wia a schpiaglbild im tiafn brunn,
und wia a weißa, schiana vogl
fliagt mei seel
furt üba berg und tol,
weit übas wolknmeer
trogt sie da wind davon.

 

Die Bücher von Siegfried P. Gelhausen sind im Verlag Buchschmiede Wien erschienen. Erhältlich sind sie auch direkt beim Autor unter der E-Mail-Adresse gelhausen@gmx.at

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

30. März 2024 um