Josef Sebastian Brugger: Tischler, Bildhauer und Visionär

Die Objekte, Zeichnungen und Skizzen von Josef Sebastian Brugger aus Matrei in Osttirol laden über die bloße Betrachtung hinweg zum Diskutieren, Philosophieren und Sich-Öffnen ein.

Brugger absolvierte zunächst die Tischlerlehre in seiner Heimatgemeinde Matrei i.O., um dann von 1962 bis 1968 an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien zu studieren. Nach einer zwischenzeitlichen Tätigkeit in einem Architekturbüro in München legte er die Tischlermeisterprüfung ab, übernahm den Betrieb seines Vaters und baute ein Büro für Innenarchitektur auf. Nebenbei unterrichtete der Iseltaler an der Berufsschule in Lienz und am WIFI Innsbruck, wobei er in der Tiroler Landeshauptstadt unter anderem als Ausbildungslehrer zur Vorbereitung auf die Tischlermeisterprüfung fungierte.

 

 

Seinem tiefen inneren Bedürfnis folgend, der Pragmatik und Zweckgebundenheit klassischer  Tischlerarbeiten eine emotionale Komponente, gewissermaßen das „Herz“, hinzuzufügen, begann Brugger schon in jungen Jahren damit, neue künstlerische Zugänge zum Material Holz zu suchen. Sich selbst bezeichnet er heute als „Bildbauer“ und versteht darunter „das Handwerk des Tischlers in Symbiose mit Einflüssen aus der Architektur und einem künstlerischen Zugang zu dreidimensionalen
Formen. Es ist das Zusammensetzen von (Holz)Teilen zu einem Ganzen.“ Dabei ist es ihm jedoch sehr wichtig, zu erwähnen, dass er nicht in Konkurrenz zum klassischen Bildhauer treten, sondern vielmehr neue Perspektiven für das Handwerk des Tischlers schaffen möchte.

 

Josef Bruggers aktuelles Projekt ist die Herstellung von speziellen Osttiroler „Krapfenschnappern”. Diese Tradition müsse unbedingt wiederbelebt und erhalten bleiben, sagt er.

 

Eine bedeutende Komponente seiner Werke stellen für ihn auch die Farben dar. Seine drei Hauptausrichtungen sieht der Osttiroler Kunstschaffende in seinen Interaktionsskulpturen und Kopfvariationen – zu denen es jeweils einen Foto-Buchband, erschienen im effekt!-Verlag, gibt – sowie in den Schützen und Trachtenträgerinnen Tirols, die zurzeit in der Auslage seiner Galerie in Matrei i.O. zu sehen sind. Letztere entstanden aus dem ursprünglichen Bedürfnis, etwas zu gestalten, das der Volksseele nahekommt. Mit seinem Projekt will Brugger das Thema „befeuern“, dazu anstoßen, sich damit auseinanderzusetzen und zu hinterfragen, um letztendlich den Trachtenträger in ein neues, passenderes, vielleicht auch positiveres Licht zu setzen. Dabei verleiht er jeder einzelnen Figur einen speziellen Charakter, ohne zu sehr ins Detail zu gehen. „Überperfektion macht ein Produkt kaputt. Es verliert damit an Spannung“, hält er dazu fest.

 

 

Die Trachten der einzelnen Figuren sind auf das Wesentliche reduziert, gleichzeitig jedoch authentisch und eindeutig erkennbar. Der Wunsch des Menschen nach persönlicher Identität, nach Werten und nach Zugehörigkeit spiele dabei, so Brugger, eine große Rolle. Die Fragen „Wer bin ich?“, „Wo gehöre ich hin?“, „Was verbindet mich mit meinen Vorfahren?“ seien von enormer Wichtigkeit. Althergebrachtes und tradierte Werte könnten hier Antworten liefern. Als besonders interessantes Phänomen bezeichnet der Bildbauer auch das Nebeneinanderbestehen des Uniformen mit dem Individuellen: „Jeder Ort hat in seiner Tracht etwas Individuelles, aber im Gesamten bilden alle eine Einheit.“

 

 

Angesprochen auf die Waffen, welche die Schützen traditionsgemäß mitführen, meint der Matreier, diese seien als solche überbewertet und hätten nichts mit Paramilitarismus zu tun. „Sie stellen vielmehr ein Utensil dar, das zum Gesamtbild dazugehört“. Die Ideen für seine Projekte könne er zu jeder Tages- und Nachtzeit hervorbringen, erläutert er, der sich selbst auch als Querdenker versteht: „Es ist immer ein Denkprozess, der viel mit Emotionen zu tun hat. Die Ideen tauchen einfach so auf. Ich brauche dazu keine besondere Inspiration. Es ist wie ein inneres Getrieben-Sein, nicht immer einfach, aber dennoch da.“ Ihm ist bewusst, dass er mit vielen seiner Projekte künstlerisches Neuland betritt und seine Arbeit als Visionär vielleicht erst in fernerer Zukunft Anerkennung erfahren wird. Das ist ihm jedoch, wie Brugger meint, nicht so wichtig. Vielmehr ist für ihn von Bedeutung, dass er diese Objekte und Ideen erschaffen – gleichsam „in die Welt gebracht“ – hat.

 

Text: Mariella Raffler, Fotos: Martin Lugger

19. April 2019 um