Im Zeichen des Kreuzes: Tiefenthaler Kunstwerk für Matrei i.O.

Am Samstag, 16.3., wurde ein Standrelief des Künstlers Fritz Tiefenthaler gesegnet, das, als Schenkung, künftig am Friedhof der Iseltaler Marktgemeinde zu besichtigen ist.

Die stark abstrahierte Christusfigur verweist mit ihren dynamisch nach oben strebenden Formen auf die kommende Auferstehung – eine nicht nur für die bevorstehende Osterzeit passende Symbolik. Wie süchtig sind wir Menschen doch nach bildhaften Vorgaben, die Orientierungshilfe einerseits und als Unterstützung unserer Vorstellungswünsche andererseits dienlich und fördernd auf uns wirken sollen. Religiöse und symbolhaft unterlegte Bildzeichen zum Beispiel sind Teil aller Kulturkreise und begleiten entsprechend ihrer Genese und Wirkkraft die Menschheit und deren intellektuelle Orientierung. Der Tod Jesu am Kreuz und die damit für die christliche Religionsgemeinschaft vermittelte Heilsbotschaft erfährt erst zu Beginn des 4. Jahrhunderts ihre umfassende, signifikante Bedeutung – Konstantin der Große erkannte vor der Schlacht an der Milvischen Brücke (312) in einer Lichtvision für sich das Kreuzzeichen als Symbolbild des Sieges über das antike „Heidentum“ bzw. über seinen Rivalen Maxentius. Mit der anerkennenden Haltung des Kaisers gegenüber dem Christentum wurde auch das Zeichen des Kreuzes – vorwiegend noch ohne Christusdarstellung – zum wichtigsten Signum religiöser Intentionen.

Mehr oder weniger dramatische Darstellungen des vorerst triumphierenden oder später leidenden Corpus Christi bzw. Kreuzinterpretationen späterer Entstehungszeiten beschäftigen somit Kunstschaffende, den Klerus, Auftraggeber und Auftraggeberinnen, die Gläubigen sowie bezugnehmend auf epochale Zuschreibungen schlussendlich die Kunstgeschichte. Die Formalität des Kreuzes wird hier gleichauf zum Sinnbild der Erlösergeschichte – Christus wird zum Kreuzträger. Das Kreuz trägt Christus, vom Leben bis zu dessen Tod. In eschatologischer Erwartung wird Christus zum Kruzifix. Die bildliche und bildnerische künstlerische Umsetzung dieser zentralen sakralen Thematik zu einem fassbar figurativen Ensemble bedingt nicht minder die spirituale Einsicht oder Rücksicht der Kunstschaffenden eben dieser gegenüber. Die stilistisch mehr oder weniger expressiv gestalteten, jedoch naturalistisch komponierten Darstellungen Christi am Kreuz vermögen sich erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dieser Formentradition herauszuschälen und die Tendenz zur figurativen Abstrahierung auch intellektuell fortzuführen.

Der akademische Bildhauer, Medailleur und Restaurator Fritz Tiefenthaler (1929–2010), der in Matrei in Osttirol geboren wurde und über viele Jahre als Professor an der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien die Lehrtätigkeit ausübte, vertritt in seinem Werkfluss zwei stilistische Strömungen, die kaum entgegengesetzter sein könnten: Die offizielle Auftragssituation umfasst in unterschiedlichen Schaffensphasen neben der Arbeit als Kopist (z.B. Rathausmann oder Sandsteinskulpturen entlang der Ringstraße in Wien) vorrangig Skulpturales für den öffentlichen profanen und sakralen Raum, das neben expressiv Figurativem (1998: Albanus-Brunnen in Matrei i. O.) allen voran durch geometrisch Ornamentales (1965: Betonrelief Filialkirche Aderklaa/NÖ; 1967: Denkmal an der Felbertauernstraße) markiert wird.

Prozesshaft und künstlerisch diametral zu diesen Auftragsarbeiten angelegt, verfolgt der Bildhauer eine weitere, eigenständige Richtung in seinem Kunstwollen, indem die Reduktion auf das Figurativ-Wesentliche – die abstrahierte Form und deren Kontur – als zentrales Anliegen umgesetzt wird (z.B. 1997: Der letzte Sarkophag, Stadtgemeinde Lienz). Zeitgleich zum Albanus-Brunnen in Matrei konzipiert Fritz Tiefenthaler 1998 als Plastik ohne Auftragshintergrund das sakrale, hochrechteckige Monumental-Relief „Kreuzigung“ (Serpentin-Betonguss mit Bleieinlage). Ursächlich durch unsere erworbenen Sehmuster kann man Christus, den Leidenden am Kreuz, nur erahnen. Das Körperhafte nur angedacht, hebt er sich als verdichtete, mit Blei überzogene Kontur Raum einnehmend und dynamisch geschwungen deutlich vom dichten Betonfeld hervor. „Das Thema der Kreuzigung selbst und seine Darstellung in der Materialität von gegossenem Beton betont Erdenschwere und verstärkt den Eindruck von menschlichem Leid, während gleichzeitig durch seine einfache und fließende Form Erlösung aus diesem Zustand angedeutet wird“, beschreibt des Bildhauers Sohn, Martin Tiefenthaler, im Begleittext zur Sakralskulptur das hier realisierte künstlerische Konzept.

 

Die Schenkung der Kreuzmetapher aus dem Nachlass Prof. Fritz Tiefenthalers an seine Heimatgemeinde Matrei in Osttirol wurde 2023 restauriert, in Matrei neu montiert und schließlich vor Ostern 2024 für die Glaubensgemeinschaft am Friedhof der Pfarrkirche St. Alban aufgestellt.

 

Text: Eleonora Bliem-Scolari, Fotos: Journal/Franz Reifmüller

17. März 2024 um