Historiendrama „Die Pfaffin“ geht durch Mark und Bein

Robert Possenig und seinem Team ist eine aufrüttelnde und teilweise erschütternde Umsetzung des Romans von Fanny Wibmer-Pedit auf der Bühne vor Schloss Bruck gelungen.

Das tragische Schicksal der Emerenzia Pichlerin und ihrer Kinder bringt die Kulturinitiative Dölsach in diesem Sommer auf die Bühne, und zwar am Originalschauplatz der Hexenprozesse gegen die „Pfaffin“, Schloss Bruck in Lienz. Nachdem die Premiere am Freitag, 24. August, buchstäblich ins Wasser gefallen ist, besuchten wir die zweite Vorstellung am Montag, 27. August. Robert Possenig ist nicht nur der Initiator des Theaterprojektes, er ist auch Regisseur und tritt als Erzähler auf. Es geht um das Schicksal der Emerenzia Pichlerin, die nach 19 Monaten Hexenprozess, 60 Verhören und fürchterlicher Folter im September 1680 erdrosselt und als Hexe am Scheiterhaufen verbrannt wurde.

 

Das Kind Emerenzia, das im Pfarrhaus aufwächst und schon früh Lesen, Schreiben und sogar Latein lernt, spielt in eindrucksvoller Weise Julia Lindsberger.

 

Zunächst führte Emerenzia in St. Veit im Defereggental und Leisach ein einfaches Leben als Pfarrhäuserin – so kam sie zum Namen „Pfaffin“. Noch jung heiratete sie den Soldaten Christian Graf. Nachdem ihr erster Sohn Christian geboren wird, verliert sie ihre Arbeit als Häuserin. Gemeinsam mit Veit Kramer, einem abgehausten Bauern, hält sich die Familie mit Gelegenheitsarbeiten und Betteln über Wasser. Durch ihre schon als Kind beim St. Jakober Vikar erworbenen Kenntnisse in Lesen, Schreiben, Latein und Kräuterkunde war Emerenzia den Frauen ihres Jahrhunderts weit voraus. Sie half Tieren und Menschen mit Heilkräutern und wurde deshalb bezichtigt, eine Hexe und mit dem Teufel im Bunde zu sein.

 

v.l.n.r.: Julia Lindsberger (Emerenzia als Kind), Gerald Altenweisl als Vikar Schaudermann, Rosi Webhofer als Holzerin (Mutter von Emerenzia); stehend: Astrid Hochenwarter als Wehmutter Emerenzia Granteggerin und Kurt Krautgasser als Soldat

 

Eindrucksvoll stellt Julia Lindsberger Emerenzia als Kind dar. Die talentierte Schauspiel-Schülerin Edina Ladstätter aus Matrei brilliert in der Rolle der Pfaffin, die sich mit ihren Kindern durch ein armes und entbehrungsreiches Leben schlägt – in einer langen Phase, als sie durch Aberglauben, Hexenwahn und Denunziation zusehends in Misskredit gerät. Die gealterte Emerenzia, die mit ihren Kindern auf Schloss Bruck gefangen genommen, fürchterlich gefoltert und nach 19 Monaten Hexenprozess umgebracht und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird, spielt sehr berührend und aufrüttelnd Susanna Oberforcher.

 

Rosi Webhofer brilliert in der Rolle von Emernzias Mutter, Winfried Wenninger spielt den Vagabunden Davidle.

 

Robert Possenig führt als Erzähler gekonnt durch das Theaterstück. Es gelingt ihm in eindrucksvoller Manier, die Zuschauerinnen und Zuschauer in das historische Drama von Fanny Wibmer-Pedit hineinzuziehen. „Mensch bleibt Mensch“ – dieser Spruch fällt zum Schluss des Theaterstücks öfter. Landrichter Dr. Perckhofer, dargestellt von Hannes Rohracher, äußert des Öfteren Kritik an der harten und ungerechten Vorgangsweise gegen Emerenzia Pichlerin und stellt die Frage in den Raum, ob sich der Mensch über die Jahrhunderte wirklich weiterentwickeln kann. „Auch nach 300 Jahren hat der historische Stoff von Fanny Wibmer-Pedit nichts an Aktualität verloren. So standen Verfolgung und Denunziation bei uns auch noch in dunklen Zeiten des 20. Jahrhunderts auf der Tagesordnung und sind in vielen Gesellschaften bis heute präsent“, sagte Regisseur Robert Possenig in seinen einleitenden Worten.

 

Am Wirtshaustisch: Georg Dorer spielt den Soldaten Christian Graf, Emerenzias ersten Mann (Mitte stehend).

 

Der Kulturinitiative Dölsach ist eine eindrucksvolle Theaterproduktion zum historischen Roman von Fanny Wibmer-Pedit gelungen. 36 Frauen, Männer und Kinder versetzen Zuschauerinnen und Zuschauer in eine Zeit zurück, als in ganz Europa der Hexenwahn grassierte und unschuldige Frauen als Opfer eines fürchterlichen Irrglaubens auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Das Theaterstück berührt ganz tief, rüttelt auf und regt zum Nachdenken darüber an, wie wir auch in unserer modernen, globalisierten und digitalisierten Welt mit Minderheiten, Außenseitern, Gerüchten und Denunziationen umgehen sollen.

 

 

Weitere Aufführungstermine mit Beginn um jeweils 20.30 Uhr:
30. und 31. August sowie 1., 5., 6., 7., 13., 14. und 15. September

Parkplatz beim Schloss ist an den Aufführungstagen ab 17.00 Uhr gesperrt und autofrei. Die Auffahrt zum Gribelehof ist davon nicht betroffen. Parkplätze stehen bei der Hochsteinbahn und nördlich der Bundesstraße zur Verfügung. Shuttle für Bewegungseingeschränkte ab Parkplatz Hochsteinbahn

Karten zum Preis von 20 Euro bei allen Raiffeisen-Bankstellen in Osttirol und für 23 Euro an der Abendkasse. Absagen wegen Regen oder Sturm werden erst unmittelbar vor Beginn der Vorstellungen entschieden. Karten für abgesagte Vorstellungen gelten für einen anderen Aufführungstermin.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Kulturinitiative Dölsach

28. August 2018 um