Miniaturcomputer, die Leben retten, am BKH Lienz

Im menschlichen Körper geben spezielle Muskelzellen dem Herzen den Schlagtakt vor. Dies funktioniert problemlos, so lange das Herz gesund ist.

Das Herz schlägt und schlägt. Sind die Intervalle zwischen den Impulsen zu groß, benötigt es Unterstützung. „Es handelt sich hier um eine Problematik, die überwiegend Menschen höheren Alters betrifft“, weiß Univ.-Prof. Dr. Peter Lechleitner, Primar der größten Abteilung am Bezirkskrankenhaus Lienz (Abt. für Innere Medizin) und ein ausgewiesener Herzspezialist. „Weisen Patienten aufgrund der Degeneration des Impulsgebers eine langsame oder abnorme Herzfrequenz auf, kann dies zu Schwindelgefühl, Müdigkeit oder – bei Ausfall – sogar zu kurzfristiger Bewusstlosigkeit führen!“

Univ.-Prof. Dr. Peter Lechleitner: „Es gibt viele Faktoren, die den Herzschlag zeitweise oder auf Dauer aus dem Takt bringen können, mitunter bis zum Herzversagen.“

Univ.-Prof. Dr. Peter Lechleitner: „Es gibt viele Faktoren, die den Herzschlag zeitweise oder auf Dauer aus dem Takt bringen können, mitunter bis zum Herzversagen.“

Vor rund einem halben Jahrhundert wurde mit einer revolutionären Entwicklung ein Meilenstein in der Kardiologie gesetzt: Der Chirurg Ake Senning implantierte im Jahr 1958 den ersten vollständig in den menschlichen Körper eingebetteten Herzschrittmacher. Damals musste man dafür noch den gesamten Brustkorb öffnen. In Österreich verhalf erstmals 1963 ein implantiertes Gerät einem Patienten zu einem gleichmäßigeren Herzschlag. Seitdem hat sich ernorm viel verändert bzw. wurden wesentliche Fortschritte in der Weiterentwicklung der Herzschrittmachertechnologie erzielt. „Waren die ersten Geräte noch einfache, 150 Gramm schwere Herz-in-Gang-Halter, sind die modernen Herzschrittmacher leistungsstarke Monitoring-Systeme mit einem Fünftel des Gewichts der Pionierprodukte. Sie werden heute nicht nur Erwachsenen, sondern auch Kindern, etwa bei angeborenen Herzrhythmusstörungen, implantiert“, so Univ.-Prof. Dr. Lechleitner, der die hohe Bedeutung dieser Technologie für die Lebensqualität der Betroffenen hervorhebt. „Herzschrittmacher sind für die Patienten ein enormer Segen. Sie haben die chronische Medikamentenbehandlung von langsamen Herzrhythmusstörungen praktisch überflüssig gemacht.“

Eingehende Untersuchungen gehen einer Herzschrittmacher-Implantation voraus. Sehr wichtig sind auch die regelmäßige Nachsorge und Kontrollen durch den behandelnden Arzt.

Eingehende Untersuchungen gehen einer Herzschrittmacher-Implantation voraus. Sehr wichtig sind auch die regelmäßige Nachsorge und Kontrollen durch den behandelnden Arzt.

Ein Herzschrittmacher dient grundsätzlich dazu, ein zu langsam schlagendes Herz zu beschleunigen. Einsatzgebiete sind aber auch die Behandlung von Herzrhythmusstörungen und Herzmuskelerkrankungen bzw. Herzschwäche. Der Schrittmacher überwacht die Geschwindigkeit sowie den Rhythmus des Herzschlages und gibt bei Bedarf die nötigen elektrischen Impulse. Schrittmacher können heute ohne Öffnung des Brustkorbes eingesetzt werden, da die Elektroden durch die Venen in das Herz eingeführt und in den Herzhöhlen verankert werden. Von außen programmierbar, lassen sich die Geschwindigkeit und die Energie der Impulse beeinflussen. Abgefragt werden kann auch, wie voll die Batterien noch sind – diese halten durchschnittlich acht bis zehn Jahre und können dann in einem kleinen Eingriff ausgewechselt werden. Univ.-Prof. Dr. Lechleitner: „Die Größe des jeweiligen Schrittmachers hängt vor allem davon ab, welche Funktionen gefordert sind. Beginnend mit der Größe einer 2 Euro-Münze reicht die Palette bis hin zu Zündholzschachtel großen Monitoring-Systemen und darüber hinaus, wenn eine zweite Funktion, z.B. ein Defibrillator, miteingebaut ist.“

Das Einsetzen eines der Herzschrittmacher-Geräte ist in der überwiegenden Zahl ein geplanter operativer Eingriff. Seltener erfordern plötzlich auftretende schwere Herzrhythmusstörungen eine Notfall-Operation.

Das Einsetzen eines der Herzschrittmacher-Geräte ist in der überwiegenden Zahl ein geplanter operativer Eingriff. Seltener erfordern plötzlich auftretende schwere Herzrhythmusstörungen eine Notfall-Operation.

Weltweit leben Millionen von Menschen mit einem Herzschrittmacher, jährlich kommen ca. 600.000 neue Geräte hinzu. Am Bezirkskrankenhaus Lienz, das im Fachgebiet Kardiologie eine hohe Kompetenz aufweist, werden pro Jahr durchschnittlich 80 moderne Taktgeber implantiert. „Dabei handelt es sich jedoch um das gesamte Implantationskollektiv“, erläutert Dr. Gerhard Sint, erfahrener Oberarzt an der Internen Abteilung. Der Mediziner, der auch studierter Elektrotechniker ist, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Herzschrittmacher-Technologie. Er sagt: „Bei uns im Haus kommen neben herkömmlichen modernen Herzschrittmachern auch sogenannte CRT-D-Geräte zum Einsatz. Dabei handelt es sich um High-Tech-Produkte, die drei Funktionen gleichzeitig ausüben können: Zum einen sind sie Herzschrittmacher, wenn das Herz zu langsam schlägt. Zum anderen koordinieren sie die Pumpleistung des Herzens, und schließlich können sie als Kardioverter-Defibrillator lebensbedrohlich schnelle Rhythmusstörungen, wie Kammerflimmern, unterbrechen.“

Oberarzt DI Dr. Gerhard Sint beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Herzschrittmacher-Technologie. Er zeigt uns einen Loop-Recorder (kleines Bild links) und ein modernes Herzschrittmacher-Gerät inklusive der dafür notwendigen Sonden (Bild rechts).

Oberarzt DI Dr. Gerhard Sint beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Herzschrittmacher-Technologie. Er zeigt uns einen Loop-Recorder (kleines Bild links) und ein modernes Herzschrittmacher-Gerät inklusive der dafür notwendigen Sonden (Bild rechts).

Treten die eingangs erwähnten Symptome eines zu langsamen oder abnormen Herzschlages auf, sollte der Patient rasch einen Arzt konsultieren. „Zur Abklärung wird anfangs ein Ruhe-EKG bzw. ein 24-Stunden-EKG vorgenommen“, erläutert Dr. Sint die ersten Diagnoseschritte. „Tritt das Ereignis sehr selten, etwa einmal im Jahr, auf, ist das EKG natürlich nicht aufschlussreich. Bei dieser kleinen Patientengruppe kann ein implantierbarer Loop-Recorder unter die Haut eingesetzt werden, der die Daten als Langzeit-EKG speichert, die der Arzt dann abfragen kann. Dies ist sicher nicht bei jedem Patienten mit unklaren Herzrhythmusstörungen notwendig und auch nicht sinnvoll. Liegen aber z.B. unklare Schwindel- und Ohnmachtsanfälle vor, kann ein solches Gerät eine Klärung bringen. Eine differenzierte Betrachtung der Beschwerden unter Einbeziehung aller verfügbaren Informationen geht einer Implantation voraus. Der eigentliche Eingriff ist unkompliziert, das Gerät kann bis zu 3 Jahre im Körper verbleiben.“ Während das Einsetzen des Loop-Recorders relativ rasch erledigt ist, benötigen die Ärzte, die am BKH Lienz Herzschrittmacher implantieren (neben Primar Univ.Prof. Dr. Lechleitner und OA DI Dr. Sint auch OA Dr. Hansjörg Zwick sowie Assistenzarzt Dr. Christian Kögler), dafür durchschnittlich eine Stunde. Der Patient ist während der OP meist wach und erhält für die Schmerzfreiheit eine örtliche Betäubung. Sobald das Monitoring angeschlossen ist, setzt der Operateur einen Hautschnitt unterhalb des Schlüsselbeins. Hier verläuft ein großes Blutgefäß, das direkt zum Herzen führt. Der Arzt öffnet es und schiebt die biegsamen Sonden langsam durch die Vene bis zum Herzen vor. Um die richtige Position zu gewährleisten, wird der Brustkorb während des Eingriffes röntgenologisch überwacht. So lässt sich die Lage der Sonden überprüfen. Dann wird der Herzschrittmacher angeschlossen, der direkt unter dem Brustmuskel platziert wird. Schon kurze Zeit nach dem Eingriff kann der Patient langsam zu den täglichen Routinetätigkeiten zurückkehren. Man ist kaum eingeschränkt. Sport und Reisen, auch mit dem Flugzeug, sind kein Problem.

Text: E. & J. Hilgartner, Fotos: Martin Lugger

01. August 2015 um