„Forum Medizin“: Hochkarätige Tagung im Grand Hotel in Lienz

Am 18.10. hielt das „Forum Medizin“ unter Leitung von Peter Lercher und gemeinsam mit dem BKH Lienz/Primaria Dr. Birgit Volgger eine Tagung in Lienz ab.

Ein abwechslungsreiches Programm, erfahrene Vortragende aus ganz Österreich und der interdisziplinäre Austausch zwischen verschiedenen Berufsgruppen prägten die Veranstaltung, die unter dem Motto „Palliativmedizin – Menschlichkeit in der letzten Lebensphase“ stand.

Das Wort „Palliativmedizin“ leitet sich vom lateinischen Wort „pallium“ für „Mantel“ ab und meint damit „umhüllen oder „schützen“. Ein französisches Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert erfasst die Bedeutung dieses „Schutzes“, in dem es sagt: „Heilen manchmal, lindern oft, trösten immer“. Die WHO definiert „Palliativmedizin“ heute als die „aktive, ganzheitliche Behandlung von Patienten mit einer weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer begrenzten Lebenserwartung zu der Zeit, in der die Erkrankung nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht und in der die Beherrschung von Schmerzen, anderen Krankheitsbeschwerden sowie psychologischen, sozialen und spirituellen Problemen höchste Priorität besitzt“. In dieser Definition wird vor allem der interdisziplinäre Anspruch deutlich. Diesem gerecht zu werden, war auch das vorrangige Ziel der Veranstaltung in Lienz.

In Osttirol kann man seit 1. Mai 2019 für die medizinische, pflegerische und psychosoziale Unterstützung schwerkranker Menschen und ihrer Angehöriger in den eigenen vier Wänden wieder ein mobiles Palliativteam anfordern. Das Angebot wendet sich an schwer und unheilbar Kranke und ihre Angehörigen und wurde in den letzten Monaten zunehmend genutzt. In der Mehrzahl handelt es sich um Tumor-PatientInnen, die sich in ihrer letzten Lebensphase wünschen, diese Zeit im Kreis ihrer Familie zu verbringen. Das mobile Palliativteam steht aber auch für Menschen bereit, die aufgrund von Schmerzen, Bewegungseinschränkungen, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme oder anderen Beschwerden vermehrt Pflege und ärztliche Zuwendung benötigen und deshalb besorgt sind, inwieweit eine Entlassung aus dem Krankenhaus und eine Versorgung zu Hause möglich sein wird. Um ihnen diese Ängste zu nehmen, gibt es im Lienzer Krankenhaus die Möglichkeit eines umfassenden Gespräches. In dieses sind neben dem Palliativteam, den betreuenden Ärzten und Pflegepersonen auf Wunsch auch Familienangehörige miteingebunden. So kann gemeinsam die bestmögliche Versorgung vorbereitet und geplant werden. Dem „Mobilen Palliativteam Osttirol“ gehören neben DGKP Christine Ganeider auch die diplomierten Pflegekräfte Svenja Resinger und Miriam Stabinger an. Als Leiter fungiert Dr. Clemens Skrabal. Er konnte bereits an mehreren Stellen in Österreich Erfahrungen sammeln und war in den letzten Jahren im Rahmen des „Mobilen Palliativteams Villach“ tätig.

In der Kärntner Draustadt gibt es das Angebot zur mobilen Versorgung von Betroffenen aus dem Raum Villach bereits seit einigen Jahren. Die Tätigkeit des Villacher Palliativteams wurde auch bei der Tagung in Lienz vorgestellt. Gemeinsam mit Dr. Wolfgang Danhofer, Allgemeinmediziner aus Greifenburg, berichtete Dr. Susanne Zinell (Mobiles Palliativteam Kärnten/LKH Villach) von der hervorragend funktionierenden Zusammenarbeit zwischen dem mobilen Palliativteam und den niedergelassenen Ärzten. Gegründet wurde das „Mobile Palliativteam Villach“ von Prim. Univ-Prof. Dr. Rudolf Likar, Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Themen Palliativmedizin und Schmerztherapie, ist Mitbegründer der österreichischen Schmerzgesellschaft und Autor mehrerer Fachbeiträge. Beim „OnkoUpdate“ in Lienz unterstrich er die dringende Notwendigkeit einer zufriedenstellenden Schmerztherapie für Menschen, die palliativ betreut werden. Sein Tenor: „Nur wenn zermürbende Schmerzen unter Kontrolle sind, ist ein weiterer Zugang zu den PatientInnen bzw. der Erhalt von Lebensqualität in der palliativen Betreuung möglich.“ Univ.-Prof. Dr. Barbara Friesenecker, stellv. ärztliche Leiterin der Abteilung für Allgemeine und Chirurgische Intensivmedizin an der Universitätsklinik Innsbruck, konnte die ihr gestellte Frage nach der Möglichkeit des „Verhungern und Verdurstens“ am Lebensende klar beantworten. Sie wies in ihren Ausführungen nicht nur auf die gesetzliche Verpflichtung hin, Wissen und Erfahrung zum „Wohle der Kranken“ und zum „Schutz der Gesunden“ einzusetzen, sondern auch auf den ethischen Grundsatz des „Selbstbestimmungsrechts des Patienten“.

Grundsätzlich bedeutet der Einsatz von Palliativmedizin nicht, dass „nichts“ mehr getan werden kann, sondern bezeichnet therapeutische Maßnahmen, deren Hauptaugenmerk auf der Linderung von Beschwerden und Symptomen liegt. In diesem Zusammenhang kommt auch der Strahlentherapie, etwa bei der Behandlung von Knochenmetastasen, die zu einem Knochenbruch führen können oder starke Schmerzen verursachen, große Bedeutung zu. Dass diesbezüglich ebenfalls die Linderung von Beschwerden im Vordergrund steht, wurde von Dr. Christine Orasch, Oberärztin am Institut für Strahlentherapie/Radioonkologie des Klinikums Klagenfurt, klar formuliert. Anhand von Fallbeispielen konnte sie die Möglichkeiten der Strahlentherapie aufzeigen. Auf einen anderen Aspekt, der in der letzten Lebensphase von Menschen mitunter beobachtet wird – nämlich dass die Wahrnehmung der Umgebung nicht oder nur mehr eingeschränkt möglich ist und Unruhe oder verlängerte Schlafphasen auftreten – ging OA Dr. Dietmar Weixler, Palliativmediziner und Notarzt vom Landesklinikum Waldviertel, ein. Er widerlegte in seinem Referat die Vermutung, dass dieser  Verwirrtheitszustand – ein „Delir“ – womöglich einen Schutzmechanismus darstelle, um der unmittelbaren Realität zu entfliehen. Vielmehr schütze die Behandlung des Delirs und das Rückführen der Wahrnehmung in die unmittelbare Realität die PatientInnen vor alptraumhaften Geschehnissen, die so ähnlich womöglich in der  Vergangenheit stattgefunden haben. Zahlreiche Fragen, die PatientInnen und ihre Angehörigen im Rahmen der Betreuung immer wieder stellen, betreffen rechtliche Aspekte. Mag. Sabrina Allmaier von der Rechtsabteilung des Bezirkskrankenhauses Lienz konnte in ihrem Vortrag die Unterschiede zwischen Patientenwille und Patientenverfügung herausarbeiten. Außerdem sprach sie auch die Änderungen der Handhabung durch das neue Erwachsenenschutzgesetz an. Mit den unterschiedlichen Methoden und Therapien der Komplementärmedizin, aber auch dem vieldiskutierten Thema „Methadon“ beschäftigte sich Dr. Walter Wührer, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Salzburg. Im Mittelpunkt seiner Arbeit steht, wie er informierte, immer die Gesamtheit des Menschen.

Die Reihe der vielfältig besetzten Tagungsbeiträge wurde mit den Vorträgen von Mag. Maria Radziwon, Krankenhausseelsorgerin am BKH Lienz, und Harald Mori MSc, Psychotherapeut und Dipl. Psychoonkologe aus Wien, abgerundet. Maria Radziwon betonte die Bedeutung eines einfühlsamen, empathischen Umganges mit Betroffenen und deren Angehörigen. „In der Hektik des Krankenhausalltages fallen manchmal Worte, die auf PatientInnen und deren Familienmitglieder eine verletzende oder sogar niederschmetternde Wirkung haben können. Solche Situationen sind leider nicht immer vermeidbar. Umso wichtiger ist ein Bindeglied außerhalb des Krankenzimmers, das wieder eine Basis für eine funktionierende Kommunikation herstellt“, so Radziwon. Sie erläuterte auch, dass die seelsorgerliche Begleitung ein offenes Angebot sei. „Auch wenn Seelsorge im Vertrauen auf Gott passiert, möchte ich auch Menschen erreichen, die sich der Kirche nicht verbunden fühlen oder einer anderen Konfession angehören.“ Für Harald Mori MSc, einen Schüler Viktor Frankls, steht besonders die Sinnfrage am Ende des Lebens im Mittelpunkt der persönlichen Wahrnehmung, was sich auch bei seinem Vortrag deutlich herauskristallisierte.

Zum Abschluss der Veranstaltung nahmen viele die Möglichkeit zu offenen „Kamingesprächen“ wahr, wobei u.a. die Vorsorge bzw. die Krankheitsvermeidung durch Veränderungen des Lebensstils rege diskutiert wurde. Eine Folgeveranstaltung des zweiten OnkoUpdates ist bereits für Anfang Oktober 2020 geplant.

 

Text: Redaktion, Foto: Osttirol heute

19. Oktober 2019 um