Corona-Krise: News aus dem Bezirkskrankenhaus Lienz

Mit neuen Informationen meldet sich heute der Ärztliche Leiter des BKH Lienz zu Wort. Er geht auf aktuelle Zahlen und Organisationsstrukturen ein, die für uns alle von Interesse sind.

Hier die Ausführungen von ÄL Primar Dr. Martin Schmidt, der den „COVID-19-Einsatz- und Krisenstab“ am Bezirkskrankenhaus Lienz leitet, im originalen Wortlaut.

Aktuelle Fallzahlen
Derzeit gibt es 105 positiv getestete Fälle in Osttirol, darunter laut Analyse von Dr. Gernot Walder auch bereits sieben Genesene im Iseltal. Im BKH befinden sich aktuell 6 positiv getestete PatientInnen in stationärer Behandlung auf einer isolierten Infektionsstation. 5 „Verdachtsfälle“ befinden sich bis zur virologischen Abklärung auf einer, von der Infektionsstation getrennten Isolationsstation und 5 PatientInnen auf einer Intensivstation, 3 davon beatmet. Insgesamt wurden bereits 290 MitarbeiterInnen des BKH getestet. Am Samstag, dem 28.03.2020, wurden alleine 93 MitarbeiterInnen quer durch alle Berufsgruppen im Rahmen eines Screenings getestet, wobei alle Testergebnisse negativ waren.

Krankenhausbezogene Maßnahmen
Seit Einführung der generellen Maskenpflicht für MitarbeiterInnen des BKH Lienz am 16.03.2020 sind keine MitarbeiterInnen mehr positiv getestet worden. Für schwangere Mitarbeiterinnen haben wir bereits frühzeitig (also noch vor österreichweit geplanten Maßnahmen der Bundesregierung für MitarbeiterInnen im Hochrisikobereich) eine generelle „Dienstfreistellung“ angeboten, wovon auch Gebrauch gemacht wird. Zur generellen Maskenpflicht ist grundsätzlich festzustellen, dass es in „Normbereichen“ des BKH darum geht, durch MMS-Masken vorrangig einen Fremdschutz aufzubauen, mit dem Ziel, dass PatientInnen nicht durch Personal angesteckt werden können.

Hygienemaßnahmen
Es erweist sich zunehmend als Problem, dass Angehörige wegen der stark eingeschränkten Besuchsmöglichkeit diverse Taschen und Koffer, aber auch Essen und Getränke, usw., beim Portier abgeben wollen, damit dies ihren Angehörigen gebracht werden soll. Aus hygienischen Gründen ist es aber unabdingbar darauf hinzuweisen, dass Angehörige lediglich das Nötigste an persönlichem Bedarf vorbeibringen. Insbesondere Essen, Getränke und Blumen dürfen leider nicht eingeschleust werden.

Zur Versorgungsstruktur
Das BKH Lienz ist bestmöglich nach einer bereits zwei Monate andauernden Vorlaufzeit vorbereitet. Es wurden voneinander getrennte Versorgungsstrukturen für „Verdachtsfälle“ und positiv getestete PatientInnen, welche stationär behandelt werden müssen, ohne dass sie intensivpflichtig sind, eingerichtet. Im ambulanten Setting wurde auch eine getrennte Lösung für Dialyse-Patienten mit eigenem Zugang geschaffen und ist auch parallel eine komplette Intensivstation funktionsfähig. Innerhalb kürzester Zeit können dadurch PatientInnen mit einem zunehmend schlechteren Krankheitsverlauf engmaschig beobachtet und ggfs. zu einer Intensivbehandlung auf kurzem Weg hausintern verlegt werden.

Regelmäßige Strategiebesprechungen
Es finden regelmäßig Strategiebesprechungen statt, um zu entscheiden, ob wir auf unterschiedliche Versorgungsszenarien ausreichend flexibel, anpassungsfähig und effizient reagieren können. In diesem Zusammenhang werden dauernd Deeskalations- und Eskalationsstrategien geprüft. Unter Leitung von Gesundheitslandesrat Univ.-Prof. Dr. Bernhard Tilg finden einmal wöchentlich Sitzungen des „Medizinischen Einsatzstabes Tirol“ statt: In diesem sind sämtliche Krankenhäuser Tirols vertreten. Unter anderem sind diese Stabsitzungen für alle Kliniken und Krankenhäuser bedeutsam, damit versorgungsstrategische Überlegungen – vor allem im Intensivbereich – gemeinsam auf Landesebene diskutiert und umgesetzt werden können: Diesbezüglich gibt es auch bereits Absprachen für eine mögliche Überstellung „intensivpflichtiger PatientInnen“ bei Überschreitung unserer hauseigenen Kapazitäten. Derartige Planungen und Überlegungen werden aktuell auch bereits bundesweit von der Bundesregierung (Gesundheitsministerium) angestellt.

Frühzeitige Einschätzung aktueller Entwicklungen
Wesentlich für die Aufrechterhaltung des Versorgungsauftrages unseres Krankenhauses und für die, flexibel der jeweiligen Situation angepassten Kapazitätsplanungen, ist die frühzeitige Erfassung und Einschätzung der extramuralen Versorgungslage: So ist beispielsweise die Frage mitentscheidend, wie viele PatientInnen zuerst durch HausärztInnen und EpidemieärztInnen behandelt werden können. Dazu findet u.a. täglich eine Telefonkonferenz zwischen Dr. Franz Krösslhuber und Prim. Univ.-Doz. Dr. Andreas Mayr statt. In den Telefonaten wird abgeklärt, wie viele PatientInnen möglicherweise stationär in den nächsten Tagen behandlungspflichtig werden könnten. Auch die Situation im Wohn- und Pflegeheim Lienz mit dem dafür von der Gesundheitsbehörde bestellten Internisten Dr. Christian Kögler wird von uns mit bedacht und im Rahmen unserer Möglichkeiten unterstützt. Dadurch ist ein gezieltes Betten- und Personalmanagement auch unsererseits möglich. Diese Formen guter Zusammenarbeit sind von grundlegender Bedeutung für die weitere Entwicklung!

Ein Beitrag zur guten Stimmung im Haus
Die „Pizzeria Leonardo“ hat MitarbeiterInnen unseres Krankenhauses dankenswerterweise 100 Pizzen und die Eisdiele „Il Gelato“ Eis spendiert. Im Namen unseres Hauses und aller MitarbeiterInnen darf ich mich für diese Beiträge zur Aufrechterhaltung der guten Stimmung bedanken!

Danke an unsere MitarbeiterInnen
Seitens der Einsatzstabes darf ich mich an dieser Stelle auch bei sämtlichen unserer MitarbeiterInnen für ihr hohes Engagement und ihre flexible Anpassungsfähigkeit an die außergewöhnlichen Anforderungen, welche die „Corona-Krise“ an alle stellt, besonders bedanken.

Geplante Maßnahmen des Einsatzstabes
Es wurde schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass im BKH Lienz keine Quarantänestation „für nicht stationär behandlungspflichtige Menschen“ vorhanden ist. Unser strategisches Konzept umfasst ausdrücklich keine derartige Einrichtung. Um entweder Verdachtsfälle oder Betroffene mit milden Krankheitsverläufen, welche nicht stationär aufgenommen werden müssen, adäquat versorgen zu können, werden extramurale Versorgungsmöglichkeiten – im Sinne der behördlich und medial angekündigten „medizinischen Notstationen“, die das Land Tirol vorsieht – dringend notwendig sein. Konkret bedeutet dies, dass Menschen mit einer nicht ausreichenden häuslichen Versorgungsstruktur dort prioritär aufgenommen werden müssen.

Pflegesituation spitzt sich zu
Es ist bekannt, dass sich die Versorgung insbesondere älterer BürgerInnen auch in unserem Bezirk zunehmend verschlechtert, weil etwa die 24-h-Pflege entfällt, Angehörige mit der Pflege überfordert sind oder positiv getestete versorgungsbedürftige Menschen aufgrund der behördlich verordneten Hausquarantäne gar nicht übernommen werden dürfen. Zwar hat das Land Tirol im Wege der BH Lienz auch in Osttirol in Aussicht gestellt, diese „medizinischen Notfallstationen“ sowie eine „Pflegestation“ – ebenfalls nicht für Verdachtsfälle und Infizierte – zu installieren. Bislang liegen hier noch keine Umsetzungsergebnisse vor. Um aber tatsächlich gewährleisten zu können, dass die von uns geplanten Plätze auf den Isolations- und Infektionsstationen ausschließlich für im Krankenhaus stationär Behandlungspflichtige zur Verfügung stehen, sehe ich hier dringenden Handlungsbedarf. Das BKH Lienz ist jederzeit bereit, bei der Organisation und Koordination in Form einer entsprechenden Schnittstelle sowie möglicherweise auch im Pflegebereich, nicht aber im medizinischen Bereich mitzuhelfen.

 

Text: Redaktion, Foto: Osttirol heute

31. März 2020 um