Inklusion und Kreativität: Ein Wochenende der Begegnung im Anraser Pfleghaus

Die KünstlerInnen der Kunstwerkstätten Lienz und „Akzent” in Bruneck stellten ihre Werke aus, dazu wurden ein Symposium, ein Konzert, eine Lesung und eine Theatervorstellung geboten.

Ein Wochenende der Begegnung sollte es werden, das gemeinsame Projekt der Kunstwerkstatt Lienz und der Kunstwerkstatt Bruneck, das mit großzügiger Unterstützung der Tiroler Versicherung vom 4. bis 6. November im Anraser Pfleghaus stattfand. Es begann in den Ateliers der Kunstwerkstatt Lienz, wo die Brunecker KünstlerInnen am Freitagvormittag ein wenig zu früh und ein wenig aufgeregt eintrafen. Doch das Eis war schnell gebrochen. Es wurde gefachsimpelt, es wurden Erfahrungen ausgetauscht, es wurden Freundschaften geschlossen. Und es wurde vereinbart, dass die Osttiroler den Bruneckern bald einmal einen Gegenbesuch abstatten werden.

 

Julian Messner eröffnete die Ausstellung gemeinsam mit Sarah Zingerle, Leiterin der Kunstwerkstatt Akzent, und Mag. Rudolf Ingruber, Leiter der Kunstwerkstatt Lienz.

 

Am Abend fand dann die Eröffnung der Ausstellung „INKLUSION – KREATIVITÄT – WERTSCHÄTZUNG” statt. In der ersten Reihe saßen die Künstlerinnen und Künstler, mancher Ehrengast musste sich mit der zweiten Reihe begnügen. „Mit dieser Veranstaltung wird erstmals der Anspruch des Vereins Anraser Pfleghaus eingelöst, grenzüberschreitend tätig zu werden und alle Bevölkerungsgruppen einzubeziehen. Als besondere Wertschätzung empfinden wir es, dass die Südtiroler Landesrätin Dr. Waltraud Deeg und die neue Tiroler Kulturlandesrätin Mag. Eva Pawlata den Weg nach Anras auf sich genommen haben“, so der Anraser Bürgermeister Johann Waldauf bei seiner Begrüßung.

 

v.l.n.r.: Bgm. Robert Alexander Steger (Präsident der Bezirksgemeinschaft Pustertal), LR Mag. Eva Pawlata, LR Dr. Waltraud Deeg, Bgm. Johann Waldauf

 

Dass die Grußworte der Politikerinnen weniger von politischen Worthülsen als vielmehr von menschlicher Wärme geprägt waren, war bezeichnend für das ganze Wochenende: Es ist nicht nur normal, verschieden zu sein, sondern es ist eine große Bereicherung unserer Gesellschaft, dass wir verschieden sind. Eröffnet wurde die Ausstellung dann vom Künstler Julian Messner sowie den Leitern der beiden Kunstwerkstätten, Sarah Zingerle aus Bruneck und Mag. Rudolf Ingruber aus Lienz.

 

Sylvia Manfreda präsentiert stolz ihr Werk „Dame mit dem Hermelin“.

 

Beim anschließenden Rundgang durch die Ausstellung in den historischen Räumen des Anraser Pfleghauses wurde viel gestaunt und viel bewundert. Die Künstler wurden mit Komplimenten bedacht, erste Gespräche bahnten sich an, und spätestens beim Buffet gab es ein buntes, fröhliches und geschwätziges Durcheinander und Miteinander. Seinen Abschluss fand der Abend mit dem Symposium „Einander Kennenlernen, voneinander lernen”.

 

Annemarie Delleg fachsimpelt mit LR Eva Pawlata.

 

Naturgemäß lag der Fokus auf der Kunst, mit der Menschen mit Behinderung ihren Gefühlen Ausdruck verleihen, mit der Menschen mit Behinderung ihren Lebensinhalt finden, die ihnen Anerkennung verschafft und die ihnen Freude bereitet. Besonders beeindruckend war der Bericht von Renate Messner über den Werdegang ihres Sohnes Julian vom „besonderen“ Kind zum selbstbewussten Dichter, Musiker und Maler.

 

 

Am Samstag stand eine Aufführung der Theaterwerkstatt Bruneck auf dem Programm: „Vom Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat” hieß das Stück. Ein entfesseltes Ensemble begeisterte das Publikum. Erwachsene wie Kinder lachten, klatschten und belohnten die SchauspielerInnen am Ende mit Standing Ovations.

 

Annemarie Delleg und Julian Messner lasen aus ihren Werken.

 

Die Matinee am Sonntag startete mit einer Lesung. Julian Messner und seine Frau Annemarie Delleg von der Kunstwerkstatt Akzent lasen aus ihren Werken. Es waren Gedichte von großem Tiefgang, die das Publikum berührten, oft zum Nachdenken anregten, aber auch zum Lachen brachten. Auch hier war langanhaltender Applaus der Dank und Lohn für die beiden Vortragenden.

 

 

Am Ende des Wochenendes der Begegnung ging noch einmal die Post ab. Die Musikband Miteinanders, ein Gemeinschaftsprojekt der Volkshochschule Pustertal und der Lebenshilfe, enterte die Bühne. Fetziger Rock riss das Publikum von den Sitzen, Kuhglocken, Ziehharmonika und Jodler ließ die Freunde der Volksmusik auf ihre Kosten kommen. Dazwischen gab es auch Nachdenkliches zu hören. Mit Sweet Home Alabama endete dann die Performance, und Künstler wie Publikum gingen beglückt nach Hause.

 

 

Und was bleibt vom Wochenende der Begegnung in Anras? „Eine Vielzahl von nützlichen Kontakten und spannenden Begegnungen zwischen den Künstlern, Politikern und Publikum sowie das Staunen über die künstlerischen Fähigkeiten der Künstlerinnen und Künstler, außerdem die Erkenntnis, dass Inklusion am besten funktioniert, wenn man sich kennenlernt und bereit ist, voneinander zu lernen. Wir mussten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass das Interesse an diesem grenzüberschreitenden Wochenende der Begegnung sehr gering war. Von den 42 angeschriebenen Osttiroler Schulen hat sich keine einzige zurückgemeldet, selbst von den vielen Mitgliedern der Lebenshilfe Osttirol hat kaum ein Dutzend dieses Angebot zum Kennenlernen genutzt“, lautet das Resümee von Gottfried Unterweger, Geschäftsführer des Vereins Anraser Pfleghaus.

Fazit: Es gibt noch viel zu tun. Aber, wie Bürgermeister und Vereinsobmann Johann Waldauf in seiner Begrüßungsrede schon sagte: „Wir tun was. Und machen weiter. In der Hoffnung auf mehr Resonanz im nächsten Jahr!“

 

Text: Redaktion, Fotos: Anraser Pfleghaus

09. November 2022 um