Latscheiderhof: „Natürliche Kreisläufe sind die Quintessenz unserer Arbeit!“

Einmal pro Woche durchzieht der Duft von frisch gebackenem Brot den Latscheiderhof in Assling. Waltraud Holzer macht sich bereits um drei Uhr früh an die Arbeit und bäckt Vollkornbrot.

Idyllisch liegt der Latscheiderhof am Eingang des Kristeinertales auf 1.450 Metern Seehöhe in der Asslinger Fraktion Burg. Atemberaubend ist von hier die Aussicht auf die lieblichen Ortschaften an der Pustertaler Höhenstraße und die schroffen Felszacken der Dolomiten. Vor 23 Jahren haben die beiden gebürtigen Iseltaler Peter und Waltraud Holzer den Hof erworben und diesen mit viel Begeisterung für die Landwirtschaft Schritt für Schritt saniert und ausgebaut.

 

 

Waltraud – sie ist in Virgen aufgewachsen – hat rund um den Hof mehrere Gärten angelegt und baut hier Kräuter und Gemüse an. Kräuter sind ihre große Leidenschaft. Als Seminarbäuerin führt die Osttirolerin Schulklassen und auch Erwachsene durch die liebevoll gepflegten Gärten. Diese bezeichnet sie als Vorratskammer, Kraftort und Energiespender. „Wir bauen hier auf unserem Hof unter anderem die alte Kartoffelsorte ,Ackersegen‘  an. Neben Karotten und Tomaten wachsen in unseren Gärten auch Artischocken.“ Ihre Kräuter erntet Waltraud dann, wenn sie in Blüte stehen. Für deren Wirkung und Kraft ist, wie sie sagt, die Mondphase wichtig. „Bei Vollmond ist die beste Setz- und Erntezeit.“

 

 

Ob Salbei, Ringelblume, Kamille oder Oregano – Waltraud schwört auf die natürlichen Heilkräfte der Natur. „Auf die Blutgesundheit und das Immunsystem wirken sich beispielsweise die Blätter der schwarzen Ribisel außerordentlich günstig aus“, nennt sie ein Beispiel. Am Latscheiderhof hat die gelernte Krankenschwester vor Kurzem eine Hofsennerei eingerichtet. „Mir ist wichtig, dass wir alles, was hier wächst und gedeiht, auf natürliche Weise veredeln. Aus der Milch stelle ich Butter, Käse, Topfen, Joghurt und vieles andere mehr her“, erzählt sie. Ihr Mann Peter, ein gebürtiger Matreier, kümmert sich um die Tiere am Hof, um 30 Rinder, zwei Pferde, Schweine, Hühner und Ziegen. Auch Hunde und Katzen sind hier zu Hause.

 

 

Im bäuerlichen Betrieb helfen die fünf Kinder der Holzers, Lukas, Elena, Gina, Raphael und Anneka, inzwischen schon junge Erwachsene, fleißig mit. „Der Zusammenhalt in unserer Familie liegt mir sehr am Herzen. Je nach Talent bringt sich hier jeder ein – nicht nur mit seiner Arbeitsleistung, sondern insbesondere auch mit viel Kreativität. Wir probieren immer wieder gerne Neues aus und diskutieren viel“, so die vielseitige Bäuerin. Jeden Donnerstag steht Waltraud um drei Uhr in der Früh auf, um Brot zu backen. Das Brotbacken hat sie von klein auf gelernt, das geerbte Rezept inzwischen aber weiterentwickelt. Als Grundlage verwendet sie einen Sauerteig, den sie bereits zwei Tage zuvor ansetzt.

 

 

Zum so genannten „Vorteig“ kommen noch rund 35 Kilogramm Mehl hinzu – zwei Drittel Roggen- und ein Drittel Weizenmehl. „Das Roggenmehl ist ein Osttiroler Biovollkorn von Marcel Pondorfer aus Dölsach“, erklärt die Bäuerin und betont, dass für den Charakter ihres Brotes die Gewürze maßgeblich seien. „Ich verwende Fenchel, Kümmel, Leinsamen und Sonnenblumenkerne aus meinem eigenen Garten. Seinen bekömmlichen Geschmack erhält das Brot durch das Schabzigerklee, das im Volksmund ,Brotklee‘ genannt wird. Es wirkt sich besonders positiv auf Magen und Verdauung aus.“

 

 

Beim Kneten greift Peter seiner Frau unter die Arme. „Peter ist praktisch meine Knetmaschine“, erzählt Waltraud lachend. Nachdem der Teig einige Zeit geruht hat, formt sie daraus Halbkilo-Laibe. Diese „rasten“ noch einmal für eine knappe Dreiviertelstunde, bevor sie dann in den Brotbackofen kommen. „Ich verwende einen elektrischen Ofen mit Schamottsteinen, in den ich immer auch eine kleine Schüssel mit Wasser stelle. So wird das Brot saftiger und bleibt länger haltbar.“ Um etwa 6.00 Uhr sind die ersten Brotlaibe fertig – nun durchzieht der Duft von frischem Brot das ganze Haus.

 

 

Bis zur Mittagszeit hat Waltraud etwa hundert Brotlaibe und zusätzlich 50 bis 60 Vinschgerl gebacken. „Damit das Brot länger warm bleibt, wickle ich es in Leinentücher. Ich gebe die Laibe in Körbe und liefere sie dann aus. Privatpersonen sind ebenso unter meinen Kunden zu finden, wie Gasthäuser oder ein Hofladen in Tristach.“ Waltraud stellt ihr Brot bis in den Lienzer Talboden zu und verkauft es auch ab Hof. Ursprünglichkeit, Nachhaltigkeit und das Bewahren natürlicher Kreisläufe bezeichnet die Bäuerin als besonders essenzielle Werte. Dies gilt für alles, was sie tut. „Ich möchte diese Werte in meinen Seminaren und vor allem auch an die nächste Generation weitergeben. Das ist beim Fleisch und bei den Milchprodukten genauso wichtig wie etwa bei unseren Eiern, dem Gemüse und den Kräutern. Was nicht in meinem Kräutersalz, in den Seifen, Cremes, Tees, Ölen, Tinkturen oder im Käse Verwendung findet, kommt in den Futtertrog der Kühe. So bleibt alles Teil eines natürlichen Kreislaufes.“

 

 

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Martin Lugger

12. Oktober 2020 um