Reisebüros: „Wir haben derzeit absolut keine Planungssicherheit!“

Von der Coronakrise besonders hart getroffen wurden auch die Reisebüros. Der „Fahrplan“ für den Rest des Jahres ist ungewiss. Wir unterhielten uns mit Osttiroler Reiseunternehmern.

„Was sich seit nunmehr mehr als 2 Monaten in unserer Branche abspielt, ist eine noch nie da gewesene Zäsur und stellt uns und unsere Mitarbeiter vor gewaltige Herausforderungen, die nicht leicht zu bewältigen sind. Mit Sicherheit zählen wir zu den Branchen, die am härtesten von der Corona-Pandemie getroffen wird“, sagt Martin Manfreda, Geschäftsführer von Alpenland Reisen.

Ab 5. März hat das Reiseunternehmen nahezu alle Reisen auf Grund der beginnenden COVID-19-Krise stornieren müssen. Die Verbreitung des Coronavirus in Europa hat im italienischen Raum begonnen. „Da wir sehr viele Fahrten nach Italien (Rom, Oberitalienische Seen, Sizilien, Emilia Romagna, etc.) im März in unserem Programm hatten, wurden wir bereits zu Anfang der Krise voll getroffen. Als die Maßnahmen in Italien dramatisch verschärft wurden, haben wir unsere Reisen auch in die andere Destinationen vorausschauend abgesagt. Mitte März wurden dann auch die Schul- und Kindergartentransporte eingestellt“, so der Reiseunternehmer.

Er schildert, dass nicht nur alle geleisteten Arbeiten für das Jahr 2020 mit einem Schlag zunichte gemacht wurden (Kundenberatung, Planungsaufwand, Verwaltungsaufwand, etc.), sondern dass weiterhin alle schwebenden Fälle zum Wohle der Kunden abgearbeitet werden müssen, obwohl dadurch kein einziger Euro verdient wird. „Der Konsument hat laut EU-Pauschalreiserecht und anderen Regelungen einen Anspruch auf 100%ige Rückzahlung. Gerade im Flugbereich stellt uns dies vor enorme Herausforderungen, da wir ebenso auf die Rückzahlungen warten müssen.“

Trotz dieser mannigfaltigen Probleme hat das Lienzer Reiseunternehmen danach getrachtet, alle MitarbeiterInnen zu halten und ihnen und ihren Familien eine langfristige Perspektive auch für die Zukunft zu geben. „Wir haben deswegen alle MitarbeiterInnen zur Kurzarbeit angemeldet, obwohl eine rein betriebswirtschaftliche Sichtweise bei komplettem Umsatzausfall und einer unsicheren mittelfristigen Zukunftsprognose dies eigentlich nicht rechtfertigen würde.“

Weil sich die Grenzen derzeit wieder langsam öffnen (z.B. Deutschland/Schweiz/Liechtenstein am 15. Juni) gäbe es laut Manfreda im Reisebüro Alpenland einige wenige Anfragen bezüglich Neubuchungen. „Die Leute wollen reisen, sind aber natürlich verunsichert. Bis 2. Juni bleibt unser Büro für den Kundenverkehr geschlossen. Bis dahin arbeiten wir aus dem Homeoffice und beantworten natürlich alle Fragen unserer Kunden so schnell als möglich. Wir hoffen, dass im Laufe des Sommers zumindest im Inland das Geschäft wieder anläuft und dass wir im Herbst wieder durchstarten können. Vorerst müssen die Verordnungen/Bestimmungen der Bundesregierung abgewartet werden“, so der Reiseunternehmer abschließend.

 

Das Reisebüro Bstieler mit Sitz in Virgen und Matrei i.O. hat mit 16. März alle Reisebusse abgemeldet.

 

„Das Programm für 2020 war bereits fertig, im März mussten wir es vernichten. Die ganze Arbeitszeit und die Werbung war praktisch umsonst“, berichtet Geschäftsführer Leo Bstieler von der Reisebüro und Busreisen Bstieler OG. Das Iseltaler Unternehmen veranstaltet Reisen in ganz Österreich und seinen Nachbarstaaten. Als Hauptproblem sieht Leo Bstieler derzeit, dass die Reisebüros absolut keine Planungssicherheit haben. „Es besteht zwar Hoffnung, dass die Grenzen langsam wieder aufgehen. Reisen ins Ausland sind aber für uns noch kein Thema. Auch in Österreich gibt es noch viele Unklarheiten. Aufgrund der Abstandsregeln könnten wir z.B. einen 50er-Bus nur in etwa zur Hälfte besetzen. Chauffeur und Fahrgäste müssen Mund-Nasen-Schutz tragen, was natürlich für unsere Kunden sehr unangenehm ist“, so Bstieler.

Unsicherheiten bestünden vor allem auch bezüglich Essen in Restaurants und Gasthöfen bzw. bei Unterkünften. „Ich denke, dass wir auch mit Reisen in Österreich erst im September wieder starten können“, so der Virger Unternehmer. Als großes Problem sieht er derzeit auch den bürokratische Aufwand mit bereits gebuchten Reisen und der Rückabwicklung von Eintrittskarten (z.B. für das Rammstein-Konzert in Klagenfurt, das für 25. Mai geplant war, das Helene Fischer-Konzert in Bad Gastein oder die Bregenzer Festspiele). Die Reisebusse hat die Firma Bstieler mit 16. März abgemeldet. Mit den Linienbussen zwischen Lienz, Kals und Huben war man als Subunternehmer des VVT immer unterwegs.

„Im Winter hatten wir 14 Angestellte, bis vor Kurzem waren es nur mehr zwei. Mit Beginn der Schulöffnungen konnten wir zwei unserer Mitarbeiter wieder beschäftigen. Zum derzeitigen Zeitpunkt müssen wir in unserem Unternehmen mit einem Umsatzrückgang im Reiseverkehr von ca.600.000 Euro rechnen. Wir versuchen jedoch, positiv in die Zukunft zu blicken und arbeiten an einem Reiseprogramm für den Spätsommer und Herbst. Dafür benötigen wir jedoch umgehend klare Richtlinien für die Autobusbranche und die Unterbringung sowie Verpflegung von Gruppen im Hotel- und Gastgewerbe“, so Leo Bstieler abschließend.

 

Christl-Reisen unterwegs im Kanton Graubünden in der Schweiz – im Hintergrund der Morteratschgletscher. Für 10. bis 13. Juli hat Christian Ladstätter wieder eine Reise in die Schweiz geplant, nämlich zum Vierwaldstättersee mit Pilatus und Berner Oberland (Eiger, Mönch und Jungfrau).

 

„Von hundert auf null“, so beschreibt der Dölsacher Reiseunternehmer Christian Ladstätter (Christl-Reisen) seine derzeitige Situation. „ Ich bin seit dem Lockdown ohne Einkommen. Es fällt aber trotzdem viel Arbeit an – u.a. mit Stornierungen und Rückzahlungen. Die Reisesaison wäre gut angelaufen mit Rom & Assisi, Lago Maggiore, Lourdes. Jetzt wäre ich auf einer Flusskreuzfahrt in Frankreich unterwegs, für 31. Mai war eine Busreise nach Mariazell geplant. Wir bekommen keine genauen Informationen von Seiten der Behörden, z.B. welche Auflagen im Bus zu erfüllen sind. Der Ball wird immer hin und her geschoben“, so Ladstätter. Er veranstaltet Busreisen sowie Vereins- und Firmenreisen in ganz Europa – vom Nordkap bis Sizilien, von Schottland bis Rumänien.

 

Christian Ladstätter hatte das Programm für 2020 bereits fix und fertig ausgearbeitet. „Das ist jetzt natürlich alles hinfällig. Es sind u.a. hohe Kosten für Prospekte angefallen, die jetzt mehr oder weniger im Altpapier landen.“

 

„Für das Reiseprogramm gibt es natürlich Verträge, und ich musste Vorauszahlungen leisten. Auch Eintrittskarten haben wir vorfinanziert. Reisebüros haben derzeit absolut keine Planungssicherheit. Man weiß nicht, wann man mit den Reisen wieder beginnen kann. Völlig unklar sind die Regelungen, wie man mit dem Bus künftig reisen kann. Unsicher sind z.B. auch die Voraussetzungen in der Gastronomie und Hotellerie“, so Ladstätter. Man wisse derzeit nicht, mit wie vielen Fahrgästen Busse belegt werden können und ob sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. „Ich stelle mir in diesem Zusammenhang auch die Fragen, ob Kunden überhaupt mit Maske reisen wollen und ob sich die Reise mit niedriger Belegung für mich betriebswirtschaftlich überhaupt rechnet.“

Christian Ladstätter betont, dass er ALLEN Kunden ihre Anzahlung zurücküberwiesen und keine Gutscheine ausgestellt hätte. „Ich selbst wurde aber von Hotels und anderen Vertragspartnern mit Gutscheinen vertröstet. Ich bin nur ein kleines Ein-Mann-Unternehmen, größere Unternehmen haben zusätzlich das Problem mit hohen Fixkosten. Auch die gestundeten Beiträge (z.B. Sozialversicherung, Finanzamt) werden irgendwann fällig“, so Christian Ladstätter abschließend.

 

Die Firma Schmidhofer Reisen mit Sitz in Innervillgraten hat sich unter anderem auf Wander- und Pilgerreisen spezialisiert. Das gesamte Frühjahrsreiseprogramm (z.B. Wohlfühlreise nach Bibione, Wandern auf der Sonneninsel Sizilien, Wien-Wochenende mit Musical „CATS“) musste abgesagt werden.

 

Die Firma Schmidhofer Reisen aus Innervillgraten betreibt insgesamt 4 Omnibusse. Davon kommen zwei im Linienverkehr zum Einsatz. „Die zwei Reisebusse stehen seit März still und können daher keine Einnahmen erzielen“, erklärt Geschäftsführer Dennis Bischof. „Mit dem Linienverkehr halten wir uns derzeit über Wasser. Von den insgesamt 6 Mitarbeitern sind zwei weiterhin in Kurzarbeit.“ Die Firma Schmidhofer hat sich unter anderem auf Wander- und Pilgerreisen spezialisiert. Das gesamte Frühjahrsreiseprogramm musste aufgrund der Coronakrise abgesagt werden, so z.B. das Wien-Wochenende mit Musical „CATS“, die Wohlfühlreise nach Bibione, Wandern auf der Sonneninsel Sizilien und die Tageswanderungen in Südtirol. „Mittlerweile ist auch fix, dass wir die 2-Tagesfahrt zu den Bregenzer Festspielen Anfang August absagen müssen. Eine Pilgerreise von Stift Heiligenkreuz nach Mariazell ist für Ende August/Anfang September vorgesehen, und wir hoffen sehr, dass es möglich ist, diese durchzuführen.“

 

 

Das Problem neben den fehlenden Einnahmen ist für Dennis Bischof derzeit, dass nicht genau geplant werden kann. „Es gibt bisher keine klaren Regelungen, die Gesetze und Vorgaben sind undurchsichtig. Wir bräuchten genaue Informationen, was z.B. Abstand/Hygiene in den Bussen betrifft. Unklar ist auch, wie es mit den Grenzöffnungen weitergeht. Und wenn wir irgendwann wieder ins Ausland fahren dürfen, ist die Frage, welche Vorschriften es dort gibt“, so der Geschäftsführer der Firma Schmidhofer. Aus derzeitiger Sicht will er Reisen für den Herbst eher in Österreich planen. „Aber auch im Inland könnte es problematisch werden. Was passiert, wenn sich die Reisen dann alle auf wenige Destinationen in Österreich konzentrieren? Dann wird es z.B. nicht leicht sein, dort Unterkünfte zu finden. Das Frühjahr ist schon gelaufen, der Sommer ist ungewiss und auch im Herbst wird es noch schwierig bleiben“, so der Reiseunternehmer abschließend.

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Alpenland Reisen, Reisebüro Bstieler, Christl-Reisen, Schmidhofer Reisen

20. Mai 2020 um