„Literatur findet Land” – ein Festival rund um das Spiel mit der Sprache

Gemeinsam mit dem Rauriser Förderungspreisträger Florian Gantner setzt der Verein Tauriska vom 27. bis 30. Juni in Neukirchen a.G. einen besonderen Literatur-Schwerpunkt.

„Literatur findet Land” – vier Tage lang werden in Neukirchen am Großvenediger SchriftstellerInnen lesen, die für literarische Qualität stehen, aber (noch) keiner breiten Leserschaft bekannt sind. Als Verein zur Förderung einer eigenen Kultur- und Regionalentwicklung in der Region Nationalpark Hohe Tauern wurde „Tauriska“ im Jahre 1986 gegründet. Der Name geht auf einen keltischen Volksstamm zurück, der vor rund 2000 Jahren an der Südabflachung der Alpen lebte. „Wir wollen das bestehende Potenzial der Menschen in der Region nutzen und helfen, Ideen umzusetzen. Unsere Intention ist es, Brauchtum und lebendige Alltagskultur zu erhalten sowie Modernes auf spannende Art erfahrbar zu machen. Wir entwickeln und begleiten außerdem auch Projekte, die eine möglichst große wirtschaftliche Unabhängigkeit ermöglichen sollen. Ein Beispiel dafür ist die Bramberger Obstpresse“, erklären Christian Vötter und Susanna Vötter-Dankl einige der Ziele. Das Ehepaar, er Geschäftsführer, sie Präsidentin des Vereins, hat auch einen eigenen Verlag gegründet, um regionalen Projekten und Themen, aber auch Autoren mit Bezug zum Pinzgau zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen.

 

Florian Gantner koordiniert das Literaturfestival „Literatur findet Land”. Foto: Johanna Lehner

Sitz von „Tauriska“ ist der aus dem 18. Jahrhundert stammende Kammerlanderstall in Neukirchen, der im Sinne der Dorferneuerung renoviert und adaptiert wurde. In dem Kultur- und  Veranstaltungszentrum, das weit über den Oberpinzgau hinausstrahlt, findet im kommenden Sommer auch ein Großteil der Termine des Festivals statt, das in Österreich lebenden SchriftstellerInnen die Möglichkeit bieten soll, ihre Werke zu präsentieren und dabei vielleicht auch ein neues Publikum zu finden. „Üblicherweise gelten Städte als Sammelpunkt literarischerer Bewegungen, weshalb ein reger Literaturbetrieb oft mit einer Stadt gleichgesetzt wird. Um dieses Klischee und in weiterer Konsequenz auch die viel zitierte Kluft zwischen Stadt und Land zu hinterfragen, haben wir unter dem Motto ,Literatur findet Land‘ ein reichhaltiges Programm zusammengestellt”, informieren die beiden Pinzgauer.

 

Die Brambergerin Anna Nindl studiert Kultur- und Sozialantropologie in Wien. Sie liest am 24. Mai aus dem Buch „Kinderherz”, das die Geschichte von Karolina Weiss (1893-1986) erzählt, die vom Schicksal in den Ersten Weltkrieg hineinkatapultiert wurde. Foto: Irene Sebastian

 

Als künstlerischer Leiter und Ideengeber fungiert Florian Gantner, der das Festival in Szene setzt. Aufgewachsen in Neukirchen, lebt er – u.a. auch ausgezeichnet mit dem Floriana-Preis 2018 – heute als freischaffender Schriftsteller in Wien. Gantner „brennt“ nach eigenen Angaben geradezu darauf, der Region die breite Literaturszene zugänglich zu machen, zumal, wie er betont, viele Kreative ihre Wurzeln am Land haben. „So wie ich kehren viele SchriftstellerInnen gerne an den Ort ihrer Kindheit zurück. Die urbane Autorenschaft freut sich über neues Publikum und das Land über neue Inspirationen!“

 

Karolina Weiss als Gouvernante in München. Foto: Archiv ecowin-Verlag

 

Bereits vor dem eigentlichen Literaturevent im Juni 2019 wird am Freitag, 24. Mai, im Kammerlanderstall zur Lesung „Kinderherz“ mit Anna Nindl geladen. Die junge Brambergerin studiert Kultur- und Sozialanthropologie in Wien und begibt sich mit ihrer Lesung aus dem autobiographischen Roman von Karolina Weiss (1893-1986) auf die Spuren einer Frau, die vom Schicksal in den Ersten Weltkrieg hineinkatapultiert wurde. Nähere Hintergründe dazu skizziert Susanna Vötter-Dankl: „Anna ist 21 Jahre jung und im gleichen Alter wie Karolina Weiss, als der Erste Weltkrieg begann. Es geht bei dieser Lesung also um zwei Pinzgauerinnen und um zwei Welten. Karolina Weiss musste vor 100 Jahren ihre hochfliegenden Träume begraben, Anna Nindl kann die Chancen unserer Zeit nützen.“

 

Das Unausgesprochene ist Thema der poetischen Erzählung über eine demenzkranke Frau von Iris Blauensteiner. Foto: Carolina Steinbrecher

 

Mit einer Kurzlesung von Anna Nindl wird dann auch das eigentliche Festival „Literatur findet Land“ am 27. Juni im Kammerlanderstall eröffnet. Am Tag darauf sind hier drei Autoren zu Gast: Fabian Burstein schildert in einem seiner Romane die Odyssee einer 16-jährigen Ausreißerin. Robert Kleindienst liest aus seinem neuen Buch, in dem es um die aufwühlende Geschichte einer Schwesternhelferin in einem Kinderlager der kroatisch-faschistischen Ustascha geht, und Robert Prosser untermalt seine kunstvolle Prosa mit einer eindrucksvollen Performance. Am 28.6. wird außerdem im Pavillon Neukirchen die vielseitige Künstlerin Mimu Merz eine Leseperformance mit einem Pinzgauer Bläserensemble zum Besten geben.

 

Robert Prosser untermalt beim Literaturfestival seine kunstvolle Prosa mit einer eindrucksvollen Performance. Foto: Dirk Skiba

 

Am Samstag, 29. Juni, ist das Wildkogel Bergrestaurant Veranstaltungsort zweier Programmpunkte: Irmgard Fuchs wird in ihren Menschenporträts ihr wunderbares Sprachgefühl beweisen. Das Unausgesprochene ist Thema der poetischen Erzählung über eine demenzkranke Frau von Iris Blauensteiner. Um Beziehung, Schwangerschaft und die Widersprüchlichkeiten einer Familie geht es im Debütroman von Tanja Raich. Sie liest am 29. Juni im Kammerlanderstall, wo auch Christian Futscher seine fein gezeichneten Alltagsbeobachtungen Revue passieren lassen will. Den Abschluss des
Literatur-Festivals bildet am Sonntag, 30. Juni, eine „Kaffee-Kuchen-Lesung” von Florian Gantner. Er wird Textteile aus seinem aktuellen Romanprojekt zum Thema „Überwachung“ vortragen. Gemeinsam mit ihm wollen Susanna Vötter-Dankl und Christian Vötter das Literatur-Festival in den nächsten Jahren weiter ausbauen. Man darf auf dessen 1. Auflage und die Zukunft gespannt sein!

 

Text: Raimund Mühlburger

12. Mai 2019 um