Lienzer Sängerbund 1860: Ältester Lienzer Kulturverein sucht Nachwuchs

Männerchören droht nicht nur in Osttirol die Gefahr, immer weniger zu werden. Auch der Lienzer Sängerbund 1860 sucht nach singbegeistertem Nachwuchs.

Der typische, getragene Männerchor-Klang, das feine und harmonische Aufeinanderabstimmen, die freundschaftliche Gemeinschaft und die Freude, mit Herz und Seele für Menschen zu singen – das sind die Markenzeichen des Lienzer Sängerbundes inzwischen schon seit 159 Jahren. Den Führungsqualitäten der Vereinsobmänner und Chorleiter sowie den werbenden Unterstützungsmitgliedern und Chorförderern in der langen Vereinsgeschichte ist es zu verdanken, dass der Lienzer Sängerbund 1860 heute mit einem so reichhaltigen Repertoire und Programm aufwarten kann. Das Jahr 2018 war für den heimischen Klangkörper eine mit vielen Teilnahmen an Veranstaltungen im In- und Ausland sehr erfüllte Gemeinschaftsperiode. Den Höhepunkt bildete zweifellos der Auftritt am 5. Dezember 2018 im EU-Parlament in Brüssel anlässlich der Übergabe des österreichischen Christbaumes durch den EU-Abgeordneten Othmar Karas an die Vizepräsidentin des EU-Parlaments. Dass Landeshauptmann Günther Platter, der auch Präsident des Tiroler Sängerbundes ist, die Darbietungen seiner singenden Landsmänner in der EU-Hauptstadt mitverfolgen konnte, war ein ebenso glücklicher wie gelungener Zufall.

 

 

Neben diesem Highlight finden sich im Programm der vergangenen beiden Jahre weitere besonders erinnerungswürdige Auftritte: Im Jänner 2017 etwa begleitete der Lienzer Sängerbund 1860 in Ainet die Gedenkmesse anlässlich des 100. Todestages von Jakob Gliber. Der Nationalsänger war einst selbst Mitglied des Männerchores. Im kirchlichen Bereich sind für das Jahr 2017 auch die „Heiliggrabmesse“ im Helenenkirchl/Thurn, die „Floriani-Messe“ in St. Ulrich/Lavant, die Rorate in der Klosterkirche St. Marien sowie „Waldler“-Messen zu erwähnen. Im weltlichen Bereich reihte sich der unterhaltende Gesang beispielsweise bei der Sonderfahrt des „Südbahn-Expresses“ Lienz-Abfaltersbach, u.a. in Form eines „Eisenbahn-Liedes“, ein. Mit ebenso bekannten wie inspirierenden Liedern präsentierte sich der Lienzer Sängerbund 1860 zudem im Rahmen des Gartenfestes in der Messinggasse, beim Kranzlsingen in Außervillgraten oder bei der Adventfeier in Sirnitz (Gurktal Kärnten). 2018 nahm man am „Internationalen Gesangsvereinstreffen“ in Kirchberg/Tirol teil. Es folgten ein Singen auf der Moosalm und das schon längst zur Tradition gewordene Gartenfest in der Messinggasse. Beim Tiroler Sängertag am Nationalfeiertag in Innsbruck wartete der Lienzer Klangkörper mit dem heimischen Lied „Du mei liabs Oschtirol, jo di gibt’s lei amol“ auf.

 

Freiluft-Auftritt auf der Moosalm am Lienzer Hausberg Hochstein im Jahr 2018

 

Aktuell zählt der Lienzer Sängerbund 19 aktive Mitglieder, wobei sich die Chorgröße in den vergangenen Jahren nur geringfügig verändert hat. Als Obmann des Vereins fungiert Hans Stotter, der 2018 seine bereits vierte Amtsperiode angetreten hat. In der langen Geschichte des Vereins reiht er sich an die vierte Stelle jener ein, die die Aufgaben des Obmannes mehr als ein Jahrzehnt ausfüllten. Als Chorleiter ist seit 2015 Volksschuldirektor Hannes Moritz tätig. Er hat den Männerchor bereits in den Jahren zwischen 1989 und 1995 dirigiert und setzt nun seit 2015 seine Singführungsqualitäten wieder mit großem Engagement und Enthusiasmus um. Für viele Lieder komponierte er den Satz für den vierstimmigen Männerchor.

 

Der Lienzer Sängerbund bei der Eröffnung des neuen Egger-Lienz-Platzes in Lienz im Jahr 2013. Hier befindet sich auch das Vereinslokal des Klangkörpers.

 

Das Liedgut des Traditionsvereines umfasst über 100 Lieder, welche die Chormitglieder frei und auswendig singen. Das Gros sind Volks-, Advent- und Weihnachtslieder, insbesondere aus Tirol und Kärnten. Das Repertoire umfasst außerdem dutzende kirchliche Lieder für insgesamt vier Chorgesangs-Messen. So sorgt der Lienzer Sängerbund 1860 seit 1965 jedes Jahr am Karsamstag im Helenenkirchl in Thurn für die musikalische Gestaltung der „Heiliggrabmesse“ (früher „Auferstehungsfeier“). Fastenlieder aus Kärnten stehen dabei im Fokus. Ebenfalls seit 1965 lassen die Sänger in der Weihnachtszeit in den drei großen Lienzer Kirchen (St. Andrä, Hl. Familie und St. Marien) die „Waldler Messe“ erklingen. Seit einigen Jahren wird der Waldler Messe-Chorgesang instrumental von der Harfenistin Nadia Moritz begleitet. Die Messe hat ihren Ursprung im Bayrischen Wald und besingt die Ehrerbietung an Gott durch die in Waldgebieten lebenden Menschen. So heißt es beispielsweise im Gloria: „Der Wald braust, Dir, Herrgott, zu Lob und Ehr“. Für die Gestaltung kirchlicher Feiern im Jahresverlauf kann der Klangkörper des Weiteren auf die „Marterle Messe“ und die „Osttiroler Messe“ zurückgreifen. Die Reihe bekannter Komponisten dieser Lieder ist lang. Zu ihnen zählen, um nur einige zu nennen, Gottfried Brunner, Stefan Gerdej, Gretl Komposch, Oswald Kranebitter, Lorenz Maierhofer, Günther Mittergradnegger, Hans Pleschberger, Hedi Preisegger, Friedrich Silcher oder Franz Stimpfl.

 

Aus der Geschichte des ältesten Lienzer Kulturvereines

Ein Foto aus dem Archiv erinnert an das 40. Stiftungsfest des Lienzer Sängerbundes am 29. Juni 1900.

Die Chronik des Lienzer Sängerbundes umfasst heute bereits fünf dicke Bände. Zur Gründung des Lienzer Sängerbundes kann man darin z.B. Folgendes nachlesen: „Zu den Tagen freundlichen Andenkens für Lienz gehört offenbar auch der 5. März 1860. Es kam durch Aufmunterung des Herrn P. P. Scheitz, praktischer Wundarzt dahier, und des Herrn Magister Keil ein kleines Häuflein Sänger zusammen, um sich mit Herrn Peter Dietrich, Chorregent, über Sammlung der Gesangskräfte und Bildung eines Männergesangsvereines zu besprechen.“ Drei Jahre später lud der Lienzer Sängerbund bereits zu seinem 9. Konzert als Geburtstagsfeier Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef II. im „Goldenen Fisch“ ein. Die Jahrzehnte vergingen und der Chor überstand nicht nur große gesellschaftliche Veränderungen, sondern auch die beiden Weltkriege. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte der Traditionsverein – um nur einen Meilenstein aus der weiteren Historie herauszugreifen – erstmals eine Langspielplatte (1981) heraus. CD-Aufnahmen folgten im Jahr 2005 und natürlich auch anlässlich der 150-Jahr-Feier im Jahre 2010.

 

Wenn nun der Lienzer Sängerbund 1860 Interessierte zum Mitsingen einlädt, so sprechen für die Mitgliedschaft nicht nur die großartige Gemeinschaft unter den Sangesbrüdern und das abwechslungsreiche Programm, sondern auch die vorbildliche Vereinsführung und das ausgewählte Liedgut. Das gemeinschaftliche Singen ist ein Weg zum eigenen Ich und kann heilsame Prozesse in Gang setzen. Wissenschaftlich längst bestätigt, unterstützt es den Stressabbau, fördert Lebensfreude, Atmung und Konzentration und erleichtert das Loslassen vom Alltag. Die Aussagekraft, die dem Singen innewohnt, fasst ein Zitat des bekannten österreichischen Schriftstellers und Poeten Peter Rosegger sehr gut zusammen: „Alpenluft hat kein Wort, hat nur ein Klingen – was man nicht sagen kann, muss man halt singen!“

 

Der Lienzer Sängerbund 1860 lädt ein! Ein Aufruf zum Mitsingen!

Jeden Dienstag, ausgenommen in den Ferien, findet im Vereinshaus Egger-Lienz-Platz 2 (Eingang im Innenhof), 1. Stock rechts, von 19.30 bis 21.00 Uhr die Chorprobe statt. Chorleiter Hannes Moritz ist jeweils ab 18.30 Uhr vor Ort und würde sich, wie seine Sangeskollegen, sehr freuen, wenn Interessierte zum „Schnuppern“ hereinkommen. Es werden keine Voraussetzungen verlangt! Wer Freude am feinen und harmonischen Singen mit Herz und Seele hat, kann ungezwungen an einer Probe teilnehmen. Hannes Moritz informiert gerne und unverbindlich über Einstiegsmöglichkeiten und zu anderen Fragen.

 

 

Text: E. Hilgartner, Fotos: Brunner Images, EVP-Fraktion-Brüssel, Lienzer Sängerbund

31. Januar 2019 um