Der Klimawandel verändert auch den heimischen Wald

Heute ist der internationale Tag des Waldes. Und davon gibt es in Osttirol sehr viel – rund 65.000 ha. Ein Gespräch mit DI Hubert Sint, dem Leiter der Bezirksforstinspektion Lienz.

In Österreich ist knapp die Hälfte der Staatsfläche bewaldet. Tirolweit nimmt die „grüne Lunge“ rund 40 Prozent der Landesfläche ein, im Bezirk Lienz sind 31 Prozent der Gesamtfläche von Wald bedeckt. Im Gebirgsland Tirol ist die Bewirtschaftung der Waldregionen nicht selten nur unter herausfordernden Bedingungen und unter hohem permanentem Arbeitseinsatz realisierbar. Dies betrifft insbesondere die Bereiche Aufforstung, Holzbringung und Forstwegebau. Beim forstlichen Wegebau steht neben der ökologischen auch die ökonomische Bedeutung im Vordergrund. Forstwege müssen den Transport, die Sortierung und Lagerung von Holz ebenso ermöglichen wie die regelmäßige Überwachung des Waldes oder die schnelle Schadensbekämpfung im Brandfall. Aktuell verfügt Tirol über rd. 12.000 km Wegstrecken, die der Erschließung des Waldes dienen. Davon entfallen auf den Bezirk Lienz rund 1.750 km. Für die Forstwege, aber auch für viele andere wichtige Aufgabenstellungen rund um den Osttiroler Wald zeichnet die Bezirksforstinspektion an der Bezirkshauptmannschaft Lienz als zuständige Behörde verantwortlich. Seit 2008 ist DI Hubert Sint als Bezirksforstinspektor tätig, was auch die forstfachliche Zuständigkeit für die rd. 30 Waldaufseher in den Osttiroler Gemeinden miteinschließt. Im journal-Interview nimmt er unter anderem auf die Auswirkungen des Klimawandels Bezug, erläutert forstliche Richtlinien und berichtet über die aktuelle Borkenkäfer-Situation.

Herr DI Sint, können Sie Kennzahlen des Waldes in Osttirol nennen?
DI Hubert Sint: Osttirol hat eine Waldfläche von rd. 65.000 ha. 53 Prozent dieser Fläche befindet sich in Privatbesitz, 10 Prozent stehen im Eigentum der Gemeinden und 37 Prozent im Eigentum von Agrargemeinschaften bzw. Gemeindegutsagrargemeinschaften. Der Schutzwaldanteil liegt bei 78 Prozent und ist damit sehr hoch, deutlich über dem tirolweiten Durchschnitt. Rund 36 Prozent der Waldfläche sind als objektschutzwirksame Wälder zu klassifizieren, d.h. sie schützen Siedlungen, Häuser, Straßen und wichtige Infrastruktureinrichtungen. Durchschnittlich werden pro Jahr rd. 200.000 Festmeter Holz eingeschlagen und ca. 500.000 junge Pflanzen (Fichten, Lärchen, Tannen und Laubhölzer) aufgeforstet.

 

 

Wie wichtig ist die Wertschöpfung aus dem Wald bzw. aus der Forstwirtschaft?
DI Hubert Sint: Der Gegenwert des in Osttirol geschlägerten Holzes beträgt jährlich ca. 15 Millionen Euro. Dieser Geldbetrag ist nicht einem Waldbesitzer zuzurechnen, sondern bedingt durch die Kleinbesitzstruktur in Osttirol einer großen Zahl von Waldbesitzern. Diese investieren dieses Geld 1:1 wieder in der Region. Bereits die Holzschlägerungsarbeiten, Aufforstungs- und Pflegemaßnahmen sichern einige hundert Arbeitsplätze. Viele weitere finden sich im Bereich der Holz-Industrie bzw. des holzverarbeitenden Gewerbes.

Wird bzw. sollte Holz zukünftig noch stärker als Energielieferant genützt werden?
DI Hubert Sint: In Osttirol wird bereits jetzt laufend Jahr für Jahr der nachhaltige Holzzuwachs und damit auch das geerntete Brennholz als Energieträger in großem Stil eingesetzt. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist für das gesamte Bundesland Tirol ein wichtiges Ziel, und in diesem Zusammenhang wird auch Holz als Energieträger weiterhin verstärkt zum Zug kommen.

Wie verlief das Holzjahr 2016 in Osttirol?
DI Hubert Sint: 2016 war wieder ein intensives Jahr, geprägt von viel Arbeit in Hinsicht auf Wiederbewaldung und Waldpflege sowie gekennzeichnet von der großen Herausforderung, den Borkenkäferbefall in den Griff zu bekommen. Der gesamte Holzeinschlag belief sich auf 179.000 Festmeter. In Osttirol konnte das Holz zu einem guten Preis an die heimischen Sägewerke verkauft werden, die Holzpreise lagen über jenen in Nordtirol.

Wie viele Festmeter fielen in diesem Zeitraum als Schadholz an?
DI Hubert Sint: Von den insgesamt rd. 179.000 Festmetern Holzeinschlag waren rd. 44 000 Festmeter, also 25 Prozent des Einschlages, als Schadholz zu bewerten. Der durch Borkenkäferbefall verursachte Schadholzanteil ist mit rd. 29.000 Festmeter zu beziffern.

Hat sich die Borkenkäfer-Situation gegenüber dem Vorjahr verbessert?
DI Hubert Sint: Nein, im Gegenteil. Die Käfersituation ist im vergangenen Jahr nicht besser, sondern schlechter geworden. Im Laufe des Spätsommers 2016 sind, verteilt auf den gesamten Bezirk, wieder zahlreiche Käfernester zum Vorschein gekommen. Stark betroffen waren etwa die schattseitigen Wälder von Untertilliach bis Sillian sowie die schattseitigen Lagen von Huben bis Hopfgarten im Defereggental. Die weitere Entwicklung wird stark von den Witterungsverhältnissen der kommenden Monate abhängen. Laut Experten wirkt sich die lang anhaltende Kälteperiode im Jänner 2017 nicht negativ auf die Borkenkäferpopulation aus. Es wird nun eine unserer vorrangigen Aufgaben sein, in den nächsten Wochen und Monaten vorbeugend entsprechende Maßnahmen zu setzen und zudem die gesamte Borkenkäferentwicklung genau zu beobachten. Wo notwendig, werden Fangschläge in letztjährigen Befallsbereichen angelegt.

 

 

Ab wann können Fangschläge durchgeführt werden?
DI Hubert Sint: Ich rechne damit, dass wir in tieferen Lagen ab März tätig werden können, in höheren Lagen entsprechend später. Für Fangschläge müssen in der Nähe von Befallsbereichen gesunde Bäume geschlägert und liegen gelassen werden. Der Käfer bohrt sich in das geschlägerte Holz ein. Bevor der Schädling wieder ausfliegt, wird das Holz aus dem Wald transportiert und so die Zahl der Käfer im Wald deutlich reduziert.

Welche Baumarten überwiegen in Osttirol und wie wirkt sich der Klimawandel auf die Zusammensetzung der Artenvielfalt aus?
DI Hubert Sint: Die dominierende Baumart in Osttirols Wäldern ist die Fichte mit einem Anteil von über 70 Prozent. Mit etwa 18 Prozent ist die Lärche vertreten. Weiters kommen die Baumarten Tanne, Kiefer, Zirbe, Latsche und verschiedene Laubhölzer wie Erle, Buche, Ahorn oder Esche, um nur einige zu nennen, vor. Der Klimawandel beeinflusst natürlich auch die Artenvielfalt im Wald und die forstlich relevanten Waldgesellschaften. Zwangsläufig begünstigen höhere Temperaturen wärmeliebende Pflanzen, was sich in der zukünftigen Baumzusammensetzung niederschlagen wird. Ob die Artenvielfalt eher zu-, oder eher abnehmen wird, ist schwer zu beurteilen, da es sich um dynamische Prozesse handelt. Prinzipiell kann man sagen, dass naturnahe, bunte Wälder mit Mischbaumarten die besten Überlebenschancen haben. Konkret gehe ich davon aus, dass besonders im Raum des Lienzer Talbodens Laubhölzer deutlich zunehmen werden, während sich Fichte und Lärche vermehrt in höher gelegenen Hanglagen ansiedeln sollten. Die größte Herausforderung in den nächsten Jahrzehnten besteht darin, die Zusammensetzung der Baumarten auf die Klimaveränderung abzustimmen, um klimafitte, funktionstüchtige Wälder zu schaffen.

 

 

Stichwort „Erholungsraum Wald“: Wie wichtig sind Regelungen in Hinsicht auf unweigerlich auftretende Nutzungskonflikte?
DI Hubert Sint: Die positiven gesundheitlichen Wirkungen des Aufenthaltes im Wald sind wissenschaftlich erwiesen. Bewegung in der Natur liegt im Trend. Viele neue Sportarten machen die Natur für immer mehr Menschen erlebbar. Dies macht unser Land für viele Menschen attraktiv, und auch unser Tourismus profitiert von dieser Qualität. Die Beanspruchung der Natur führt aber auch zu Konflikten. Diese ergeben sich z.B. durch Mountainbiker auf Wanderwegen oder durch Skitourengeher, die unabsichtlich und aus Unwissenheit das Wild in seinen Ruhegebieten stören. Meist sind es aber nur einzelne `schwarze Schafe`, die ein konfliktfreies Miteinander in der Natur erschweren. Um in dieser Frage besser agieren zu können, hat das Land Tirol das Projekt „Bergwelt Tirol – Miteinander erleben” gestartet. Während in anderen österreichischen Bundesländern z.B. das Radfahren auf Forst- und Almwegen aus guten Gründen verboten ist, besteht in Tirol seit 1997 die Möglichkeit, dass die Wegerhalter ihre Wege freiwillig für das Radfahren öffnen. In Tirol sind 921 km Radwanderwege, 512 Mountainbike-Routen mit 5.500 km und 67 Singletrails mit 200 km freigegeben. In Osttirol gibt es 36 Mountainbike-Routen mit einer Gesamtlänge von 395 km und 140 km überregionale Radwanderwege.

 

 

Ihre Sicht auf die forstliche Gretchenfrage: „Wald und Wild“ oder „Wald vor Wild“?
DI Hubert Sint: In weiten Teilen Osttirols ist die einheimische Jägerschaft in Zusammenarbeit mit Grundbesitzern und dem Forstdienst darum bemüht, die Wildbestände dem Lebensraum anzupassen und so die Grundlage für eine mischbaumartenreiche Waldverjüngung zu schaffen. WaldbesitzerInnen legen bei Jagdverpachtungen sehr oft Wert darauf, dass die Jagd auf ihren Grundstücken so ausgeübt wird, dass die Wildschäden möglichst gering bleiben. Diese Zielsetzung verfolgen sie auch dann, wenn sie dadurch auf höhere Jagdpachteinnahmen verzichten müssen. Im Falle des Auftretens von stärkeren Wildschäden, was auch in Osttirol vorkommt, bestehen klare Vorgaben, die im Tiroler Jagdgesetz niedergeschrieben sind. Darin heißt es u.a., dass … „den Interessen der Landeskultur im Widerstreit mit örtlichen oder regionalen jagdlichen Interessen … der Vorrang zukommt.“ Für unseren Bezirk zusammengefasst kann ich sagen, dass es viele Beispiele für „Wald und Wild“, in einzelnen Fällen aber auch Beispiele für „Wald vor Wild“ gibt.

Mit welchen weiteren Fragestellungen wird die Bezirksforstinspektion Osttirol im Jahr 2017 noch beschäftigt sein?
Neben der Beobachtung der Borkenkäferentwicklung, den Maßnahmen zur Bekämpfung des Schädlings und der Aufforstung von Mischbaumarten wird die Dickungspflege ein wichtiges Thema darstellen. Dabei geht es darum, dass in Beständen mit Baumhöhen zwischen drei und zehn Metern Stämme herausgeschnitten werden, damit die verbleibenden Bäume genug Licht erhalten und somit stabiler aufwachsen können. Nicht zu vergessen ist die Abwicklung des nachhaltigen Holzeinschlages von rund 200.000 Festmetern. In Abstimmung mit den Grundeigentümern werden die Mitarbeiter der Bezirksforstinspektion und die Waldaufseher, beginnend mit der Genehmigung des Antrages, über die Holzauszeige bis hin zum Messen im Sägewerk, erneut ein großes Arbeitspensum zu bewältigen haben.

Danke für das Gespräch!

 

Text: E. & J. Hilgartner, Fotos: Fotolia/AVTG, Land Tirol, Fotolia/by-studio, Fotolia/dieter76, Fotolia/Alexander Kurlovich, Fotolia/Kzenon, Fotolia/shocky

21. März 2017 um