Ulfried Haselsteiner: Opernstimme satt

Singen ist ein athletischer Beruf. Muskelarbeit sprichwörtlich. Dies sagt einer, der es wissen muss, schließlich singt der Osttiroler Tenor in vielen renommierten Opernhäusern.

Sein „Herzblut“ steckt der gebürtige Lienzer heute vor allem in die Zusammenarbeit mit vier Freunden, mit denen er das Ensemble „CantoSonor“ bildet. Soweit seine Erinnerung zurückreicht, hat Ulfried Haselsteiner schon immer gesungen. „Musik liegt meiner Familie im Blut. Meine Eltern sind beide leidenschaftliche Sänger, u.a. als langjährige Mitglieder des Kammerchors Lienz. Auch mein Bruder und ich sammelten unsere ersten Erfahrungen mit klassischer Chorliteratur bei diesem traditionsreichen Klangkörper.“ Welche Rolle die Musik in seinem Berufsleben spielen sollte, war dem heute 45-Jährigen nach der Matura allerdings nicht sofort klar. Nach einem Studienjahr in Graz, wo er sich zum Musikschullehrer ausbilden lassen wollte, wechselte er nach Salzburg und ins Konzertfach über. Ab 1990 studierte er am Mozarteum Gesang bei Eva Iles und Boris Bakow, zwei Lehrern, die seinen weiteren Werdegang besonders prägten. Die Opernklasse schloss Ulfried Haselsteiner 1999 mit Auszeichnung ab und erhielt für seine Interpretation des Hoffmann in Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ den Hanna Ludwig-Preis. „Hanna Ludwig war eine berühmte Sängerin, die selbst lange am Mozarteum unterrichtete und dem Nachwuchs mit diesem Preis den Karrierestart erleichtern wollte. Mir hat der Preis vermutlich einige Türen geöffnet, denn es ist ungewöhnlich, sofort nach dem Studium an eine Staatsoper engagiert zu werden“, erinnert sich der Tenor zurück.

 

In Iselsberg lebt Ulfried Haselsteiner mit seiner Familie. Der vielgefragte Tenor war und ist Gast auf vielen Opernbühnen dieser Welt. Seit 2012 bildet er mit vier Freunden das Ensemble „CantoSonor“.

In Iselsberg lebt Ulfried Haselsteiner mit seiner Familie. Der vielgefragte Tenor war und ist Gast auf vielen Opernbühnen dieser Welt. Seit 2012 bildet er mit vier Freunden das Ensemble „CantoSonor“.

 

1999 debütierte er als Max in Webers „Freischütz“ an der Staatsoper in Prag und konnte auch im Rahmen der Japan-Tournee der Prager Oper sein Können unter Beweis stellen. Weitere wichtige Stationen seiner Karriere führten ihn an die Deutsche Oper Berlin, das Liceu Barcelona, das Teatro dell’Opera di Roma, das Teatro Massimo di Palermo, das Teatro Regio di Torino, an das Theater an der Wien, nach Liverpool und Peking und zu den Salzburger Festspielen. Angefangen hat Ulfried Haselsteiner als lyrischer Tenor. Später sang er im lyrisch-dramatischen Zwischenfach und brachte auch Charakterpartien meisterlich auf die Bühne. Den „Tamino“ aus Mozarts „Zauberflöte“ hat er oft verkörpert, wichtige Partien waren auch „Walter“ in Wagners „Tannhäuser“, „Don Ottavio“ in Mozarts „Don Giovanni“, „Hans“ in Smetanas „Verkaufte Braut“ oder „Aeneas“ in Purcells „Dido und Aeneas“, um nur einige wenige zu nennen. 2001 verkörperte er in der italienischen Erstaufführung von Richard Strauss’ Oper „Die ägyptische Helena“ am Teatro lirico di Cagliari die Rolle des „Da-ud“, 2006 sang er den „Ludovico“ in der Welturaufführung von Michael Jarrells Oper „Galilei“ am Grand Theatre du Genéve.

 

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Im Rahmen seiner Engagements war und ist der Tenor natürlich viel unterwegs. Sein Zuhause hat er aber nach wie vor in Osttirol. Dort lebt er mit seiner Familie, seiner Frau und zwei Kindern. Entspannung findet er beim Bergsteigen und Lesen. Vielseitig interessiert, bevorzugt er Literatur wie die Werke Thomas Bernhards oder wissenschaftliche Sachbücher zu Fachgebieten wie Mathematik, Physik oder Kosmologie.

Den heutigen Kulturbetrieb sieht Ulfried Haselsteiner kritisch, wobei er nicht nur den enorm gestiegenen Konkurrenzdruck anspricht. Er zielt in seinen Ausführungen vor allem auf die „Kulturpolitik“ vieler europäischer Länder ab, die in den letzten Jahren von restriktiven Einsparungen geprägt war. „Natürlich ist ein Opernhaus oberflächlich gesehen nicht so wichtig wie ein Bauunternehmen. Ich denke aber, dass Kultur kein Luxus ist, den sich eine Gesellschaft leisten oder den sie nach Belieben auch streichen kann. Richard von Weizsäcker hat dies treffend einmal mit `Kultur ist der geistige Boden, der unsere eigentliche innere Überlebensfähigkeit sichert` formuliert – und dem kann ich nur aus ganzem Herzen und mit meiner ganzen Überzeugung zustimmen.“ Heute nimmt der Osttiroler nicht mehr jedes  Rollenangebot an und reist nicht mehr zu jedem Vorsingen an. „Wenn ich hier stehe und sage, dass ich von meinem Beruf leben kann, dann ist das heutzutage für einen Kunstschaffenden durchaus ein Erfolg. Prinzipiell ist mir Geld aber nicht so wichtig. Ich bin ein Mensch, der zum Leben selbst nicht viel braucht. Ich bin glücklich, unabhängig davon, ob ich viel Geld habe oder nicht.“

 

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Was er selbst aber in den letzten Jahren für sich entdeckt hat, ist eine Form der künstlerischen Freiheit, die ihm die Zusammenarbeit mit vier Freunden im Rahmen des Ensembles „CantoSonor“ ermöglicht. Hier haben sich vier Opernsänger gefunden und ihr Solistendasein auf die Ebene des Quartettgesangs gehoben. Perfekt abgerundet werden die Männerstimmen von Pianist Florian Podgoreanu. „Unser erstes Zusammentreffen fand bei den Proben zu einer Wagner-Oper statt. Bald stand der Entschluss fest auch abseits des Opernbetriebes  miteinander Musik zu machen.“ Das Ergebnis ist ein eindrucksvolles Klangerlebnis auf höchstem Level. Das Repertoire reicht von Volksliedern und Renaissancesätzen über romantische Chorliteratur bis hin zu Evergreens, Barbershop und Jazzstandards. Die Opernstimmen ergänzen sich nicht nur perfekt, sondern klingen auch satt genug, um auf Mikrofone verzichten zu können.

 

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Von diesem herrlich-natürlichen, vollen Klang können sich Musikfans in der Region übrigens schon in diesem Sommer überzeugen: Am 13. August 2016 hat CantoSonor einen Auftritt auf Schloss Bruck. Interessierte sollten sich schon jetzt Karten über das Büro der Stadtkultur Lienz sichern!

 

Text: E. & J. Hilgartner, Fotos: Martin Lugger, CantoSonor

05. Mai 2016 um