Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Am vergangenen Wochenende wurde in Sexten in feierlichem Rahmen und mit prominenten Gästen des 100. Todestages von Sepp Innerkofler gedacht.

Der Gebirgskrieg von 1915–1918 war ein groß angelegter Stellungskrieg im gebirgigen Gelände der Alpen. Als Italien Österreich-Ungarn den Krieg erklärte und die Italiener von Süden durch die Dolomiten vorzustoßen drohten, stand Tirol zunächst schutzlos da. Die regulären K.u.K.-Truppen kämpften in Serbien und Russland. Aus diesem Grund waren die Standschützen das letzte Aufgebot, das in den Krieg geschickt wurde. Einer dieser Standschützen war der Sextener Sepp Innerkofler, ein erfahrener Bergführer und Wirt der Dreizinnenhütte. Auf Basis seiner Ortskenntnisse führte er die „fliegende Patrouille“ an, bestieg mit ein paar Soldaten die Gipfel der Sextner Dolomiten und täuschte eine Besetzung vor, um die Italiener zu vertreiben. Sein Rat, den strategisch wichtigen Paternkofel zu besetzen, wurde von seinen Vorgesetzten zunächst abgelehnt, Innerkofler aber dann damit beauftragt, den Kofel zurückzuerobern. Dabei verlor der Sextner jedoch am 4. Juli 1915 sein Leben. Die Italiener bestatteten den Leichnam am Gipfel des Paternkofels, auf Wunsch der Angehörigen wurde Innerkofler später enterdigt und ins Tal überführt. Dort am Friedhof der Kirche von Sexten befindet sich bis heute auch sein Grab. Noch während des Krieges setzte eine Mythenbildung rund um Sepp Innerkofler ein. Bis heute wird sein Name deshalb nicht selten als Symbol für den Krieg gegen Italien instrumentalisiert und er selbst als Held, als Sinnbild der Tapferkeit und Heimatliebe verehrt. Rund um seinen 100. Todestag fanden am vergangenen Wochenende, 4. und 5. Juli 2015, in Sexten Gedenkfeierlichkeiten statt.

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Am Samstag, 4.7., erinnerte man im Rahmen einer Bergmesse auf der Dreizinnenhütte der Standschützen und Sepp Innerkoflers. Am Sonntagmorgen, 5.7., trafen sich rund 25 Schützenabordnungen aus den verschiedenen Teilen Tirols, Ehrenkompanien aus Wörgl und Sillian sowie die Musikkapellen Sexten und Wörgl beim „Haus Sexten“, wo Landeshauptmann Günther Platter als Präsident der Europaregion Tirol in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste die sogenannte „Frontabschreitung“ vornahm. Anschließend erfolgte der Marsch zum Sepp Innerkofler-Platz im Zentrum der Südtiroler Gemeinde, wo Bezirkskurat Michael Bachmann die hl. Messe zelebrierte. Der Geistliche betonte in seiner Predigt, dass Menschen von damals ihr Leben für Werte wie Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität eingesetzt hätten. An diesen Werten solle man sich auch heute orientieren, wobei man zur Gestaltung der Heimat nicht Worte, sondern Taten sprechen lassen solle.

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Weitere Programmpunkte des Gedenktages waren die Fahnenweihe – als Fahnenpatin fungierte Katharina Innerkofler, eine Nachfahrin des einstigen Standschützen – und die Enthüllung und Segnung des neuen Standschützendenkmals. Dieses hatte der Künstler Albert Willeit gestaltet, der das Denkmal als Inbegriff für Frieden und Gemeinschaft, aber auch als Mahnmal für die historische Zerreißung Tirols im Jahr 1919 interpretierte.

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Der Sextner Bürgermeister Fritz Egarter dankte der Schützenkompanie Sexten für die Errichtung des Standschützendenkmals und die Organisation dieser würdigen Feier. Er erinnerte an die schwierige Situation vor hundert Jahren, als Sexten von einem Tag zum anderen Frontgebiet wurde. Durch die Bombardierung des Dorfes sei viel Kulturgut zerstört worden. Durch das Erinnern an damals solle nicht der Krieg verherrlicht, sondern der Jugend die Ereignisse von damals ins Bewusstsein gerufen und an ein friedliches Miteinander gemahnt werden. LH Günther Platter nannte den Ersten Weltkrieg in seiner Gedenkrede als Urkatastrophe des 20. Jhs. und forderte auf, nicht zu vergessen, dass bei den Millionen von Toten, die damals zu beklagen waren, hinter jeder Zahl ein Mensch stand. Platter bezeichnete Sepp Innerkofler als einen ausgezeichneten Bergsteiger und Bergführer und als Vorbild in einer Zeit, die von dramatischen Veränderungen geprägt war. Das neue Standschützendenkmal habe eine eindeutige Symbolik: die Erinnerung wachzuhalten, an das, was damals geschah, mit dem Auftrag „Nie mehr wieder“.

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Sexten: Gedenken an den Krieg vor der Haustür

Platter betonte, dass die Zerreißung Tirols ein historischer Fehler gewesen sei. Er würdigte die Friedenspolitik der Europäischen Union als Basis für den nun schon lange andauernden Frieden und den Wohlstand im Land. Diesen gelte es zu bewahren, wobei es auch um Partnerschaften gehe. Eine solche schlossen am Gedenktag in Sexten auch die drei Schützenkompanien Sexten, Sillian und Wörgl ab – als Symbol für alle drei Landesteile und als Zeichen der Kameradschaft und des Zusammenhalts.

Text: J. & E. Hilgartner, Fotos: Brunner Images/Walder

06. Juli 2015 um