Vom Leben hoch oben auf der Lasnitzenalm in Prägraten

Seit Jahrhunderten wird auf der Lasnitzenalm Milch an Ort und Stelle zu Butter und Käse verarbeitet. Wir besuchten Sennerin Barbara Sinn auf 1.900 Metern Seehöhe.

Barbara Sinn zieht es nun schon seit 16 Jahren immer wieder auf die Alm im Gemeindegebiet von Prägraten mit Blick auf die Venedigergruppe. „Wir pflegen eine sehr traditionelle Almwirtschaft, die es in dieser Form heute nur mehr sehr selten gibt“, sagt die 50-jährige Salzburgerin. 23 Kühe werden hier jeden Tag am frühen Morgen und am Abend gemolken. „Mit den Kälbern und Galtkühen haben wir heuer 50 Stück Vieh auf der Alm“, berichtet Barbara. Ihr Arbeitstag beginnt früh morgens und dauert oft bis spät in den Abend hinein an. Unterstützung erhält die Sennerin von ihrer Tochter Vroni, die den ganzen Sommer über mithilft, und zeitweise auch von Sohn Wolfgang. Wenn die Kühe nach dem Melken auf die Weide kommen, sorgt dort Hirte Sandro dafür, dass es den Tieren gut geht und dass sie vollzählig und gesund über den Almsommer kommen.

 

Barbara Sinn: „Wir führen hier auf der Lasnitzenalm im Sommer ein einfaches, aber schönes Leben mit den Tieren und viel Arbeit. Es ist aber keinesfalls das Idyll, das sich Städter manchmal vorstellen. Hier herrschen Urgewalten. Wenn beispielsweise ein Gewitter im Anzug ist, muss man schauen, dass man die Tiere noch rechtzeitig über den Bach bringt, bevor das Wasser ansteigt.”

 

Die Lasnitzenalm ist für ihre Almbutter und den guten Käse bekannt, was sicherlich auch daran liegt, dass Barbara und Vroni viel Mühe und Leidenschaft in die Produktion stecken. Die einzelnen Arbeitsschritte auf dem Weg dort hin beschreibt die Sennerin so: „Bereits während des Melkens wird die Milch zentrifugiert, das heißt, die Magermilch wird vom Rahm getrennt. Nach dem Frühstück beginnen wir mit der Weiterverarbeitung der Milch, wobei wir im Butterkammerl und im Käsekeller parallel gefordert sind. Der kalte Rahm kommt ins Butterfassl und wird im Prinzip so lange gerührt bzw. geschlagen, bis sich kleine Flöckchen bilden und sich die Flüssigkeit von den festen Butterflöckchen trennt. Diese werden dann so lange geknetet, bis die Buttermilch abfließt. Die fertige Butter wird in handgeschnitzte Buttermodel (hölzerne Formen) gedrückt, die ihr eine schöne Form und ansprechende Muster verleihen. Für die Käseerzeugung wird die Milch zwei Stunden lang auf 50 Grad erwärmt. Danach bröseln wir die Masse auf, würzen sie und pressen sie in Formen. Nach einem Tag wird der Käse wieder aus der Form herausgestülpt. Nun kann der Reifeprozess beginnen. Nach rund zwei Wochen ist der Graukäse fertig.“

 

 

Der Salzburgerin ist es wichtig, festzuhalten, dass während der gesamten Produktion auf jegliche  Zusätze – also auch auf Lab – verzichtet wird. „Bei unserem Graukäse handelt sich um einen reinen Naturkäse“, betont sie. Die Butter und der Graukäse werden ins Tal transportiert. „14 Prägratner Bauern sind gemeinsam Eigentümer der Lasnitzenalm. Sie holen die Almprodukte regelmäßig ab und vertreiben diese weiter“, so Barbara Sinn. Mit der Lasnitzenalm verbinden auch Stefanie Steiner und Maria Mark, geborene Kratzer, viele Erinnerungen. Wir treffen die beiden in Prägraten und erfahren viel über das Almleben in früherer Zeit. Stefanie Steiner war mit ihrer Tante Liese vor vielen Jahren für die Milchverarbeitung auf der Lasnitzenalm verantwortlich. Maria – sie lebt heute mit ihrer Familie in der Nordtiroler Gemeinde Fendels – arbeitete insgesamt neun Jahre als Sennerin auf 1.900 Metern Seehöhe.

 

 

Im Gespräch erwähnen die beiden auch den so genannten „Marktlas-Sonntag“ und erläutern, welche Bedeutung dieser für die Lasnitzenalm hat. Der „Marktlas-Sonntag“, der letzte Sonntag im August, wird auch heute noch in Prägraten zelebriert. „Am Dienstag vor dem ,Marktlas-Sonntag‘ wird die Milchverarbeitung auf der Lasnitzenalm einem guten Zweck gewidmet. Früher wurde das Ergebnis – ein großer Käselaib, der nicht selten bis zu 15 kg wog – und ein nur geringfügig kleinerer Butterknollen in einen Tragekorb gepackt und auf den Kirchplatz in Prägraten gebracht. Dort wurden die Milchprodukte im Anschluss an den Gottesdienst versteigert“, schildert Stefanie den lang tradierten und verlobten Brauch – der Überlieferung zufolge waren nämlich vier Hirten und 60 Kühe von einem Blitz erschlagen worden. Die Versteigerung von Käse und Butter zugunsten der Pfarrkirche St. Andrä findet auch heute noch statt, wenngleich aus dem einst so großen Käselaib inzwischen viele kleine „Kaslan“ geworden sind.

 

Maria Mark (links) und Stefanie Steiner wissen viel über das Leben und Arbeiten auf der Lasnitzenalm in früherer Zeit zu erzählen.

 

„Die Butterknollen erhielten früher die Kreuzschwestern als Entschädigung für Arbeiten in der Kirche“, wirft Maria ein. Sie weiß von einem weiteren Detail zu berichten. „Wir haben die Kühe am Dienstag vor dem ,Marktlas-Sonntag‘ unter das so genannte ,Gewändte‘ getrieben. Dort stand Ende August noch wesentlich mehr Gras als anderswo, und die Kühe konnten am Abend entsprechend viel Milch geben.“ Am Abend des „Marktlas-Sonntag“ traf man sich auf der Alm, um gemeinsam zu feiern. „Zum Essen wurde ,Bühnhohl‘ serviert, und zum Trinken gab es auch das eine oder andere Gläschen Wein. Auch die Hirterbuben und die Kinder durften an diesem Abend den Wein kosten.“

 

Momentaufnahme des Almlebens auf der Lasnitzenalm Mitte der 1960er-Jahre

 

Etwa vierzehn Tage vor dem „Marktlas-Sonntag“ beginnt jedes Jahr auch Barbara Sinn mit der Käseproduktion für diesen besonderen Tag. „Am Dienstag davor wird die Milch für die Butter  gemolken“, erzählt sie, die in der Mozartstadt Salzburg aufgewachsen ist und heute in St. Gilgen am Wolfgangsee lebt. Das Ende des Almsommers feiert man auf der Lasnitzenalm übrigens mit dem so genannten „Troa tragen“. Zwei Tage vorher werden die Tiere „aufgekranzt“ und nach Hause auf die Bauernhöfe im Tal getrieben. „Die Bauern kommen dann herauf auf die Alm und holen die letzten Produkte ab. Wir servieren Gerstl- und Kassuppe, und gemeinsam wird auf die erfolgreiche Saison angestoßen. Nach der Schlussbilanz feiern wir bis tief in die Nacht hinein, und am nächsten Tag kehre ich dann in mein Zuhause nach St. Gilgen zurück.“ Die Arbeit als Sennerin ist für die 50-Jährige, wie sie abschließend meint, längst schon zur Sucht geworden. „Ich liebe es, hier in und mit der Natur zu arbeiten und zu leben.“

 

Stefanie Steiner mit ihrer Tante Liese Steiner bei der Arbeit auf der Lasnitzenalm

 

 

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Osttirol Journal und privat

08. August 2018 um