Im Restaurant „Tilia“ werden Gäste zu Freunden

Die Konzentration auf das, was auf den Teller oder in das Glas kommt, prägt die Küche von Chris Oberhammer. In Toblach betreibt der Spitzenkoch das Restaurant „Tilia“.

Der kleine Pavillon im Garten des Grandhotel Toblach sieht ein wenig aus wie ein Meteorit aus Glas, Stahl und Sichtbeton. Es ist das Restaurant „Tilia“ von Chris Oberhammer, einem Südtiroler Spitzenkoch, der nach Lehr- und Wanderjahren in Frankreich, Belgien und Monaco 2001 in Vintl sein erstes eigenes Restaurant eröffnet hat. 2010 übersiedelte der Gastronom mit neuem Konzept nach Toblach. „Schon das erste Restaurant in Vintl trug den Namen Tilia. Dabei handelt es sich um das lateinische Wort für Linde, das ich als Erinnerung an den Lindenbaum vor meinem Elternhaus in Toblach/Aufkirchen ausgewählt habe“, erzählt er. Seine Eltern führten ein Hotel. „Die ersten Gehversuche in Richtung meines heutigen Berufes unternahm ich schon mit sechs oder sieben Jahren, später jobte ich in der Hotelküche oder als Hausmeister.“ Im Hotel Kreuzbergpass in Sexten absolvierte der heute 42-Jährige seine Lehrzeit, um anschließend Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Seinen 18. Geburtstag verbrachte er beispielsweise in Brüssel/Belgien, um am nächsten Tag im Hotel Hilton mit der Arbeit beginnen zu können.

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„In meinen Lehrjahren waren 12/13 Stunden-Tage Normalzustand, in Brüssel herrschte damals aber schon das Prinzip der 45 Stunden-Woche vor. Um die mir so verbleibende freie Zeit sinnvoll zu nützen, kochte ich zusätzlich kostenlos in zwei Spitzenrestaurants der Stadt, im `La Villa Lorraine` und im `L’Ecaillier du Palais Royal`“, blickt der Toblacher auf seine Anfänge in der internationalen Spitzengastronomie zurück. Diese Gratisjobs seien wichtig gewesen, um Kontakte aufzubauen, meint er heute, vor allem auch für seine spätere Tätigkeit in Frankreich. In seiner Zeit an der Côte d’Azur habe sich die Sichtweise auf seinen Beruf stark verändert. „Das Gespür für die Produzenten, für die Bauern und Fischer sowie das ganze Marktgeschehen lernte ich erst dort kennen. Ob Gemüse, Wild oder Fisch – die Qualität und die Frische standen absolut im Vordergrund. Die Bauern kamen jeden Tag mit ihren Kisten voller Kostbarkeiten im Restaurant vorbei und haben sie mit Stolz angeboten. Das hat mich sehr geprägt. Deshalb geht es mir bei allem, was ich heute tue, vor allem um den gegenseitigen Respekt. Das Finanzielle steht im Hintergrund“, betont der Spitzenkoch.

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Der Begriff Respekt war Chris Oberhammer auch in seiner Funktion als leitender Koch in verschiedenen anderen Jobs wichtig, wenngleich dies nicht bedeutet, dass alles konfliktfrei ablief. „Je mehr Reibung es in einer Küche gibt, desto besser wird das Ergebnis. Alles zu hinterfragen und sich immer weiterzuentwickeln – das finde ich wichtig. In der Gastronomie ist man nämlich nie ein Meister.“ Das Restaurant „Tilia“ bietet auf fünf Tischen Platz für 16 Personen. Für Chris Oberhammer ist es entscheidend, dass der Fokus auf dem liegt, was der Gast am Teller oder im Glas vorfindet. Die Kreativität des Hausherrn kommt jedoch nicht nur in den Gerichten aus seiner Küche zum Ausdruck. Der Toblacher hat auch die Bilder selbst gemalt, die die Wände zieren bzw. die schlicht-edlen Tische aus Eichen-, Buchen-, Zirben-, Lärchen- und Nussholz eigenhändig entworfen und gefertigt. „Mir ist es wichtig, dass sich der Gast bei mir sprichwörtlich wie zu Hause fühlt. Nach einem Wohlfühlabend in meinem Restaurant soll man sagen können: Wow, das war richtig toll!“

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Das Bemühen, mit seiner Kochkunst zu bewegen, Emotionen und Erinnerungen zu schaffen, treibt Chris Oberhammer an. „Kochen ist für mich meine persönliche Erfüllung. Ich empfinde meinen Beruf nie als Arbeit, auch wenn ich von 7.00 Uhr früh bis spät in die Nacht hinein beschäftigt bin.“ Mit einem Michelin Stern und zwei Gault Millau Hauben (16 Punkte) ist das Restaurant am Areal des Grand Hotel Toblach dekoriert, wobei v.a. die frankophil geprägte Küche mit viel Fisch den ausgezeichneten Ruf des Spitzenkochs bestimmt. Überraschungsmenüs mit 3, 4 oder 5 Gängen bietet er genauso an wie Speisen À la Carte. Stockfisch mit Avocadocreme und Zuckerschoten oder Milchkalb mit Morchelkruste, weißem Spargel und  neuen Kartoffeln stehen derzeit auf seiner Speisekarte. Das Fleisch bezieht der Tilia-Chef von den Bauern aus der Region, die wie in Sexten etwa die Kälberaufzucht ohne Medikamente und Milchpulver betreiben. In Sachen Gemüse und Kräuter pflegt er eine Kooperation mit einem Gärtner in Auer. Gemeinsam bauen sie 180 verschiedene Kräutersorten an. Der Fisch wird frisch aus Mailand angeliefert: „Ich arbeite mit einem Partner, der dort direkt am Markt für mich Fisch, Krustentiere oder Austern einkauft. Am nächsten Tag kann ich die Produkte bereits hier in Toblach verarbeiten.“

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Als erfahrener Pâtissier und Chocolatier stellt Chris Oberhammer auch die Pralinen und das Eis, das man im Tilia auf der Karte findet, frisch her. Zu den Gängen davor, aber auch zum Käse reicht er Walnussbrot mit Dinkel, Tomatenbrot oder Olivenbaguette – alles selbst gebacken. Die Philosophie des „Tilia“ und seines Chefs kann jeder Gast am Ende des kulinarischen Erlebnisses auf dem Umschlag, in dem sich die Rechnung befindet, lesen: „Den Wert eines Betriebes machen nicht Gebäude und Maschinen und auch nicht seine Bankkonten aus. Wertvoll an einem Unternehmen sind nur die Menschen, die dafür arbeiten, sowie die Gäste, die immer wieder kommen. Und Freunde sind.“

Text: Raimund Mühlburger, Fotos: Tilia, Osttirol heute/Mühlburger

18. Juni 2015 um